Triggerwarnung: In der Soundarbeit (und dem Podcast) werden Zitate und Inhalte aufgezeigt, die explizite Situationen von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt beschreiben!
„Seit Sommer 2019 arbeiten wir an einer Soundarbeit zu sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt an der UdK. Insbesondere Studierende sind hiervon betroffen, die Thematik wird unserer Ansicht nach jedoch nicht ausreichend offen verhandelt, grenzüberschreitendes Verhalten hierdurch verstärkt produziert und betroffene Personen nicht ausreichend geschützt. Indem wir diese Thematik sichtbar machen, sehen wir die Arbeit als ein Beitrag, sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt an der UdK entgegen zu wirken. So richten wir uns in erster Linie an Betroffene, weiterhin insbesondere an jede*/n*, die*/der* an der UdK studiert, dort arbeitet oder sie besucht.
In der Arbeit sprechen (ehemalige) Studierende in neun Interviews über ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit und von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt insbesondere ausgeübt durch Dozierende, aber auch durch Studierende oder weiteren Personen, die an der UdK tätig sind oder diese besuchen. Im Fokus der Interviews stehen die subjektiven Erfahrungen und nicht theoretisches Wissen. Die interviewten Personen haben uns großes Vertrauen geschenkt und sehr persönliche Inhalte geteilt. Aufgrund der Sensibilität der Interviewinhalte haben wir uns daher dagegen entschieden, die Arbeit online zu veröffentlichen.
Die Interviews sind inhaltlich sehr unterschiedlich, zeigen jedoch in der Auswertung Gemeinsamkeiten, die eine Struktur bezüglich sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt an der UdK aufzeigen:
1 Der Uni-Raum wird dominiert durch den (cis-)männlichen (weißen) Körper. Das bedeutet, dass insbesondere (cis-)männliche Dozierende und Studierende den Raum für sich beanspruchen.
2 Die meisten der Interviewten geben an, dass (cis-)männliche Profs und Dozierende eine sexistische und homophobe Sprache benutzen. Sexistische Äußerungen “verpacken“ sie gern in “Witze“ oder in Lehrinhalte.
3 Viele der Interviewten werden/wurden durch sexualisierte Diskriminierung, Belästigung und Gewalt vom künstlerischen Arbeiten und Lernen im Studium einen längeren Zeitraum abgehalten.
4 Einige der Interviewten berichten, dass ihnen der Zugang zu Preisen, Ausstellungsmöglichkeiten oder Stipendien verwehrt wurden, wenn sie nicht auf das diskriminierende Verhalten eingegangen sind oder sich diesem aktiv widersetzt haben.
5 Viele der Interviewten meiden bewusst (Lehr-)Räume innerhalb der UdK, um bestimmten Personen nicht zu begegnen.
6 Viele der Interviewten haben sich bei der Wahl der Klasse bewusst für eine* Prof*1 entschieden oder sind nach diskriminierenden Erfahrungen in Klassen mit weiblichen Profs* gewechselt.
7 Viele der Interviewten geben an, dass zwischen den Studierenden innerhalb und außerhalb der Klassen wenig Unterstützung vorhanden ist/war. Entweder weil Studierende sexualisierte Diskriminierung, Belästigung und Gewalt nicht einordnen oder weil sie nicht wussten, wie sie helfen konnten oder auch, weil einige Studierende diskriminierendes Verhalten von Dozierenden gutgeheißen wurde (z.B. durch Zustimmung, Gelächter in diskriminierenden Situationen).
8 Viele der Interviewten geben an, dass sie nicht ausreichend unterstützt gefühlt haben durch die UdK.
“(…) Ich hatte bisher kein Gespräch, wo nichts bei herumgekommen ist. Es war immer ein interessanter Aspekt, der noch nicht erzählt wurde. Es ist ja auch interessant, wenn sich die Inhalte wiederholen, weil das zeigt ja auch ein strukturelles Muster auf. Es kommt (…) oft vor, dass Leute sehr ähnliche Sachen erzählen. Das ist ja das Ding: Dass es keine Einzelfälle sind.” (aus einem Interview)
Weiteres:
9 Personen, die ich, Camilla Goecke, gefragt habe, wollten kein Interview führen aufgrund von starken Schamgefühlen und/oder aus Angst vor Konsequenzen. Daher werden auch oftmals keine uniinternen Beschwerden eingereicht oder polizeiliche Anzeige erstattet.
10 Erst durch die Schilderung und Zusammenfassung der Arbeit haben sich Studierende an uns gewendet, da ihnen bewusst geworden ist, dass ihnen ähnliches widerfahren ist.
11 Studierende oder andere Personen, an die sich Betroffene gewendet haben, um Hilfe zu bekommen, können diese nicht immer ausreichend unterstützen, da sie ebenfalls sexualisierte Diskriminierung, Belästigung und Gewalt nicht einordnen konnten und/oder überfordert sind.
Die Interviews und weitere Gespräche, die wir mit Studierenden geführt haben, zeigen bis auf die Tat der Vergewaltigung, dass alle Formen von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt an der UdK vorkommen!
Wir halten Sound als geeignetes Medium für unsere künstlerische Arbeit. Zum einen ist es ein von Cis-Männern dominiertes Medium, zum anderen empfinden wir das aktive Zuhören als eine wichtige Strategie, um diese Thematik aufmerksam zu machen. Durch das aktives Zuhören werden marginalisierte Stimmen in Hinblick auf sexualisierte Diskriminierung, Belästigungen und Gewalt an der UdK hörbar gemacht. Es beinhaltet außerdem die eigene Position zu reflektieren: Wie höre ich zu? Welchen Stimmen schenke ich Beachtung? Welche Stimmen werden übertönt, eventuell auch durch meine eigene? Durch welchen „Filter“ höre ich zu? Findet meine Stimme Raum und Resonanz?
Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass unsere Arbeit nur einen kleinen Ausschnitt von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt an der UdK aufzeigt. Da die Inhalte, wie aufgezeigt, jedoch eine klare strukturelle Diskriminierung beinhalten, sprechen wir uns für eine hochschulübergreifende Studie und jährliche Befragung der Studierenden aus. Zudem bedarf es unserer Ansicht nach einer verstärkte Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit aller an der UdK wirkenden Personen sowie der Einrichtung von “sicheren“ Räumen und niedrigschwelliger Beratung für und von Betroffenen innerhalb der Uni.
Zudem möchten wir insbesondere Studierende ermutigen, sich mit sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt (an der UdK) zu beschäftigen. Auch wenn dies eine starke Belastung und Emotionalität mit sich bringen kann, hat uns die Auseinandersetzung mit dieser Thematik “ermächtigt“; wir habe eine deutlichere Sprache für diese Thematik gefunden, wir können Formen von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt klar benennen und einordnen und konnten hierdurch einige Betroffene unterstützen.“
Camilla Goecke & Marieke Helmke (Juli 2020)
1 Anm. d. Redaktion: Sprache befindet sich im ständigen Wandel. Die Schreibweisen Frauen* und weiblich* galten zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes als inklusiv für Menschen, die durch Sexismus strukturell benachteiligt werden. Mittlerweile werden diese Bezeichnungen aufgrund ihrer Ungenauigkeit und Reproduktion sexistischer Stereotypen im Antidiskriminierungskontext nicht mehr verwendet. Stattdessen werden Begriffe benutzt, die genauer beschreiben, wer jeweils gemeint ist – z. B. „FLINTA*“. In jüngeren Blog-Texten und Interviews wurde auf die Schreibweise Frauen* und weiblich* deshalb verzichtet.
2 Kommentare