„Man könnte das Kino retten, wenn man wollte“: Ein Gespräch mit Pary El-Qalqili, Biene Pilavci und Tatjana Turanskyj

Dass es um Diversität im Film schlecht bestellt ist, ist keine Neuigkeit. Bereits seit den 1970er Jahren wird für mehr Frauen hinter der Kamera gekämpft, nicht zuletzt, damit auch andere Bilder von Frauen vor der Kamera entstehen. Diese Forderung steht nach wie vor und immer wieder auf der Agenda, aber mittlerweile geht es um noch viel mehr: Um die Repräsentation einer (post)migrantischen Gesellschaft im deutschen Film. Darüber haben sich Katharina Lüdin und Kathrin Peters mit Pary El-Qalqili und Biene Pilavci, Filmemacherinnen und Gründerinnen der Initiative NichtmeinTatort, und Tatjana Turanskyj, Filmemacherin und Mitbegründerin von Pro Quote Regie, unterhalten.

Katharina Lüdin studiert Narrativer Film an der UdK Berlin und ist Vorsitzende des StuPa-Ausschusses für Gleichstellung und Soziales. Kathrin Peters ist Professorin für Geschichte und Theorie der visuellen Kultur und Vorsitzende der Kommission für Chancengleichheit an der UdK Berlin. Das Gespräch fand am 29.01.21 virtuell statt.

Nachtrag: Am 18.9.2021 ist Tatjana Turanskyj nach schwerer Krankheit gestorben. Kathrin Peters hat für die Zeitschrift Cargo einen Nachruf auf die hochgeschätzte Freundin und Kollegin verfasst: https://www.cargo-film.de/film/nachruf/tatjana-turanskyj/

KATHRIN PETERS

Tatjana, du bist Autorin, Regisseurin, Aktivistin, Produzentin und seit Oktober auch Professorin an der HfG Offenbach für Film … 

TATJANA TURANSKYJ

… aber ich würde gerne „digitale Autor*innenschaft“ dazu sagen, um den digitalen Raum zu erobern und on- und offline durch die Räume zu schweben …

KATHRIN PETERS

… außerdem hast du eine lange Geschichte im Bereich Performance und Theater. Nach dem Studium der Soziologie, Theater- und Literaturwissenschaft hast du mit Einar Schleef gearbeitet, Hangover LTD und die OK-GIRL$ Gallery mitbegründet. Deine Filmarbeit begann mit Eine flexible Frau von 2010. Eine flexible Frau ist der Beginn einer Trilogie zu Frauen und Arbeit. Der zweite Teil ist Topgirl oder la déformation professionnelle von 2014.

Filmstill „Eine flexible Frau“
Filmstill „Top Girl“

Tatjana Turanskyj

Bevor ich Filmemacherin wurde, ist meine Arbeit in kollektiver Zusammenarbeit entstanden. Das wollte ich irgendwann nicht mehr, weil wir uns einfach künstlerisch nicht mehr vertraut haben. Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen mit Marita Neher (2017) war dann wieder eine tolle Erfahrung, ein Trip, würde ich sagen. Dazu beigetragen haben auch die Schauspielerinnen Nina Kronjäger und Anna Schmidt, die Kamerafrau Kathrin Krottentahler, der Tonmann Matthias Gauerke, der Choreograf Sven Seeger und die Tänzer und die Köchin in Griechenland, die unerkannt sein will. Das war ein echter gelungener kollektiver Prozess, der diesen Namen auch verdient.

KATHRIN PETERS

Neben deiner feministischen Filmarbeit hast du feministische Filmpolitikarbeit betrieben. Du hat Pro Quote Regie mitbegründet.

TATJANA TURANSKYJ

2013 haben wir angefangen zu recherchieren, wie Filmförderung vergeben wird, wer Regieaufträge vom Fernsehen bekommt. Studien gab es ja nicht. 2014 haben wir Pro Quote Regie auf der Berlinale 2014 initiiert. Dann sind wir mit unseren Zahlen an die Öffentlichkeit gegangen.

KATHRIN PETERS

Woran arbeitest du jetzt?

TATJANA TURANSKYJ

Ich bin jetzt damit beschäftigt meine Professur künstlerisch auszugestalten. Außerdem möchte ich den dritten Teil der Trilogie fertig stellen. Das Projekt heißt Corporate und dabei verlasse ich mich wieder auf mich selber und meine erprobte Arbeitsweise.

KATHRIN PETERS

„Auf sich selbst verlassen“ ist ein wichtiges Stichwort. Biene, du hast an der DFFB Regie studiert, vorher hast du zwei Ausbildungen abgeschlossen: Malerin und Lackiererin und Kauffrau.

BIENE PILAVCI

Genau.

KATHRIN PETERS

Dein Film, Alleine Tanzen, ein Dokumentarfilm von 2012, mit dem du unter anderem den wichtigsten Filmpreis in der Türkei, den des Filmfestivals von Antalya gewonnen hast, handelt von Familie. 2013 hast du in Chronik einer Revolte – Ein Jahr Istanbul ein Film über die Sehnsucht nach einer Demokratie gemacht. Jetzt arbeitest du an einer Sex and Crime-Serie, Macht der Lakaien,und bist Stipendiatin des Berliner Senats für Kunst und Europa.

Filmstill „Chronik einer Revolte“
Filmstill „Macht der Lakaien“

Zusammen mit Pary El-Qalqili hast du NichtmeinTatort gegründet. Als es zum fünfzigsten Jubiläum von Tatort hieß, der Fernsehkrimi sie immer „nah dran an der Lebenswirklichkeit“ gewesen, habt Ihr das zum Anlass genommen zu fragen: Wie nah an der Lebenswirklichkeit einer (post)migrantischen Gesellschaft ist der Tatort wirklich? Ihr fordert mehr Gendergleichstellung und Diversitätsbewusstsein. Als NichtmeinTatort habt ihr kürzlich zwei Offene Brief geschrieben, auf die wir gleich zu sprechen kommen.

Pary, auch du bist Autorin und Regisseurin. Zunächst hast du Kulturwissenschaft in Frankfurt/Oder studiert, dann Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Dein Film Schildkrötenwut von 2012 erzählt von der Rückkehr deines Vaters nach Palästina. Die Beziehung zu deinem Vater wird eine politische Geschichte von Exil- und Zugehörigkeitsfragen. Der Film hat mehrere Preise bekommen und es gab politische Schwierigkeiten bei der Förderung …

PARY EL-QALQILI

… die deutschen Sender haben nicht zugelassen, dass eine Förderung aus Doha mit an Bord ist, mit dem Argument, ein Film über Israel/Palästina dürfe nicht von arabischer Seite gefördert sein.

KATHRIN PETERs

 Derzeit arbeitest du, Pary, an einem politischen Coming of Age-Film, Still I Rise.

Filmstill „Schildkrötenwut“
Filmstill „Schildkrötenwut“

KATHARINA LÜDIN

Biene und Pary, ihr habt Offene Briefe an Arte und ans ZDF geschrieben, in denen ihr auf die strukturelle Benachteiligung von weiblichen Filmschaffenden aufmerksam macht. Ihr habt bestimmte Maßnahme verbindlich gefordert, wie die 50/50 Gender-Quote, ein jährliches Gender-Monitoring und gleichberechtigte Teilhabe von weiblichen Filmemacherinnen, die von struktureller Diskriminierung betroffen sind. Viele Einzelpersonen haben diese Briefe mitgezeichnet, aber auch Verbände und Kollektive. Was war der auslösende Moment? Gab es eine Initialzündung? Das alles ist ja schon lange Thema, aber gab es den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat? Sodass klar war: Jetzt müssen wir das machen?

BIENE PILAVCI

Der Offene Brief an Arte entstand, weil der Arte-Wettbewerb „Regisseurin gesucht“, der im letzten Oktober ausgeschrieben wurde, förmlich schrie: „widersprich mir!“ Er war so unterirdisch, dass ich mich einfach dagegen verhalten musste. Arte verlangte, dass Filmemacherinnen fertige Filme einreichen, die Gewinnerin sollte einen Entwicklungsvertrag erhalten, nicht einmal die garantierte Produktion und Ausstrahlung! Als dann Pary um die Ecke kam mit dem Vorschlag einen Offenen Brief zu schreiben, war die Umsetzung nur noch eine Formsache. Anders als Pary hatte ich noch nie einen Offenen Brief geschrieben und konnte gar nicht einschätzen, was da auf mich zukam. Zunächst haben wir zwei Wochen lang, gefühlt 24/7 und mit Kleinkind in Quarantäne Unterschriften gesammelt. Da sind fast 600 Unterschriften zusammengekommen, darunter 30 von Filmverbänden. Die Unterzeichnenden waren ja alle aus der Filmbranche, das heißt, alle brachten eine gewisse Expertise mit. Im persönlichen Austausch war die Empörung sehr deutlich.

PARY EL-QALQILI

Wir sind beide Regisseurinnen, und kämpfen darum, unsere nächsten Filme zu machen. Wenn wir dann eine solche Ausschreibung lesen, „Regisseurin gesucht“, ist es wie ein Schlag ins Gesicht. Wir versuchen permanent, Gespräche mit Redakteur*innen zu führen. Wir schicken unsere Stoffe zu den Sendern und bekommen kurze oder monatelang gar keine Antworten. Oder wir haben unangenehme Gespräche auf Co-Production-Markets, wo unsere Stoffe abgelehnt und nicht als wichtig wahrgenommen werden. Wenn dann ein Sender versucht, mit so einem lächerlichen Wettbewerb nach außen hin für Gendergerechtigkeit einzutreten, ist das schon empörend. Zumal noch unter solchen Produktionsbedingungen: Da hätten ja die Regisseurinnen auf eigene Kosten neue Kurzfilme herstellen und nur die Gewinnerin hätte dann einen Vertrag bekommen sollen. Selbst wenn die Sender versuchen, mehr Frauen Regie führen zu lassen, sind solche Wettbewerbe das falsche Instrument. Biene und ich waren auch über Tatjana schon Monate zuvor mit Pro Quote beschäftigt gewesen und uns war klar, dass die Quote ein wichtiges filmpolitisches Instrument ist. Aber dieser Wettbewerb hat uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass die Quote wahrscheinlich das einzige Instrument ist, um tatsächlich Gendergleichstellung umzusetzen.      

KATHARINA LÜDIN

Die Reaktionen der Sender auf diese Briefe waren ja doch unterschiedlich. Ihr habt verbindliche Maßnahmen gefordert. Zuerst kam die Reaktion von Arte, im Dezember hat auch ein Gespräch stattgefunden. Danach kam eine Antwort vom ZDF. Arte hat sich durchaus gesprächsbereit gezeigt. Wie zufrieden seid ihr mit diesen Reaktionen? Wird ein Fortschritt erkennbar oder ist das eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

BIENE PILAVCI

Arte hat unter den gegebenen Umständen, also in einem sehr kurzen Zeitraum, sein Bestmöglichstes getan. Die Wettbewerbsausschreibung war ja bereits medial aufgegriffen worden. Um Schaden zu begrenzen, blieb Arte nichts anderes übrig, als sofort zu reagieren. Eigentlich gehört der Sender zu den „Guten“ in der Branche, ein europäischer Kulturkanal mit Vorbildfunktion, der das qualitativ hochwertigste Fernsehprogramm bietet und der sich nach außen hin gerne mit Offenheit und Progressivität schmückt. Hätte sich ein Privatsender so einen Wettbewerb ausgedacht, wäre die Empörung wahrscheinlich weniger drastisch ausgefallen. Dass aus Artes Sicht etwas falsch oder missverstanden worden sei, zeigt, wie unreflektiert die Verantwortlichen bei Arte sind. Es gab bald ein Gespräch mit einer Art Delegation, bestehend aus der Regisseurin Esther Gronenborn, der Filmemacherin und Schauspielerin Sheri Hagen, der Produzentin Alexandra Krampe sowie mit Pary und mir. Generell war die Gesprächsatmosphäre recht offen und freundlich, wir konnten unsere Forderungen unmissverständlich vorbringen. Was wir am Ende der eineinhalbstündigen Besprechung erreicht haben, ist: ein jährliches und transparentes Gender-Monitoring und Gender-Budgeting, beides. Es werden verpflichtende Anti-Bias-Fortbildungen für Arte-Redakteur*innen stattfinden. Des Weiteren wurde der Wettbewerb modifiziert, der sogenannte weibliche Themenbezug ist komplett weggefallen, und es dürfen auch Filme eingereicht werden, die bereits produziert worden sind, deren Auswertung aber noch aussteht. Die Worte Quote haben die Arte-Teilnehmenden nicht in den Mund genommen. Sie nennen es Parität. Arte legt beim nächsten Produzent*innen-Treffen einen Schwerpunkt auf Geschlechtergerechtigkeit. Ein Viertel der Produktionsfirmen, die Arte für den Produzent*innentag einladen wird, sollen Firmen sein, mit denen der Sender noch nicht gearbeitet hat und die zudem hauptsächlich von Frauen geführt werden. Ich finde, an dieser Stelle hat sich Arte ein wenig verraten – denn sonst werden wohl zu solchen Veranstaltungen nur Leute geladen, die sich bereits kennen, womit derartige Treffen eigentlich schon wieder obsolet wären.

Beim ZDF war alles ganz anders. Weil das ZDF und die ARD Arte mit Inhalten beliefern, mussten wir auch an das ZDF einen kritischen Brief mit unseren Forderungen formulieren. ZDFs Reaktion war jedoch ein Schlag in die Magengrube. Der Intendant persönlich, Dr. Thomas Bellut, hat uns geantwortet. Ich kann nur vermuten, dass Bellut sich der Problematik nicht bewusst war, denn der Brief ist durchtränkt von einem realitätsfernen Hochmut. Bellut hat sogar die Chuzpe, voller Stolz drei Regisseurinnen beim Namen zu nennen, die vom ZDF vermeintlich gefördert werden, weil sie Rosamunde Pilcher inszenieren dürfen. Wenn in einen Brief läppische drei Namen passen, dann heißt das, dass eben nur die Drei gefördert werden – nicht weniger, aber vor allem auch nicht mehr. Und das nennt Bellut dann Frauenförderung oder Genderförderung. Gemessen an den Fakten (zum Beispiel die Studie Genderlupe der Filmförderanstalt), sollte sich jedoch das ZDF schämen, dass es nur diese drei Regisseurinnen vorbringen kann. Denn Regisseur*innen, Kamerafrauen*, Autor*innen, Produzent*innen werden hier systematisch benachteiligt. Die Sache ist, dass wir Frauen und FLINTA* keine Förderung, sondern Gleichberechtigung wollen.

PARY EL-QALQILI

Ob die sich in den Sendern ihres Gender Bias’ bewusst sind oder nicht – nach außen treten sie natürlich so auf, als ob sie sich für Gendergerechtigkeit einsetzen würden. Die würden ja niemals sagen „nein, wir fördern bewusst keine Frauen“. Aber das bedeutet nicht, dass sie wirklich für strukturelle Gleichberechtigung sind.    

KATHARINA LÜDIN

Dazu noch ein Gedanke: Pro Quote Film verweist auf einen Vortrag von Skadi Loist zu Diversitätsstandards des Britischen Filminstituts von 2018. Das Britische Filminstitut hat targets formuliert. Von „Quote“ sprechen sie nicht, sie verwenden laut Loist „target“ als positiven Begriff für Inklusion. Das sind Förderkriterien, vergleichbar mit der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, aber noch strenger: 50/50 Gender, 20% Black, Asian and Minority Ethnic, 9% LGBT und 7% Menschen mit Behinderung. Nur wenn zwei Punkte eingehalten oder erfüllt sind, werden Produktionen überhaupt gefördert. Das ist also die Mindestanforderung. Bei vier oder mehr erfüllten Kriterien gibt es noch extra Punkte für „good practice“. Wieso funktioniert das in UK? Warum kämpfen wir in Deutschland erfolglos? „Erfolglos“ ist falsch, aber ich habe schon das Gefühl, dass es hier viel zäher ist. Allein das Bewusstsein, dass Programmkonferenzen oder auch Fördergremien paritätisch besetzt werden sollten – und zwar nicht nur auf Gender, sondern auch auf Intersektionalität bezogen –, fehlt. Solange das so ist, wird sich in den einzelnen Sendern und auch am Programm nichts nachhaltig verändern. Ich frage mich, woran es liegt, dass das in UK offensichtlich schneller geht.

TATJANA TURANSKYJ

Wir kämpfen ja nicht seit gestern, sondern eigentlich seit über 50 Jahren. Angefangen hat das mit Helke Sander und der Zeitschrift Frauen und Film beziehungsweise der zweiten Frauenbewegung. Helke Sander, die die Zeitschrift mitbegründet hat, war Filmfrau und Feministin. Sie hat auch Kinderläden gegründet und wundert sich heute mit 80, dass sich nichts geändert hat. Angela McRobbie, die Kulturwissenschaftleirn, hat einiges dazu geschrieben, warum es so ist, wie es ist. Ich muss sagen, dass alles, was in dem Brief an Arte steht, wir auch schon geschrieben haben. Wir, also Pro Quote Regie, wir mussten Studien erkämpfen, um überhaupt Zahlen zu Geschlechtergerechtigkeit vorliegen zu haben. Die Studien sind ja auf Druck von Pro Quote Regie entstanden und nicht vom Himmel gefallen. Eigentlich haben wir nur erreicht, dass ein Bewusstsein entsteht, und jetzt wurden Veränderungen erreicht. NichtmeinTatort musste kommen, eine neue Sprecherinnenposition entstehen, die Pary und Biene einnehmen.

PARY EL-QALQILI

Es ist wichtig, was Tatjana sagt. Biene und ich haben im Endeffekt nur die Pro-Quote-Forderung aufgenommen. Wir standen im ganz engen Austausch mit Barbara Teufel und Tatjana Turanskyj, weil wir uns auch absichern wollten: Ist das der richtige Schritt, jetzt mit den Forderungen an die Öffentlichkeit zu gehen? Beide haben sofort gesagt: „Genau so, macht das“. Sie haben uns total empowered, das so rauszuschicken.

Katharina, du hattest ja gefragt, weswegen in Großbritannien der BFI-Standards eingeführt werden konnte. In Deutschland gibt es einen institutionellen und strukturellen Rassismus im Kunst- und Kulturbetrieb und damit auch in der Filmbranche. Die wichtigen Positionen sind mehrheitlich weiß besetzt: Entscheidungsträger*innen in Fördergremien und Sendern sind mehrheitlich weiße cis Männer, oder, leider, Frauen, die in einem patriarchalen System verortet sind und oft abwertend über die Quote denken. In Deutschland gibt es immer noch kein Verständnis dafür, dass eine diverse Gesellschaft etwas positives ist. Es gibt verhärtete Strukturen, und die Abwehr gegen das vermeintlich Andere ist stark. Biene und ich haben ein Gespräch mit Helge Albers von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein geführt. Er hat erläutert, dass sie die BFI-Standards angeschaut und überlegt haben, wie sie diese auf den deutschen Kontext übertragen könnten. Was in Deutschland aber ein Tabu ist, ist die Zählung. Es gibt Kritik daran, Menschen mit Migrationshintergrund zahlenmäßig zu erfassen, weil der Begriff „Migrationshintergrund“ nicht alle diejenigen einschließt, die von Rassismus betroffen sind, aber schon seit mehreren Generationen in Deutschland leben. Welche Kategorien sind für den deutschen Kontext adäquat? Das ist einfach noch nicht geklärt.

KATHRIN PETERS

Auch in Großbritannien gibt es Sexismus und Rassismus, aber im Vergleich zu Deutschland haben die Stimmen der Betroffenen ein anderes Gewicht und finden mehr Gehör. Großbritannien versteht sich als postmigrantische Gesellschaft und hat sich mit seiner Kolonialgeschichte befasst. Das ist hier anders.

Ich würde gerne noch einmal darauf zurückkommen, dass die Verantwortlichen in den Sendern offenbar gar nicht merken, dass sie ständig Einreichungen und Anfragen von Frauen erhalten. Sie denken, sie müssten die Arbeit von Frauen erst entdecken. Das ist eine bemerkenswerte Fehlwahrnehmung. Tatjana hat das als Wiederholungsschleife beschreiben: Man muss immer wieder von vorne anfangen mit der Forderung nach Repräsentation. Vor 50 Jahren Frauen und Film, vor 10 Jahren Pro Quote Film und jetzt werden wieder dieselben Forderungen erhoben.

TATJANA TURANSKYJ

Ja, warum tut sich die Film- und Förderlandschaft so schwer mit Gender- und Diversity-Standards? Da sind konservative, nicht transparente Kräfte am Werk, die sich und ihre Privilegien bedroht fühlen. Vielleicht schafft es die nächste Generation, die postmigrantische Generation, wenn Deutschland nicht mehr so weiß ist, Veränderungen durchzusetzen.

PARY EL-QALQILI

Es gibt von der Filmförderanstalt die Studie „Gender und Film“. Die analysiert, dass Regisseurinnen weniger Kompetenz und an Leistungsfähigkeit zugetraut wird. Damit hängt zusammen, dass Regisseurinnen immer noch weniger Budget für ihre Filme bekommen als männliche Kollegen. Jüngeren männlichen Regie-Kollegen wird schon relativ schnell nach der Filmhochschule ein hochbudgetierter Film zugetraut, während sich Regisseurinnen über mehrere unbedeutende Formate erst einmal hocharbeiten und beweisen müssen, damit sie irgendwann ein höheres Budget bekommen. Pro Quote Film hat zu den Stereotypisierung von Frauen hinter der Kamera gearbeitet. Die Gründerinnen von Pro Quote waren diejenigen, die überhaupt erst eingefordert haben, dass es Erhebungen gibt zur Teilhabe von Regisseurinnen. Die jährlichen Diversitätsberichte, aber auch die FFA-Studie haben wir der Initiative von Pro Quote Film zu verdanken.

BIENE PILAVCI

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sind sehr hierarchisch aufgestellt. Ich habe den Eindruck, dass sie in ihrer eigenen Wohlstands-Bubble stecken. Die Redaktionsebene ist das gut bezahlte Fußvolk und da sind tatsächlich zahlreiche Redakteurinnen vertreten. Meiner Beobachtung nach sind sie, wie alle anderen, in patriarchalen Strukturen sozialisiert worden und tragen bewusst oder unbewusst auch starke Vorbehalte gegenüber anderen Personengruppen in sich. Sie meinen, eine solidarische Haltung gegenüber anderen Frauen zu haben. Ja, sie solidarisieren sich teilweise mit Frauen, aber aus welchen Gruppen? Gleich und gleich gesellt sich gern. Ich sehe nicht, dass (post)migrantische oder diasporische Frauen eine Chance bekommen. Bei diesem Auftaktgespräch mit Arte nahmen auch Abteilungsleiterinnen teil. Eine berichtete ausgiebig von ihren tollen Taten, ihren Projekten, ihren Zahlen. Aber wir hatten Dank crew united, dem deutschsprachigen Filmnetzwerk, die aktuellen Zahlen und die stehen für sich. Wir mussten wirklich intervenieren, weil die geschönten Zahlen von Arte nicht haltbar waren. Solange bei Arte und den anderen Sendern keine selbstreflexiven Frauen auf der Entscheidungsebene mitwirken, kann sich auch nichts Grundlegendes ändern. Die Geschichte würde sich nur wiederholen: Weiße alte Cis-Frauen würden weiße Cis-Frauen fördern …
Auf der anderen Seite hat sich in den letzten 50 Jahren einiges getan – vor und hinter der Kamera. Fassbinder hat noch Filme über uns gemacht. Mittlerweile machen wir, wenn wir gelassen werden, selbstbestimmte Filme über uns. Es werden auch Redakteur*innen kommen, die Postmigrant*innen sind oder in der Diaspora leben. Aber es dauert. Einen sicheren Job gibt man ja auch nicht gerne ab. Die Verantwortlichen müssten erst in Pension gehen, bevor Leute nachrücken können. Beziehungsweise, es braucht einfach eine andere Personalpolitik.

KATHRIN PETERS

Du hast Recht, Biene. Ich beobachte an mir selbst durchaus die Dynamik, die ich bei anderen ankreide, dass ich dazu tendieren, mich für Leute aus dem eigenen Milieu einzusetzen. Daher ist die Selbstbeobachtung des eigenen Bias so wichtig.

Ich würden gerne auf die historische Ebene zurückkommen. Tatjana hat es schon erwähnt, 1974 ist die Frauen und Film gegründet worden, die ja bis heute besteht. Dann entstanden die ersten Frauenfilm-Festivals in den 1980er Jahren. Feministische Künstlerinnen organisierten Ausstellungen wie Kunst mit Eigen-Sinnin Wien. Was ich an diesen Bezügen so wichtig finde, ist, dass es nicht nur um zahlenmäßige Repräsentation ging, sondern darum, den Kunst- und Filmbegriff zu verschieben. Perspektiven, die im Film- oder Kunstbetrieb nur an den Rändern vorkamen, sollten in den Mittelpunkt gerückt werden. In der bildenden Kunst wurden von feministischen Künstlerinnen ganze Gattungen hinterfragt. Denn in der Malerei oder der Bildhauerei als Frau in den 1970er Jahren reüssieren zu wollen, das wäre ein geradezu absurdes Unterfangen gewesen. Video, Performance und Fotografie waren und sind gerade für Künstlerinnen hingegen wichtige Medien. Man muss in diesem Sinne die ganze ästhetische Produktionsweise in Frage stellen, um eine Veränderung hervorzubringen. Wie wichtig ist für euch die Frage nach anderen Filmen?

BIENE PILAVCI

Ich denke, man muss sich anschauen, wer entscheidet. Wer sind die Geldgeber, und wie denken Geldgeber. Sie denken in Gewinnmargen. Man muss sie dort packen und das Potential eines diversen Casts und diverser Crews in den Vordergrund stellen. Ganz im Sinne von Netflix und Co.: „Die Klickzahlen bestätigen dies.“ Oder anders gesagt: Die aktuellen FFA-Zahlen belegen, dass in den letzten Jahren immer mehr und mehr Geld in deutsche Filme, „deutsche Geschichten“, deutsche Produktionen gesteckt wurden. Aber die Zuschauenden zahlen an der Kinokasse für andere Filme, für nichtdeutsche Produktionen. Warum ist das so? Weil eben im deutschen Kino das läuft, was die weiße Mehrheitsgesellschaft schon in- und auswendig kennt. Marginalisierte Personengruppen kennen den deutschen Film auch schon ziemlich gut. Das heißt, es müssen neue Perspektiven und Formen her. Es gibt ja Geld, es muss nur anders verteilt werden. Es nützt nichts, noch und noch mehr Geld in das immer Selbe zu pumpen. Das ist Wahnsinn! Also: (Post)migrantische und black Filmemacher*innen of color könnten den deutschen Filmkanon interessant machen und nachhaltig prägen. Pary sagt immer, Gerechtigkeit ist das eigentliche Argument.

PARY EL-QALQILI

Ja, Biene und ich hatten da natürlich Diskussionen, weil Biene über den Markt argumentiert und sagt, es sei im Interesse des Markts, diverser zu werden. Also ganz pragmatisch. Und ich argumentiere auf der Rechte-Ebene, dass es unser Grundrecht ist mitzugestalten. Aber du, Kathrin, hast gefragt, wie man die Produktionsverhältnisse ändern kann.

KATHRIN PETERS

Ich argumentiere auf der ästhetischen Ebene.

PARY EL-QALQILI

Die Frage ist, inwiefern klassische Erzählstrukturen überhaupt Brüche zulassen, oder ob die nicht immer nur wiederholen, was uns weder intellektuell noch emotional-affektiv weiterbringt. Daran arbeitet ja Tatjana: die Form aufzubrechen und andere Formen zu finden. Das ist in den jetzigen Förderstrukturen fast nicht möglich. Es gibt eine Experimentalfilm-Förderung beim Medienboard und es gibt ein schätzenswertes, aber auch kleines Künstlerinnenprogramm des Berliner Senats. Aber in den anderen Förderungen ist nicht verankert, dass erwünscht ist, jenseits des Dreiakters zu erzählen, dass auch Risiken eingegangen werden sollen. Ich glaube, dass einerseits eine Grundsicherung für Künstlerinnen und Filmemacherinnen wichtig ist, also ähnlich wie in Frankreich, damit man nicht in ein Prekariat abgeschoben wird. Da wären wir auch schon beim nächsten Thema, class: Wer kann es sich überhaupt leisten, Filme zu machen und insbesondere in Kinofilme Zeit zu investieren und Stoffe fürs Kino zu entwickeln. Das können nur Menschen, die aus privilegierten Familien kommen und darüber eine Absicherung haben.

KATHRIN PETERS

Das stimmt. Ich insistiere noch einmal mit der Frage nach Form und Ästhetik. Wenn wir für zahlenmäßige Repräsentation bestimmter Gruppen eintreten, dann kommt die Antwort vom ZDF, sie hätten ja gerade eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung an eine Regisseurin vergeben. Die Antwort ist ja gar nicht unpassend. Sie erscheint uns nur deswegen falsch, weil wir etwas anderes meinen: Es geht um mehr als um Zahlen, nämlich um Stoffe und Perspektiven. Wenn ein weißer Hetero-Kitsch nun von Frauen gedreht wird, ist nichts gewonnen. Tatjana, deine Filme sind ja nun wirklich Filme, die sich ganz klar auf weibliche Erfahrungen, auf weibliche Lebens- und Arbeitsformen beziehen – sowohl inhaltlich als auch in der narrativen Struktur. Weibliche Körper bekommen unheimlich viel Raum in deinen Filmen, als agierende Körper. Es geht ins Obszöne, ins Theatrale, ins Alberne … oder alles zugleich, wenn Julia Hummer zum Beispiel in Top Girl vor Casterinnen performt und die Rolle, um die es geht, schon gar nicht mehr haben will.

TATJANA TURANSKYJ

Aus dem Grund habe ich eine eigene Produktionsfirma gegründet – um unabhängig zu sein. Ich kann nur allen Leuten empfehlen, dies zu tun, weil das zum Beispiel bedeutet, bei der Filmförderung einreichen zu können, unabhängig zu produzieren. Die Filmförderung, die wir jetzt haben, vor allem übrigens die kulturelle BKM-Förderung [Filmförderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur- und Medien], ist eine Kontrollförderung und außerdem völlig intransparent. Papas Kino ist schon tot, und Mamas Kino muss auch sterben. Da ist alles in Bewegung und deshalb spreche ich von digitaler Autor*innenschaft. Biene, du hast in deinem Vortrag an der HfG Offenbach neulich davon gesprochen, dass Kino etwas anderes als Film ist.  

BIENE PILAVCI

Kino ist ja nicht nur ein Film, den man auf der Leinwand sieht, sondern Kino ist ja etwas, das passiert, etwas Lebendiges. Der Film wird auf die Leinwand projiziert und die Töne umgeben uns durch die Soundanlage. Das ist sozusagen die Fläche, ich nenne sie A. Mit meinen Augen und Ohren nehme ich die audiovisuellen Reize wahr, die im Hirn ankommen, das ist dann B. Schließlich gibt es eine chemische Reaktion in diesem geschlossenen Raum, das ist dann C …

TATJANA TURANSKYJ

… das ist der Film.

BIENE PILAVCI

Die Sehhörung in einem geschützten Raum, gemeinsam mit anderen – in meiner Vorstellung mit einem Idealpublikum aus einander unbekannten, jedoch gleichgesinnten Menschen – das ist der Film. Das Kinoerlebnis, eine Erfahrung.

TATJANA TURANSKYJ

Man könnte das Kino retten, wenn man wollte. Aber das widerspricht dem Markt, wie du argumentierst, Biene, den Marktverhältnissen. Dass Film nur mit zwei Millionen, ach Quatsch, was sag ich da – das ist ja Low Budget! –, mit fünf Millionen Euro gemacht werden kann, wie soll das amortisiert werden? Wie soll das gehen? Ich würde vorschlagen, das Kino zu schützen, indem man es auf die Weltkulturerbeliste setzt. Dadurch wäre es geschützt und niemand muss noch durch diese Administrationshölle gehen, um einen Film zu machen.     

KATHRIN PETERS

Aber ich kenne eure Filme doch. Irgendwoher gibt es also Geld.

TATJANA TURANSKYJ

Meine Filme sind deshalb gefördert worden, weil man nicht mehr drum herumkommen konnte, sie zu fördern. Es macht sich gut, einen – aber eben nur einen – feministischen Film zu fördern. Aber natürlich mit wenig Geld! Ich war froh, dass ich meine Filme überhaupt machen konnte oder durfte …

BIENE PILAVCI

Zunächst kann ich Tatjana nur beipflichten. Kino als Weltkulturerbe zu deklarieren, wäre für alle hilfreich und könnte das Kino langfristig vor seinem Untergang wahren. In Anbetracht der Tatsache, dass wir in einem neoliberalen System leben, klingt in meinen Ohren Tatjanas Idee mit der Weltkulturerbe viel realistischer als die, das System reformieren zu können.

Parallel zu Macht der Lakaien arbeite ich gerade auch an Nackt – ein Film über Selbstbestimmung anhand eines Castings. Das ist, wofür ich das Senats-Stipendium erhalten habe. Dieses Stipendium ist eine Anschubfinanzierung, um ein gutes Finanzierungspackage zu schnüren. Aber es zeichnet sich jetzt schon ab, dass der Film durch das Raster der Finanzierungsoptionen fliegen könnte, weil Nackt ein hybrider Essayfilm ist, das heißt, er ist dokumentarisch und fiktional, aber nicht experimentell. Für solche Stoffe gibt es keine Schublade in Deutschland. Ein weiser und weißer, alter Mann hat mal gesagt, „Kunst in Kategorien einzuteilen, ist ein Widerspruch in sich und zutiefst deutsch.“ Naja, oder so ähnlich. Wie wollen wir denn neue Formen finden, wenn es dafür keine Bereitschaft zur Finanzierung gibt? Ein Deutschland ohne Schubladen – das wünsche ich mir.

TATJANA TURANSKYJ

Ganz genau.

BIENE PILAVCI

Der Deal ist: „Wir Gönner geben euch Künstlern ein bisschen was in die Hand und ihr geht uns dann nicht mehr auf den Sack.“ Wir bekommen alle gerade mal so viel, dass wir unsere Filme auf kleiner Flamme umsetzen können und dabei wird auch noch Dankbarkeit von uns erwartet. Aber davon leben können die wenigsten Autorenfilmer*innen. Und ob sich jemand auf diese Weise künstlerisch weiterentwickeln kann, ist auch zu bezweifeln. Der große Batzen wird unter den üblichen Verdächtigen aufgeteilt. Und argumentiert wird das Ganze mit, dass Arbeitsplätze geschaffen würden. Ernsthaft! Es geht also nicht um Inhalte und Filmkunst, sondern um Arbeitsplätze! Als ob Autorenfilmer*innen mit mehr Budget nicht nur auch Arbeitsplätze schaffen würden, sondern imstande wären, die Wirtschaftsdarlehen zurück zu bezahlen.

KATHRIN PETERS

Ihr tretet ein für verschiedene Arten des Verhältnisses von Frauen und Film, so habe ich das jetzt verstanden. Biene dafür, dass auch Frauen an der Filmindustrie teilhaben. Wenn es aber um ein feministisches Argument geht, finde ich, steht auch zur Debatte, wer wie gezeigt wird, welche Perspektiven Raum finden, wem Gehör verschafft wird. Es geht auch um Formfragen.

BIENE PILAVCI

Ich selbst bin meine erste Zuschauerin. Ich gehe daher von mir aus, bei dem, was ich gerne auf der Leinwand oder vor dem heimischen Bildschirm sehen möchte. Ich interessiere mich für viele Themen und Sachverhalte, aber eben aus meiner, einer intersektionalen Perspektive. Im Übrigen denke ich, dass auch weiße Cis-Menschen sich für meine Perspektive interessieren könnten, da jene weißen Cis-Menschen, Verteter*innen der Dominanzgesellschaft, auch ihrer Perspektive überdrüssig sind und das vermeintlich Andere sehen wollen. Auch wenn ich mir nicht anmaßen will, mich in eine*n Zuschauer*in hineinversetzen zu können, merke ich im persönlichen Austausch mit weißen Cis-Kolleg*innen und weißen Cis-Freund*innen, dass da ein großer Wissensdurst herrscht.

Mir persönlich geht es nicht darum, meine Arbeit in einen (film)politischen und ästhetischen Kontext zu setzen. Dass dies trotzdem geschieht, liegt in der Natur der Sache. Da unser aller politische Haltung – auch deren Negierung – Teil unserer Sozialisierung und Lebensrealität ist, tragen wir diese Haltung selbstverständlich in einen Schaffensprozess hinein. Bei der Rezeption nehmen wir dies auch entsprechend wahr.

Mir geht es zwar darum, grundlegendste Konditionen des Filmemachens und Filmesehens in Frage zu stellen. Aber nicht aufgrund eines selbstauferlegten Prinzips, sondern weil ich durch die Filmbranche damit unmittelbar konfrontiert bin und darunter sogar leide. Dieses Gefühl der großen Ungerechtigkeiten und ein konstruktiver Umgang damit fließen mittlerweile ganz natürlich in meine Arbeiten hinein.

PARY EL-QALQILI

Wir wollen nicht nur Teilhabe am System, eigentlich wollen wir, dass sich das System ändert. Aber, wie?

KATHRIN PETERS

Tatjana, wir waren vor ein paar Jahren bei einer Pro-Quote-Veranstaltung und haben festgestellt, dass dort ein bestimmter Mainstream-Feminismus verteidigt wurde. Es schien das Ziel zu sein, überall mitzumachen, aber nicht, Fragen nach Form oder Format zu stellen. Ich finde das durchaus legitim, aber es ist nicht mein Einsatz. Ich denke, uns allen geht es doch im Sinne des queer-feministischen, des antirassistischen Films um mehr als darum, beim Bestehenden mitzumischen. Sowohl die Frauenförderung als auch die Diversity-Politik arbeiten mit der Hoffnung, dass, wenn Leute mit verschiedenen Biografien und Erfahrungswelten mitmachen, sich schon von selbst etwas ändert, künstlerisch, also in Erzählungen, Darstellungen, Bildern oder Dramaturgien. Aber da bin ich skeptisch.

TATJANA TURANSKYJ

Ja, das bezweifle ich auch.

KATHARINA LÜDIN

Ich glaube nach wie vor, dass, wenn in Head of Department-Positionen in Regie, Produktion oder Kamerafunktion etc. FLINT-Personen oder BIPoC verantwortlich sind, dass diese Filme diversere Perspektiven bekommen. Doch, das glaube ich schon. Dass das nicht mit jeder weißen cis Frau automatisch passiert, ist klar.

TATJANA TURANSKYJ

Katharina, entschuldige, dass ich dich unterbreche, alleine vom Head of Department zu sprechen, das ist schon Institution, das ist schon falsch.

KATHARINA LÜDIN

Wieso falsch?

KATHRIN PETERS

Vielleicht, weil man die Strukturen damit reproduziert, wenn man in diesen Kategorien denkt. Tatjana, du hast betont, dass es dir um Kooperation geht, Film als kooperative Praxis …

TATJANA TURANSKYJ

… genau.

KATHARINA LÜDIN

Ich möchte diesen Punkt zu Ende führen, weil es immer oder noch eine Weile Filme geben wird, die in diesem System arbeiten. Egal, ob wir jetzt persönlich als Autor*innenfilmende oder in Kollektiven arbeiten, oder wie auch immer wir unsere Arbeit gestalten, es wird trotzdem noch eine Weile diese Filme geben, weil Filmschulen stark auf Department-Trennung hin schulen. Bei uns an der UdK gibt’s diese Trennung nicht, an der HFBK Hamburg, wo ich vorher studiert habe, auch nicht. Darüber bin ich froh. Aber an Filmhochschulen gibt es sie. Ich sag’s deshalb nochmal: Wenn ein*e Regisseur*in, Kameraperson, Produzent*in eine Person ist, die auf der intersektionalen Ebene eine Mehrfachdiskriminierung mitbringt – beispielsweise eine Schwarze Frau oder nichtbinäre Person oder eine Person mit Behinderung –, dann wird sich die Erzählperspektive ändern und damit auch ein Blick auf Gesellschaft. Das wäre meine These oder meine Hoffnung, dass sich der Film zwar nicht unbedingt sofort in der Form, aber zumindest in der Repräsentation von Figuren ändert. Wenn ich fernsehe, halte ich die stereotype Darstellung von Personen, die nicht cis, weiß, hetero sind, kaum aus. Das hat definitiv damit zu tun, dass die Person, die den Film gedreht hat, eine weiße cis Person ist, beispielsweise. Menschen, die einer Ethnisierung unterliegen, werden ganz bestimmt klischeehaft dargestellt. Das Gleiche passiert mit einer homosexuellen oder trans Person, einfach weil die Personen, die für Regie, Buch oder Kostüm etc. verantwortlich waren, kein ausreichendes Bewusstsein haben. Es könnte ja auch mal eine nichtweiße oder trans Protagonist*in geben, die sich in einer Erzählung mit etwas anderem beschäftigen darf als ausschließlich mit ihrer Diskriminierungserfahrung. Das kann auch eine Realität verändern, wenn diese Person ganz unabhängig von ihren Merkmalen in der Geschichte auftritt. Darum geht es mir.

PARY EL-QALQILI

Genau, bei dieser Repräsentationsfrage haben wir auch angesetzt mit NichtmeinTatort zum Beispiel. In der ganzen Auseinandersetzung haben wir aber gemerkt, dass es nicht nur um Repräsentation gehen kann, solange sich am Gerüst dieses wirkungsmächtigen Formats Tatort nichts ändert. Da kannst du nochmal versuchen, eine Figur unkonventionell zu erzählen, es wird trotzdem kein Film werden, der dir irgendwie einen größeren intellektuellen oder emotionalen, affektiven Gewinn verschafft. Ich glaube, die Repräsentationsebene alleine ist nicht die Lösung des Problems. Da setzen wir natürlich filmpolitisch an, in der Hoffnung, dass sich durch die Veränderung des Zugangs zum Filmmarkt etwas ändert. Aber alleine das kann es nicht sein. Wie Tatjana gesagt hat: Wenn der Prozess des Films anders gestaltet ist, wenn es Raum dafür gibt, dass dort andere Formen der Hierarchie oder keine Hierarchien stattfinden, kann das Auswirkung für den Film haben. Solche Prozesse sind ja noch nicht damit gelöst einzufordern, dass es eine andere Form der Beteiligung vor und hinter der Kamera gibt. Machtverhältnisse können sich auch dann widerspiegeln. Das wäre eine Selbstkritik an uns, an NichtmeinTatort. Wir haben einen Faden aufgenommen, aber die Kritik müsste eigentlich über diese ganze Repräsentationsebene hinausgehen. Unsere Forderungen mit NichtmeinTatort ist auch nicht gelöst, wenn auf einmal 50 Prozent der Drehbücher von Autorinnen geschrieben oder Regisseurinnen gedreht werden. Eigentlich wollen wir keinen Tatort machen und uns nicht mit Ermittlerinnen identifizieren.

KATHRIN PETERS

Ich bin durchaus dafür, dass viele Frauen Tatort machen. Ich denke auch beim Tatort gelingt manchmal etwas. Aber man muss natürlich mit diesem Genre umgehen wollen.

KATHARINA LÜDIN

Ja, diese Hierarchien sind sowieso das eigentliche Problem, oder eines der Probleme: die Aufrechterhaltung eines Systems. Wer bestimmt die Stimmung am Set, wer traut sich, die Stimme zu erheben? Wir müssen auf diverse und sensibilisierte Besetzung achten, wenn noch nicht mal das Bewusstsein da ist, dass Frauen weniger privilegiert sind als Männer, dass Schwarze Menschen weniger privilegiert sind als weiße und dass Menschen ohne Behinderung privilegierter sind als Menschen mit Behinderung. Ich glaube schon, dass deswegen eine breite Repräsentation ohne Stereotype im Fernsehen und diverse Positionen hinter der Kamera wichtig sind.

PARY EL-QALQILI

Gegen Stereotype ankämpfen ist ein Problem in sich, weil man es auf der Folie der Stereotypen, gegen die man ankämpfen möchte, tut. Die Frage ist, inwiefern man sich auch durch alternative Darstellung davon befreien kann …

KATHARINA LÜDIN

… weil das nur in dem Rahmen gelesen wird, in dem wir denken …

PARY EL-QALQILI

… genau. Du hast es nicht gelöst, wenn du einen Schwarzen Arzt als Figur in einem Tatort einsetzt.

KATHRIN PETERS

Der Punkt wäre doch, dass das Schwarzsein des Arztes nicht thematisiert wüirde, sondern dass er einfach ein Arzt ist.

BIENE PILAVCI

Es geht auch darum, dass das deutsche Fernsehen eine Affinität für Krimis und Polizeiserien hat. Bei diesen Krimis sollen sich die Zuschauende mit den Polizist*innen identifizieren. Ich kam und komme bei verschiedenen Gelegenheiten auch mit der Exekutive und Judikative in Berührung. Ihr könnt mir glauben, ich habe absolut kein Bedürfnis, mich mit Kriminalist*innen zu identifizieren. Warum hat die weiße Dominanzgesellschaft ein Bedürfnis nach, ich nenne es mal, Beschützerserien? Solange die TV-Beamt*innen munter Fälle lösen, kann die Welt nicht ganz so upgefuckt sein? In dieser Logik würde dann niemand, solange sich alle in ihrem Bettchen beschützt wähnen, auf die Barrikaden gehen? Oder, weil die Welt da draußen böse und kalt ist, will ich mir vor dem Fernsehen eine Auszeit gönnen und keine Weltprobleme lösen, sondern das lieber die Ermittler*innen machen lassen? Da wären wir bei der Frage, was wir vom Film erwarten können? In einem Zeit-Interview hat ein Tatort-Drehbuchautor ganz unverhohlen gesagt, dass das Fernsehen ein Nebenbei-Medium sei, er schreibe die Bücher so, dass nebenher noch gearbeitet oder Bier geholt werden könne. Dafür ist der Tatort also gut genug? Dafür verballern die Tatort-Redaktionen das höchste Budget im deutschen Fernsehen? Um nebenher angeguckt zu werden? Als GEZ-Gebührenzahlerin finde ich das inakzeptabel. Als Filmemacherin erwarte ich definitiv mehr von einem Film, auch im deutschen Fernsehen, als nebenher konsumierbar zu sein.                    

KATHRIN PETERS

Ja, das sind eigentlich gar keine Detektivfilme, sagen wir, in der Tradition der Film Noir. Das ist einfach deutsche Polizei. Wobei die Dynamik von Tatort sicherlich auch aus der Serialität entsteht. Aber ich möchte eine historische Perspektive auf das Fernsehen richten: Das war ja nicht immer so. Das Fernsehen der 1970er und 1980er Jahre in der BRD hat seinen Bildungsauftrag ernst genommen. Der WDR zum Beispiel hat viel ermöglicht. Unter dem Druck der Einschaltquoten und der Privatsender hat sich das verändert. Fernsehen ist durchaus ein interessantes Medium, nur, in der Form, in die es geraten ist, ist es das nicht mehr. Aber gerade weil es zu einem Nebenbei-Medium wird, könnte das Fernsehen etwas auszuprobieren …

BIENE PILAVCI

… unbedingt.



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Ableismus ist die Diskriminierung und das soziale Vorurteil gegenüber Menschen mit bestimmten körperlichen und geistigen Fähigkeiten und Bedürfnissen. In der Regel handelt es sich dabei um eine Abwertung der physischen und psychischen Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, die auf einer vermeintlichen biologischen (körperlichen und/oder geistigen) Norm dessen beruht, was ein nichtbehinderter, neurotypischer Mensch sein sollte. Ableismus kann sich mit anderen Formen der Unterdrückung wie Rassismus und Sexismus überschneiden.

Adultismus ist die im Alltag und im Recht anzutreffende Diskriminierung, die auf ungleichen Machtverhältnissen zwischen Erwachsenen einerseits und Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen andererseits beruht.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das seit 2006 in Kraft ist, ist das einheitliche zentrale Regelwerk in Deutschland zur Umsetzung von vier europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien. Erstmals wurde in Deutschland ein Gesetz geschaffen, das den Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Rassifizierung, ethnischer Herkunft, Geschlechtsidentität, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung umfassend regelt.

Antisemitismus ist eine Weltanschauung, die auf Hass/Feindseligkeit gegenüber jüdischen Menschen als religiöser oder rassifizierter Gruppe, jüdischen Einrichtungen oder allem, was als jüdisch wahrgenommen wird, beruht oder diese diskriminiert. Antisemitismus kann im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Kulturen variieren und sich in verschiedenen historischen Momenten intensivieren.

Barrierefreiheit bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Umgebung für möglichst viele Menschen zugänglich ist und von ihnen genutzt werden kann. Inklusive Barrierefreiheit bewertet daher die Bedürfnisse und Wünsche aller möglichen Menschen – einschließlich derjenigen, die neurodivergent sind oder unterschiedliche Fähigkeiten haben – und bezieht diese in Design und Funktion mit ein. Änderungen, die Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten die gleiche Chance und Teilnahme ermöglichen, werden oft als behindertengerechte Anpassungen bezeichnet.

Belästigung ist ein unerwünschtes und nicht einvernehmliches Verhalten, das die Würde einer anderen Person verletzt. Belästigung kann oft ein einschüchterndes, feindseliges, demütigendes oder kränkendes soziales Klima erzeugen und kann auf der sexuellen Orientierung, der Religion, der nationalen Herkunft, einer Behinderung, dem Alter, der Rassifizierung, dem Geschlecht usw. einer Person beruhen. Belästigungen können verschiedene Formen annehmen, darunter verbale, körperliche und/oder sexualisierte.

Das binäre Geschlecht ist die Einteilung der Geschlechter in zwei unterschiedliche und entgegengesetzte Kategorien: Mann/männlich und Frau/feminin. Dieses Glaubenssystem geht davon aus, dass das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht mit den traditionellen sozialen Konstruktionen von männlicher und weiblicher Identität, Ausdruck und Sexualität übereinstimmt. Eine Zuweisung außerhalb des binären Geschlechts wird in der Regel als Abweichung von der Norm betrachtet.

Das Konzept des biologischen Geschlechts bezieht sich auf den biologischen Status einer Person, welcher meist bei der Geburt zugewiesen wird – in der Regel aufgrund der äußeren Anatomie. Das biologische Geschlecht wird in der Regel als männlich, weiblich oder intersexuell kategorisiert.

Cis-Geschlechtlichkeit, oder einfach cis, bezieht sich auf Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Cis kommt von der lateinischen Vorsilbe, die „auf dieser Seite von“ bedeutet.

as Konzept nach Birgit Rommelspacher geht davon aus, dass es ein System von Hierarchien, Herrschaft und Macht gibt, indem die verschiedenen rassistischen, sexistischen, klassistischen und weiteren Herrschaftsformen sich ineinander verflechten. In dieser Verflechtung hat jeweils eine dominante Gruppe die Macht, welche gesellschaftlich immer wieder ausgehandelt wird. In einer bestehenden Gesellschaft erlangt die dominante Gruppe ihre Rolle dadurch, dass sie als zur Mehrheit der Bevölkerung gehörend wahrgenommen wird und in den gesellschaftlichen Institutionen eine bedeutende Präsenz hat.

Der gefängnisindustrielle Komplex (PIC) ist ein Begriff, der die komplexen und miteinander verknüpften Abhängigkeiten zwischen einer Regierung und den verschiedenen Unternehmen und Institutionen beschreibt, die von den Praktiken der Freiheitsentziehung profitieren (z. B. Gefängnisse, Haftanstalten, Abschiebeeinrichtungen und psychiatrische Kliniken). In Anlehnung an den Begriff „militärisch-industrieller Komplex” plädiert der PIC für eine umfassendere Analyse der Art und Weise, wie die Freiheitsberaubung in einer Gesellschaft eingesetzt wird, und nennt alle Interessengruppen, die finanzielle Gewinne über Strategien der Vermeidung der Inhaftierung von Menschen stellen.

Genderexpansiv ist ein Adjektiv, das eine Person mit einer flexibleren und fließenderen Geschlechtsidentität beschreiben kann, als mit der typischen binären Geschlechtszugehörigkeit assoziiert werden könnte.

Geschlecht wird oft als soziales Konstrukt von Normen, Verhaltensweisen und Rollen definiert, die sich von Gesellschaft zu Gesellschaft und im Laufe der Zeit verändern. Es wird oft als männlich, weiblich oder nicht-binär kategorisiert.

Die Geschlechtsangleichung ist ein Prozess, den eine Person durchlaufen kann, um sich selbst und/oder ihren Körper in Einklang mit ihrer Geschlechtsidentität zu bringen. Dieser Prozess ist weder ein einzelner Schritt noch hat er ein bestimmtes Ende. Vielmehr kann er eine, keine oder alle der folgenden Maßnahmen umfassen: Information der Familie und des sozialen Umfelds, Änderung des Namens und der Pronomen, Aktualisierung rechtlicher Dokumente, medizinische Maßnahmen wie Hormontherapie oder chirurgische Eingriffe, die oft als geschlechtsangleichende Operation bezeichnet werden.

Der Ausdruck des Geschlechts ist die Art und Weise, wie eine Person ihr Geschlecht nach außen hin verkörpert, was in der Regel durch Kleidung, Stimme, Verhalten und andere wahrgenommene Merkmale signalisiert wird. Die Gesellschaft stuft diese Merkmale und Leistungen als männlich oder weiblich ein, obwohl das, was als männlich oder weiblich gilt, im Laufe der Zeit und zwischen den Kulturen variiert.

Geschlechtsdysphorie ist eine psychische Belastung, die sich aus der Inkongruenz zwischen dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und der eigenen Geschlechtsidentität ergibt. Menschen aller Geschlechter können Dysphorie in unterschiedlicher Intensität oder auch überhaupt nicht erleben.

Die Geschlechtsidentität ist das innere Selbstverständnis einer Person in Bezug auf ihr Geschlecht. Im Gegensatz zum Geschlechtsausdruck ist die Geschlechtsidentität für andere nicht äußerlich sichtbar.

Heteronormativität ist das Konzept, dass Heterosexualität – romantische und/oder sexuelle Anziehung zwischen Menschen des „anderen“ Geschlechts –  die normative oder einzig akzeptierte sexuelle Orientierung in einer Gesellschaft ist. Heteronormativität geht vom binären Geschlechtsmodell aus und beinhaltet daher den Glauben an eine Übereinstimmung zwischen Sexualität, Geschlechtsidentität, Geschlechterrollen und biologischem Geschlecht. Als vorherrschende soziale Norm führt die Heteronormativität zu Diskriminierung und Unterdrückung derjenigen, die sich nicht als heterosexuell identifizieren.

Bei der Hormontherapie, auch geschlechtsangleichende Hormontherapie (GAHT) oder Hormonersatztherapie (HRT) genannt, werden Geschlechtshormone oder andere hormonelle Medikamente verabreicht. Diese Hormonveränderungen können körperliche Veränderungen auslösen, die als sekundäre Geschlechtsmerkmale bezeichnet werden und dazu beitragen können, den Körper besser auf die Geschlechtsidentität einer Person anzupassen.

Institutionelle Diskriminierung bezieht sich auf vorurteilsbehaftete organisatorische Maßnahmen und Praktiken innerhalb von Institutionen – wie Universitäten, Unternehmen usw. –, die dazu führen, dass eine marginalisierte Person oder Personengruppe ungleich behandelt wird und ungleiche Rechte hat.

Inter* oder Intergeschlechtlichkeit ist ein Oberbegriff, der Menschen beschreiben kann, die Unterschiede in der reproduktiven Anatomie, bei den Chromosomen oder den Hormonen aufweisen, die nicht den typischen Definitionen von männlich und weiblich entsprechen. Das Sternchen (*) unterstreicht die Vielfalt der intersexuellen Realitäten und Körperlichkeiten.

Intergenerationales Trauma bezieht sich auf das Trauma, das von einer traumaüberlebenden Person an deren Nachkommen weitergegeben wird. Aufgrund von gewalttätigen und lebensbedrohlichen Ereignissen wie Kriegen, ethnischen Säuberungen, politischen Konflikten, Umweltkatastrophen usw., die von früheren Generationen erlebt wurden, können die Nachkommen negative emotionale, körperliche und psychologische Auswirkungen erfahren. Da die ursprünglichen Ursachen von Traumata durch Formen der Diskriminierung wie Rassifizierung und Geschlecht bedingt sind, treten intergenerationale Traumata auch entlang intersektionaler Achsen der Unterdrückung auf. Schwarze Gemeinschaften haben zum Beispiel das intergenerationale Trauma der Versklavung ans Licht gebracht. Intergenerationales Trauma wird manchmal auch als historisches Trauma, multi- oder transgenerationales Trauma oder sekundäre Traumatisierung bezeichnet.

Intersektionalität benennt die Verflechtung von Unterdrückungssystemen und sozialen Kategorisierungen wie Rassifizierung, Geschlecht, Sexualität, Migrationsgeschichte und Klasse. Intersektionalität betont, dass die einzelnen Formen der Diskriminierung nicht unabhängig voneinander existieren und auch nicht unabhängig voneinander betrachtet und bekämpft werden können. Vielmehr sollten bei der Bekämpfung von Unterdrückung die kumulativen und miteinander verknüpften Achsen der verschiedenen Formen von Diskriminierung berücksichtigt werden.

Islamophobie ist eine Weltanschauung, die auf Hass/Feindseligkeit gegenüber muslimischen Menschen als religiöser oder rassifizierter Gruppe, muslimischen Einrichtungen oder allem, was als muslimisch wahrgenommen wird, beruht oder diese diskriminiert. Islamophobie kann im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Kulturen variieren und sich in verschiedenen historischen Momenten intensivieren.

Klassismus ist ein Begriff, der die Diskriminierung beschreibt, die auf der Überzeugung beruht, dass der soziale oder wirtschaftliche Status einer Person ihren Wert in der Gesellschaft bestimmt. Klassismus als eine Form der Diskriminierung und Stigmatisierung basiert auf tatsächlichen oder angenommenen finanziellen Mitteln, dem Bildungsstatus und der sozialen Integration. In der Hierarchie „unterlegene“ gesellschaftliche Klassen werden problematisiert und stereotypisiert und erhalten oft ungleichen Zugang und Rechte innerhalb der Gesellschaft.

Kolonialismus ist die Kontrolle und Dominanz einer herrschenden Macht über ein untergeordnetes Gebiet oder Volk. Bei der Unterwerfung eines anderen Volkes und Landes beinhaltet der Kolonialismus die gewaltsame Eroberung der Bevölkerung, die oft mit der Massenvertreibung von Menschen und der systematischen Ausbeutung von Ressourcen einhergeht. Abgesehen von den materiellen Folgen zwingt der Kolonialismus dem unterworfenen Volk auch die Sprache und die kulturellen Werte der herrschenden Macht auf, was kulturelle, psychologische und generationenübergreifende Traumata zur Folge hat.

Kulturalistisch argumentierter Rassismus richtet sich gegen Menschen aufgrund ihres mutmaßlichen kulturellen oder religiösen Hintergrunds. Diese Form der Diskriminierung kann unabhängig davon auftreten, ob sie tatsächlich eine Kultur oder Religion ausüben und wie religiös sie sind (z. B. antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus).

Kulturelle Aneignung ist der Akt der Übernahme von Aspekten einer marginalisierten Kultur durch eine Person oder eine Institution, die dieser Kultur nicht angehört, ohne umfassendes Verständnis des Kontexts und oft ohne Respekt für die Bedeutung des Originals. Kulturelle Aneignung reproduziert Schaden, wenn sie negative kulturelle oder rassistische Stereotypen fördert. Kulturelle Aneignung kann oft die Machtdynamik innerhalb einer Gesellschaft offenbaren: So wird beispielsweise eine weiße Person, die die traditionelle Kleidung einer marginalisierten Kultur trägt, als modisch gelobt, während eine rassifizierte Person von der dominanten Gruppe isoliert und als fremd bezeichnet werden könnte.

Marginalisierung beschreibt jeglichen Prozess der Verdrängung von Minderheiten an den Rand der Gesellschaft. Marginalisierten Gruppen wird in der Regel unterstellt, dass sie nicht der normorientierten Mehrheit der Gesellschaft entsprechen und sind in ihren Möglichkeiten, sich frei zu verhalten, gleichen materiellen Zugang zu haben, öffentliche Sicherheit zu genießen usw., stark eingeschränkt.

Mikroaggression bezeichnet einzelne Kommentare oder Handlungen, die unbewusst oder bewusst Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Mitgliedern von Randgruppen zum Ausdruck bringen. Als kleine, häufige und kumulative Vorkommnisse können Mikroaggressionen aus Beleidigungen, Stereotypen, Abwertung und/oder Ausgrenzung bestehen. Mikroaggressionen wirken sich oft negativ auf die Person aus, die sie erleidet, und beeinträchtigen ihre psychische und physische Gesundheit und ihr Wohlbefinden.

Misogynie ist ein Begriff für sexistische Unterdrückung und Verachtung von Frauen, der dazu dient, Frauen in einem niedrigeren sozialen Status als Männer zu halten und so patriarchalische soziale Rollen aufrechtzuerhalten. Misogynie kann eine Haltung von Einzelpersonen und ein weit verbreitetes kulturelles System bezeichnen, das häufig alles abwertet, was als weiblich wahrgenommen wird. Frauenfeindlichkeit kann sich mit anderen Formen der Unterdrückung und des Hasses überschneiden, z. B. mit Homophobie, Trans*-Misogynie und Rassismus.

Neurodiversität ist ein Begriff, der die einzigartige Funktionsweise der Gehirnstrukturen eines jeden Menschen beschreibt. Die Grundannahme, welche Art von Gehirnfunktion in einer normorientierten Mehrheitsgesellschaft gesund und akzeptabel ist, wird als neurotypisch bezeichnet.

Nonbinär ist ein Begriff, der von Personen genutzt werden kann, die sich selbst oder ihr Geschlecht nicht in die binären Kategorien von Mann oder Frau einordnen. Es gibt eine Reihe von Begriffen für diese Erfahrungen, wobei nonbinary und genderqueer häufig verwendet werden.

Das Patriarchat ist ein soziales System, in dem cis-geschlechtliche Männer sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich eine privilegierte Stellung einnehmen. In der feministischen Theorie kann der Begriff verwendet werden, um das Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern zu beschreiben, das die männliche Dominanz begünstigt, sowie die Ideologie der männlichen Überlegenheit, die die Unterdrückung von Frauen und allen nicht-normativen Geschlechtern rechtfertigt und durchsetzt.

Pronomen oder persönliche Geschlechtspronomen (PGP) sind die Pronomen, die eine Person verwendet, um sich selbst zu bezeichnen, und die andere verwenden sollen, wenn sie sich auf sie beziehen. Die Liste der Pronomen entwickelt sich ständig weiter. Eine Person kann mehrere bevorzugte Pronomen haben oder auch gar keine. Die Absicht, die Pronomen einer Person zu erfragen und korrekt zu verwenden, besteht darin, die negativen gesellschaftlichen Auswirkungen für diejenigen zu verringern, deren persönliche Pronomen nicht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmen, die von einer cis-normativen Gesellschaft angenommen wird. Die Verwendung geschlechtsneutraler Formulierungen und Begriffe sind ebenfalls inkludierende Schritte, die sich dem binären Geschlechtermodell und der Cis-Normativität widersetzen.

Rassismus ist der Prozess, durch den Systeme, politische Maßnahmen, Aktionen und Einstellungen ungleiche Chancen und Auswirkungen für Menschen aufgrund von Rassifizierung und rassistischen Zuschreibungen schaffen. Rassismus geht über individuelle oder institutionelle Vorurteile hinaus und tritt auf, wenn diese Diskriminierung mit der Macht einhergeht, die Rechte von Menschen und/oder Gruppen einzuschränken oder zu unterdrücken. Rassismus kann im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Kulturen variieren und sich in verschiedenen historischen Momenten intensivieren.

Sex-Gender-Differenz bezeichnet die Unterscheidung zwischen dem Konzept des „biologischen Geschlechts“ als biologischer Tatsache und dem Konzept des „sozialen Geschlechts“ als Produkt kultureller und sozialer Prozesse, wie z. B. sozial konstruierte Rollen, Verhaltensweisen, Ausdrucksformen und geschlechtsspezifische Identitäten.

Sexismus ist der Prozess, durch den Systeme, Politiken, Handlungen und Einstellungen ungleiche Chancen und Auswirkungen für Menschen auf der Grundlage ihres zugeschriebenen oder vermeintlichen Geschlechts schaffen und beschreibt die Ideologie, die diesen Phänomenen zugrunde liegt. Der Begriff wird meist verwendet, um die Machtverhältnisse zwischen dominanten und marginalisierten Geschlechtern in cisheteronormativen patriarchalen Gesellschaften zu benennen.

Sexuelle Orientierung ist der Begriff, der beschreibt, zu welchem Geschlecht sich eine Person emotional, körperlich, romantisch und/oder sexuell hingezogen fühlt.

Die soziale Herkunft beschreibt die soziokulturellen Werte und Normen, in die jemand hineingeboren wird, einschließlich Faktoren wie Umfeld, Klasse, Kaste, Bildungsbiografie und mehr. Die Werte, die mit der sozialen Herkunft einhergehen, sind konstruiert, haben aber oft materielle Auswirkungen, die bestimmte Gruppen und Menschen privilegieren oder benachteiligen. Wer beispielsweise in einem westlichen Land lebt, generationenübergreifenden Reichtum geerbt hat und über eine durchweg gute Ausbildung verfügt, hat als Erwachsener bessere Chancen auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz. Die soziale Herkunft muss also berücksichtigt werden und nicht die inhärente Eignung für einen Job.

Eine soziale Norm ist ein gemeinsamer Glaube an den Standard für akzeptables Verhalten von Gruppen, der sowohl informell als auch in der Politik oder im Gesetz verankert ist. Soziale Normen unterscheiden sich im Laufe der Zeit und zwischen verschiedenen Kulturen und Gesellschaften.

Der sozioökonomische Status, der in der Regel als niedrig, mittel oder hoch eingeordnet wird, beschreibt Menschen auf der Grundlage ihrer Ausbildung, ihres Einkommens und der Art ihrer Tätigkeit. Die Werte und Normen, die den einzelnen sozioökonomischen Klassen zugeordnet werden, sind sozial konstruiert, haben aber materielle Auswirkungen.

Strukturelle Diskriminierung bezieht sich auf Verhaltensmuster, Strategien und Einstellungen, die auf der Makroebene der Gesellschaft zu finden sind. Diese Diskriminierung sozialer Gruppen beruht auf der Natur der Gesellschaftsstruktur als Ganzes. Strukturelle Diskriminierung unterscheidet sich von individuellen Formen der Diskriminierung (z. B. eine einzelne rassistische Bemerkung, die eine Mikroaggression darstellt), obwohl sie oft den kontextuellen Rahmen für das Verständnis der Gründe für diese individuellen Fälle liefert.

Tokenismus ist eine nur oberflächliche oder symbolische Geste, die Angehörige von Minderheiten einbindet, ohne die strukturelle Diskriminierung der Marginalisierung wesentlich zu verändern oder zu beseitigen. Der Tokenismus ist eine Strategie, die den Anschein von Inklusion erwecken und von Diskriminierungsvorwürfen ablenken soll, indem eine einzelne Person als Vertreter einer Minderheit eingesetzt wird.

Weiße Vorherrschaft bezeichnet die Überzeugungen und Praktiken, die Weiße als eine von Natur aus überlegene soziale Gruppe privilegieren, die auf dem Ausschluss und der Benachteiligung anderer rassifizierter und ethnischer Gruppen beruht. Sie kann sich auf die miteinander verknüpften sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systeme beziehen, die es Weißen ermöglichen, sowohl auf kollektiver als auch auf individueller Ebene strukturelle Vorteile gegenüber rassifizierten Gruppen zu genießen. Der Begriff kann sich auch auf die zugrundeliegende politische Ideologie beziehen, die vielfältige Formen der Vorherrschaft von Weißen und nicht-weißen Anhängern erzwingt und aufrechterhält, von der Rechtfertigung des europäischen Kolonialismus bis hin zu den heutigen Neofaschismen.

Weißsein ist ein gesellschaftlich und politisch konstruiertes Verhalten, das eine Ideologie, Kultur, Geschichte und Wirtschaft aufrechterhält, die zu einer ungleichen Verteilung von Macht und Privilegien zugunsten derjenigen führt, die gesellschaftlich als weiß gelten. Die materiellen Vorteile des Weißseins werden auf Kosten Schwarzer, indigener und Menschen of Color erzielt, denen systematisch der gleiche Zugang zu diesen materiellen Vorteilen verwehrt wird. Auf diesem Blog wird weiß oftmals kursiv geschrieben, um es als politische Kategorie zu kennzeichnen und die Privilegien des Weißseins zu betonen, die oft nicht als solche benannt, sondern als unsichtbare Norm vorausgesetzt werden.

Xenophobie bezeichnet die Feindseligkeit gegenüber Gruppen oder Personen, die aufgrund ihrer Kultur als „fremd“ wahrgenommen werden. Fremdenfeindliche Haltungen sind oft mit einer feindseligen Aufnahme von Einwanderern oder Flüchtlingen verbunden, die in Gesellschaften und Gemeinschaften ankommen, die nicht ihre Heimat sind. Fremdenfeindliche Diskriminierung kann zu Hindernissen beim gleichberechtigten Zugang zu sozioökonomischen Chancen sowie zu ethnischen, rassistischen oder religiösen Vorurteilen führen.

Abolition ist ein Begriff, der das offizielle Ende eines Systems, einer Praxis oder einer Institution bezeichnet. Der Begriff hat seine Wurzeln in den Bewegungen zur Abschaffung der Sklaverei im 19. Jahrhundert und wird heute oft verwendet, um die Praxis der Polizei und des Militärs und/oder die miteinander verbundenen Gefängnisse, Geflüchtetenlager, Haftanstalten usw. zu beenden. Weitere Informationen finden Sie in der Definition des gefängnisindustrielle Komplexes).

Accountability oder auch Rechenschaftspflicht ist die Verpflichtung und die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Im Zusammenhang mit sozialer Gerechtigkeit bezieht sich die Rechenschaftspflicht auf die Art und Weise, in der Einzelpersonen und Gemeinschaften sich selbst an ihre Grundsätze und Ziele halten und die Gruppen anerkennen, denen gegenüber sie verantwortlich sind. Rechenschaftspflicht erfordert oft einen transparenten Prozess und ein kontinuierliches Selbst- und Kollektivbewusstsein.

Ageism, auch Altersdiskriminierung genannt, ist eine Diskriminierung oder ein Vorurteil aufgrund des Alters einer Person, z. B. wenn Fähigkeiten und Fertigkeiten aufgrund des höheren oder niedrigeren Alters einer Person in Frage gestellt und bewertet werden.

Agender ist ein Adjektiv, das von Personen genutzt werden kann, die sich mit keinem bestimmten Geschlecht identifizieren.

BIPoC steht für Black, Indigenous und People of Color. Dieser aus den USA stammende Begriff ist eine Selbstbezeichnung, die darauf abzielt, Menschen und Gruppen zu vereinen, die von Rassismus betroffen sind. Die Selbstbezeichnung rückt die spezifischen Erfahrungen Schwarzer, indigener und anders rassifizierter Gruppen in den Mittelpunkt, welche stark von systematischer rassistischer Ungleichbehandlung, deren Wurzeln in der Geschichte der Versklavung und des Kolonialismus liegen, betroffen sind.

Colorism ist ein Begriff, der die Vorurteile oder Diskriminierung beschreibt, welche rassifizierte Menschen mit hellerer Hautfarbe bevorzugt, während solche mit dunklerer Hautfarbe benachteiligt werden. Er wird vor allem verwendet, um die nuancierte Diskriminierung innerhalb einer rassifizierten oder ethnischen Gruppe zu beschreiben.

Die Critical Diversity Policy der UdK ist ein Dokument, welches die Vorstellung hervorheben und durchsetzen soll, dass Unterschiede in Werten, Einstellungen, kulturellen Perspektiven, Überzeugungen, ethnischen Hintergründen, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Fähigkeiten, Wissen und Lebenserfahrungen jeder*jedes Einzelnen in jeder Gruppe von Menschen innerhalb der Universität berücksichtigt und überwunden werden sollten.

Deadnaming ist der Akt, für eine trans*, nicht-binäre oder genderexpansive Person mit ihren Geburtsnamen oder einen falschen Namen zu nutzen, wenn diese ihren Namen als Teil ihres Geschlechtsausdrucks geändert hat. Es ist niemals in Ordnung oder notwendig, den Deadname einer Person zu verwenden, wenn sie ihren Namen geändert hat, auch nicht bei der Beschreibung von Ereignissen in der Vergangenheit. Wenn Du eine Person mit ihrem Deadname anredest, übernimm Verantwortung, indem Du dich entschuldigst und verpflichtest, dies in Zukunft nicht mehr zu tun. Erkundige Dich nach dem aktuellen Namen der Person und bemüh Dich, ihn konsequent zu verwenden.

Dieser soziologische Begriff konzentriert sich auf die Art und Weise, wie Menschen Geschlecht wahrnehmen, (re-)produzieren und im täglichen Leben als relevant erachten. Im Gegensatz zur Annahme, dass Geschlecht eine angeborene Eigenschaft ist, unterstreicht das Konzept des “doing gender”, dass Geschlecht ein soziales Konstrukt ist, das die tägliche menschliche Interaktion prägt.

Misogynoir ist ein von der Schwarzen Feministin Moya Bailey 2010 geprägter Begriff, der die geschlechtsspezifische und rassistische Unterdrückung beschreibt, mit der Schwarze Cis- und Transgender-Frauen konfrontiert sind (letztere wird manchmal auch durch den Begriff Trans*-Misogynoir charakterisiert). Ausgehend von einer intersektionalen Sichtweise untersucht das Konzept, wie sich anti-Schwarzer Rassismus und Frauenfeindlichkeit zu einer besonderen Form der Unterdrückung und Diskriminierung verbinden.

Queer ist ein Oberbegriff für Menschen, die nicht heterosexuell oder cisgender sind. Er wird für ein breites Spektrum an nicht-normativen sexuellen und/oder geschlechtlichen Identitäten und Politiken verwendet.

Safer Spaces sollen Orte sein, an denen marginalisierte Gemeinschaften zusammenkommen und gemeinsame Erfahrungen austauschen können, frei von Voreingenommenheit, Konflikten oder Verletzungen, die von Mitgliedern einer dominanten Gruppe verursacht werden. In Anerkennung der Tatsache, dass es unter den gegenwärtigen Systemen unserer Gesellschaft keinen vollkommen sicheren Raum für marginalisierte Menschen gibt, verweist der Begriff „safer“ auf das Ziel einer vorübergehenden Entlastung sowie auf die Anerkennung der Tatsache, dass Verletzungen auch innerhalb marginalisierter Gemeinschaften reproduziert werden können. Beispiele für sichere Räume, die in Organisationen und Institutionen geschaffen wurden, sind Queer-only Räume und/oder Räume nur für Schwarze, Indigene und People of Color.

Social Justice ist eine Form des Aktivismus und eine politische Bewegung, die den Prozess der Umwandlung der Gesellschaft von einem ungerechten und ungleichen Zustand in einen gerechten und gleichberechtigten Zustand fördert. Social Justice beruht auf der Auffassung, dass jeder Mensch die gleichen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rechte und Chancen verdient und das Grundrecht hat, sich psychisch und physisch sicher zu fühlen. Social Justice zielt daher darauf ab, geltende Gesetze und gesellschaftliche Normen zu ändern, die in der Vergangenheit und in der Gegenwart bestimmte Gruppen gegenüber anderen unterdrückt haben. Soziale Gerechtigkeit ist nicht nur die Abwesenheit von Diskriminierung, sondern auch das Vorhandensein bewusster Systeme und Unterstützungen, die Gleichheit entlang der Grenzen von Rassifizierung, Geschlecht, Klasse, Fähigkeiten, Religion usw. erreichen und erhalten.

Transgender, oder einfach trans*, ist ein Adjektiv, das sich auf Menschen bezieht, deren Geschlechtsidentität sich von dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht unterscheidet. Trans kommt von der lateinischen Vorsilbe, die „hindurch“ oder „darüber hinaus“ bedeutet. Die Selbstbezeichnung gibt als Identitätsmerkmal nicht automatisch an, ob sich diese Person mit einem anderen Geschlecht, keinem Geschlecht oder mehreren Geschlechtern identifiziert. Es gibt also mehrere Trans*-Identitäten. Das Sternchen (*) unterstreicht die Pluralität und Fluidität von Trans-Identitäten.