CONTENT WARNING: Wenn Sie sich psychisch belastet fühlen bzw. destabilisiert sind, insbesondere im Zusammenhang mit Rassismus und Gewalterfahrungen, raten wir Ihnen, nicht weiterzulesen.
Wir trauern um Heiko-Thandeka Ncube. Sein Tod hat Schockwellen in seinem Umfeld ausgelöst, die immer noch nachwirken. Heiko war ein Künstler, Filmemacher, Autor und Aktivist, der sich in seinen Arbeiten und Texten mit dem Zusammenhang zwischen Rassismus, Gewalt und Geschichte auseinandersetzte – und dafür eine Bild- und Textsprache analytischer Genauigkeit und ästhetischer Prägnanz fand. Auf der Berlinale 2023 wurde sein Film The early rains which wash away the spaff before the spring rains gezeigt, über den Genozid unter Robert Mugabe an den Ndebele, dem zwischen 1982 und ’87 mindestens 10.000 Menschen zum Opfer fielen (der Titel des Films verweist auf den zynischen Euphemismus des Shona-Begriffs „Gukurahundi“ für den Völkermord, übersetzt: „der frühe Regen, der die Spreu vor dem Frühlingsregen abwäscht“). Der zwölfminütige Videoessay verschränkt rhythmische Abstraktion mit grausamer Konkretion; wie es in einem Begleittext heißt: „Das Werk besteht aus einer Vielzahl von Filmmaterial, das zu einem Mosaik zusammengeschnitten wurde, welches die Geister der Nationalität und der Abstammung heraufbeschwört. […] Der historische Kontext des Völkermordes wird mit affektiven Assoziationen verknüpft, die sich aus dem traumatischen Erbe ergeben. [Der Film] artikuliert ein Gefühl von Trauer, Angst und Gewalt, das über Generationen hinweg weitergegeben wurde.“ Heikos Arbeiten waren auch von einer gewissen Schonungslosigkeit geprägt, unter anderem in seiner letzten unvollendeten Arbeit; einer scharfen Kritik an den inneren Widersprüchen antikolonialer Befreiungsbewegungen in Zimbabwe. Er war nicht an der Erzeugung selbstgefälliger Heldengeschichten interessiert: Im Fokus seines Interesses standen oft problematische, zwiespältige Biografien, wie etwa die von IS-Mitglied Deso Dogg oder Milli-Vanilli-Sänger Rob Pilatus. Genauso scharf kritisierte er rassistische Muster in der deutschen Mythenwelt und Populärkultur ebenso wie die wohlfeile Auslagerung der Kritik rassistischer Zustände auf US-amerikanische Polizeigewalt. Sein brillanter Text Rest in Pieces (2020) befasst sich mit dieser spezifischen Form deutscher und europäischer Schuldabwehr – dies nach dem Anschlag von Hanau wenige Monate zuvor. Sein letzter Diskussionsbeitrag war eine heftige Kritik an einem von ihm als dekadent bezeichneten System des künstlerischen Tokenismus, das für Schwarze Künstler*innen vor allem stereotype, identitätsbasierte Positionen vorsieht und kontroverse und unangenehme Diskussionen vermeidet.
Heiko wurde in Harare geboren, simbabwischer und deutscher Abstammung, und er zog als Kind nach Deutschland. An der UdK Bildende Kunst studierend, war er im Sommer 2020 und danach treibende Kraft bei der studentischen Protestinitiative #exitracismUdK, welche den Blick auf Diskriminierungserfahrungen von BiPoC in der Institution lenkte und die Artikulierung dieser Beobachtungen zugleich mit konkreten Forderungen versah, um die diskriminierungskritischen Ansätze und Strukturen an der Hochschule zu unterstützen und aufzubauen. Er stand nun vor dem Abschluss seines Studiums. Sein kämpferisches Engagement, seine kritische Schärfe waren wie selbstverständlich verknüpft mit warmherziger, emphatischer Zugewandtheit, mit einer unverwechselbar humorvollen Ansprache, die ihr Gegenüber ernst nahm. Der Verlust ist immens. Heikos Vermächtnis, die Kritik des Bestehenden ohne Ausflüchte und gefällige Beschönigungen, ist eine Notwendigkeit, eine Aufgabe, die gerade erst anfängt.
Wenn Sie oder andere Menschen in ihrem Umfeld psychisch belastet und destabilisiert sind, können Sie sich jederzeit an folgende Beratungs- und Notfallstellen wenden:
– Berliner Krisendienst: Tel. (030) 390 63 00 (24h, kostenfrei)
– Psychologisch-Psychotherapeutische Beratung des Studierendenwerks: Tel. (030) 93939 8401, (030) 93939 8438, Sprechzeiten Mo bis Do 9–15 Uhr, Fr 9–13 Uhr
– Telefonseelsorge (evangelisch/katholisch): Tel. 0800 111 0 111, 0800 111 0 222 oder 116 123, online.telefonseelsorge.de
– Telefonseelsorge (muslimisch): Tel. (030) 44 35 09 821
Spezifische Hilfe für Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten:
– Zentrum ÜBERLEBEN: Terminvergabe für die psychologische Sprechstunde Tel. (030) 30 39 06 722
– XENION bietet psychosoziale Angebote für Geflüchtete mit Dolmetschen in 35 Sprachen
– Das Zentrum für Interkulturelle Psychiatrie & Psychotherapie (ZIPP) an der Charité in allen Herkunftssprachen durch Sprach- und Kulturmittelnden: Tel. (030) 450 517 095, Mo bis Fr 08:30–16:30 Uhr, zipp@charite.de
– KuB, Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. bietet psychosoziale Beratung an: Anmeldung: psb@kub-berlin.org, Tel. (030) 614 94 00