Emilie Intsiful, Josephine Pritz, Redaktion des CDB — 05.03.2025
Ein Interview zwischen Josephine Pritz (Fakultät Musik) und Emilie Intsiful (Jazz Institute Berlin).
Emilie Intsiful (Jazz Institute Berlin) und Josephine Pritz (Fakultät Musik) v. l. n. r.
Einleitung und Hintergrund des Interviews Josephine Pritz: In einer sehr konservativen, überwiegend weiß gelesenen Klassikszene habe ich als weiße FrauMachtmissbrauch an verschiedenen Musikhochschulen in Deutschland erlebt, die meine Karriere geprägt und ungewollt gelenkt haben. In der Universität der Künste Berlin (UdK Berlin) habe ich dann Emilie Intsiful kennengelernt. Auch sie wurde an einer Institution an klassische Musik herangeführt, welche hauptsächlich Männer repräsentiert. Aber nicht nur als Frau in der Musikwelt – sie studiert am Jazz Institut Berlin (JiB), wo nur 10% weiblich sind – erfährt sie Herausforderungen, die strukturell bedingt sind. Besonders als Schwarze Frau in der Klassikszene, die hauptsächlich auch nach wie vor weiß und männlich geprägt ist, und als Mutter in einem Studium, das hauptsächlich abends stattfindet, erfährt sie Hürden, die systembedingt sind. Warum ihr Vater eine fast untypische klassisch musikalische Förderung für Emilie Intsiful gewählt hat, und vieles mehr möchte ich gerne herausfinden und ihrer tollen (musikalischen) Stimme zuhören.
Josephine Pritz: Hallo Emilie. Wie geht’s dir und woher kommst du gerade?
Emilie Intsiful: Hi Phine. Vielen Dank, gut geht es mir. Ich komme gerade von einem Meeting mit Freunden auch von der Uni. Wir organisieren ein Benefizkonzert für Überlebende des Genozids in Palästina. Das ist so das, was ich als Mensch in meiner Situation tun kann. Ich bin nicht so der Demomensch, gerade zumal die Polizei ein bisschen unberechenbar ist. Deswegen also ein Friedenskonzert, wo Liebe und Musik im Vordergrund stehen.
JP: Die anderen, die dieses Benefizkonzert mit dir organisieren, sind die auch von der UdK Berlin. Wann hast du mit dem Studium angefangen?
EI: Ich habe offiziell die Aufnahmeprüfung im Jahre 2021 bestanden. Dann wurde ich schwanger und habe im Wintersemester 2022 mein Studium mit meinem sieben Monate jungen Sohn zusammen begonnen. Während meines Studiums hatte mich meine wundervolle Gesangsdozentin inspiriert, mich mit Jazzmusik zu befassen. Das hat mich motiviert, ich habe mich nach meinem ersten Semester spontan am JIB beworben. Und seit Wintersemester 2023 bin ichalso am JIB.
JP: Studium mit einem Kind – das ist eine krasse Herausforderung, oder? Wie machst du das?
EI: Ich habe angefangen, meinen Sohn mit in jeden Kurs zu nehmen. Und habe dann einfach an Ort und Stelle gefragt,ob das für die*den jeweilige*n Dozent*in okay ist. Und die meisten Dozierenden waren total lieb und verständnisvoll. In einem Kurs wurde ich, weil mein Kind zu unruhig war, schon zweimal gebeten, den Kurs zu verlassen. Andere Dozierende haben auch mal meinen Sohn gehalten.
JP: Du als Schwarze Frau und als alleinerziehende Mutter, wie fühlst du dich unter all diesen Bedingungen, die dich ausmachen, in unserer Institution, der UdK Berlin?
EI: Wie fühle ich mich? Es ist mit viel Unsicherheit verbunden. Ich fühle viele Blicke auf mir seit ich hier angefangen habe. Es gibt hier nicht so viele Menschen mit Migrationserfahrung, vor allem an der UdK Berlin, auch am Jazz-Institut, gibt es mittlerweile keine einzige BIPoC mehr. Ich habe das Gefühl, ich versetze mich sehr oft aus Unsicherheit in die Lage meiner Mitstudierenden und versuche, mich von außen zu betrachten und zu sehen, wie die anderen mich sehen und denke mir, ich bin bestimmt irgendwie nur diese Schwarze Mutter halt. Und die, die vielleicht noch älter ist. Deshalb werde ich auch nicht eingeladen. Weil wenn ich eingeladenwerde, dann nur so spontan, dass ich keine Babysitter*in mehr organisieren kann. Menschen denken nicht zwingend für mich als Mutter mit. Das ist gerade mein Eindruck, vielleicht kannst du mir aber auch mal erzählen, wie du unsere Uni als Frau wahrnimmst. Warum hast du die UdK Berlin gewählt?
JP: Mein Eindruck ist, dass der immer präsente Machtmissbrauch an Musikhochschulen noch viel krasser ist, als an anderen Institutionen wie wissenschaftlichen Universitäten z. B. Ich schätze mein Studium und das, was ich hier gelernt habe. Ich habe gemerkt, wie privilegiert ich bin und wie wenig privilegiert andere Personen sind, weil ich das reflektieren konnte, indem ich über den Tellerrand der UdK Berlin hinaus geblickt habe, was auch total wichtig für mich ist, um eine Struktur aufzubrechen. Man müsste sehr groß aufräumen, was die Strukturen, die Hierarchien und so einige Habiten angeht. Wer muss sich wo und wie vorstellen? Oder welche Diskriminierungsformen, die in jeglicher Struktur oder aufverschiedenen Ebenen, in verschiedenen Ismen an der Uni stattfinden, gibt es? Da muss man wirklich ganz genau überprüfen. Ein Ziel sollte sein, dass viel mehr Menschen die Möglichkeit haben, an der UdK Berlin zu studieren, und es sollte möglichgemacht werden als alleinerziehende Mutter auch ein Studium zu bewältigen.
JP: Und jetzt bist du am Jazz-Institut. Was würdest du sagen, ist der Unterschied zwischen dem Lehramtsstudium an der Fakultät Musik und am Jazz-Institut zu studieren?
EI: Die Hauptsprache ist dort Englisch, das fand ich auch irgendwie angenehm. Die Fakultät Musik war mir einfach zu Deutsch irgendwie. Also ich habe dort gemerkt, dass es mir gut tut unter “Ausländern”. Auch wenn die am JIB zwar alle weiß sind, aber sie kommen trotzdem von überall her und dadurch ist die Mentalität und die Offenheit für BIPoC anders. Ich glaube auch Musiker*innen haben da mehr Berührungspunkte mit Menschen mit Migrationserfahrung, weil die Musik in Berlin so vielfältig und bunt ist, dass man da gar nicht drum rumkommt. Aber im Lehramt Musik war ich in einer weißen Blase und da wurde mir einiges klar. Okay, ich sah den Menschen irgendwann an, dass sie tatsächlich ausschließlich weiße Freunde haben, und da keine Notwendigkeit sehen rauszukommen. Ich merke, dass ich die einzige Schwarze Person bin, die die kennen. Ich fühle es mittlerweile einfach. Ich bin dies zwar gewohnt, aber gleichzeitig heißt das nicht, dass es leicht ist, sich in dieser Welt zu bewegen, wo mandas Gefühl hat, ich bin jetzt das Paradebeispiel, was du kennst.
JP: Also es ist in deinen Gedanken nicht nur der Faktor, dass du als Mama nicht integriert wirst, sondern als Schwarze Frau auch? Oder vielleicht auch als ältere? Ich glaube nicht, um dir das jetzt mal zu spiegeln, dass du als älter wahrgenommen wirst. Du wirkst in meinen Augen offen und frisch.
EI: Danke. Ich glaube, dass eine Frau mit Kind einfach dann für viele Leute den Eindruck erweckt, die Frau muss älter sein. Man wird direkt anders wahrgenommen. So war auf jeden Fall mein Eindruck. Ich habe als Person mit Migrationserfahrung wahrscheinlich ein paar andere Unsicherheiten als weiße Menschen und stelle mir andere Fragen. Dadurch, dass ich weiß, ich bin offen, ich bin nett, kann das kein schlüssiger Faktor sein, nicht gefragt zu werden, also fällt per Ausschlussverfahren der Blick auf äußere Faktoren, sprich, meine Hautfarbe, mein Muttersein oder vielleicht mein Alter.
JP: Kurzer Rückblick zu deiner Musikausbildung. Wie hat das, was du heute machst, angefangen? Wer hat dich dazu gebracht?
EI: Mein Vater wurde als Gastarbeiter in diesem Land willkommen geheißen. Er war sehr motiviert, sich zu integrieren. Somit wares ihm ein Wunsch, dass wir als seine Kinder so deutsch wie möglich sind, um akzeptiert zu werden. Und dadurch war ihm das ein willkommenes Geschenk, als ich gefragt habe, ob ich aufs musische und katholische Mädchen Internat gehen darf. Es stellte sich dannraus, dass ich da keine Popmusik hören darf, nur klassische Musik und vielleicht noch Volksmusik. Meine CDs haben sie mir abgenommen. Eines Nachmittags haben sie mich irgendwann Whitney Houston “I will always love you” schreien hören und dann war denen klar, dass sie mir Gesangsunterricht sponsern müssen, damit ich ja in die richtige Richtung gehe und mein schlechter Einfluss minimiert wird.
JP: Gesangsunterricht war dann aber klassisch, oder wie?
EI: Klassisch. Genau. Und ich habe aber trotzdem immer heimlich weiter meine Popmusik gehört auf einem Disc-Man. Und was ich hörte, habe ich dann tagsüber in der Schule auf dem Klavier gespielt. Und das war so meine persönliche Beziehung zum Klavier und zur Musik: mir Sachen rauszuhören und zu merken und meinen Freunden vorzusingen. Ich war so deren „real life Radio“. Dieser Teil meiner Jugend war echt schön. Nach der Schule habe ich eine Ausbildung in der Berufsfachschule für Musik Altötting gemacht, ein Kurzstudium für zwei Jahre. Klassische Musik. Ich hatte in Altötting oft Auftritte als einzige “Jazzsängerin” in diesem kleinen Örtchen. Pro Auftritt habe ich damals 15 Euro verdient.
JP: Davon können Musiker*innen nicht leben.
EI: Nein (schmunzelt)
JP: Wie sieht das heute aus? Ich habe ja das Glück, dich als Bratschistin begleiten zu können. Die Musik, die du schreibst, kommt ja auch aus deinem klassischen Background. Du trittst ja einfach, ich sage jetzt mal in Anführungsstrichen, groß auf. Wo andere einfach nur ein Klavier und einen Bass und ein Schlagzeug haben, suchst du dir ganz andere Instrumente und dementsprechend auch mehr Leute aus. Und kannst dann auch hoffentlich mehr verlangen als 15 Euro pro Abend.
EI: Das sieht heute ganz anders aus. Heute würde ich das nicht mehr durchgehen lassen.
JP: Und nun bist du am Jazzinstitut quasi musikalisch am Ursprung. Jazz ist ja Musik, die von Schwarzen Personen kommt.
EI: Ja, Jazz kommt von Schwarzen Menschen. Aber es wurde halt sehr intellektualisiert. Menschen, die Migrationserfahrung haben, gehen seltener als Weiße den akademischen Pfad, vor allem nicht, wenn er nicht als lukrativ gilt. “Musiker” ist gesellschaftlich gesehen kein lukrativer Beruf. Und du siehst wahrscheinlich viel mehr Menschen mit Migrationserfahrung, die Architektur oder Ingenieurwesen studieren. Musiker*innen werden unterstützen Migra Eltern selten, denn in diesem Land bringt Kunst kein Geld. Ich glaube deswegen sieht man einfach keine Schwarzen an meiner Uni, obwohl das unsere Musik ist. Und leider glaube ich auch, dass Jazzmusik deshalb Gefahr läuft, auszusterben. Sie wird halt nicht mehr so gelebt wie früher. Es war früher die Musik der Resistenz, die Musik des Widerstands. In Deutschland war das ja auch sehr lange verboten und viele jüdische Menschen haben Jazz für sich entdeckt, man siehe Kurt Weill. Aber diese Schwarze Jazz-Szene in Deutschland war so klein, dass sich das nie so ausgebreitet hat und nie so gelebt wurde wie in den Staaten. Und dadurch ist hier kein Selbstverständnis wie in den Staaten, daszu studieren. So erkläre ich mir das.
JP: Was würdest du dir vom JIB wünschen mit all den Dingen, die wir jetzt heute besprochen haben, auch nicht nur was „Race“ angeht, sondern auch was Muttersein angeht in dem Studium, was auch hauptsächlich abends stattfindet, was dann auch eine Herausforderung ist. Und auch als Person, die irgendwie mit Machtstrukturen Schwierigkeiten hatte. Was gibt es für Sachen, die einfach umzusetzen wären oder vielleicht auch schwierig oder utopisch? Also: was ist dein Traum?
EI: Mein Traum? Am liebsten hätte ich am JIB mehr weiblich gelesene Dozierende. Das würde für mich schon einen großen Unterschied machen. Mehr Schwarze Studierende und Dozierende. Ich würde gerne die Professorenschaft abschaffen, damit da mehr Flexibilität ist, wenn Dozierende keinen guten Unterricht machen, sage ich jetzt mal ganz klar. Und ich würde mir auch wünschen, dass die Musik mehr im Kontext geschieht. Wenn Menschen Name-droppen an unserer Uni, dann weiß ich nicht, ob die wissen, dass die Menschen deren Namensie gerade nennen Schwarz waren und was die für Leben gelebt haben. Dann entsteht ein Bezug. Ich glaube, diese Losgelöstheit vor dem Hintergrund einer jeden Musikist die wahre Cultural Appropriation, wo die Musik irgendwie ein bisschen weiß gewaschen wird. Und ja, ich wünsche mir da mehr Hommage an die Gründer des Jazz und mehr Nachforschung, warum er entstanden ist. Und dann, wenn man diesen Spirit vielleicht erkennt, würde ich mir auch mehr Widerstand von meinen Kommiliton*innen wünschen und sogar von meinen Dozent*innen. Wir machen Musik des Widerstands, also sollten wir auch mehr Widerstand leisten. Wir sollten uns das verdienen, dass wir diese Musik machen dürfen und diese Musik auch für Politik, Widerstand und Protest nutzen. Irgendwie lehrt mich unsere Zeit gerade, dass Musik eine der stärksten Waffen ist unddeswegen will man sie unterdrücken, glaube ich. Wir sollten uns unserer Verantwortung als Musiker*innen bewusst sein.
JP: Ich würde noch ergänzen, dass der erste Punkt, den du gesagt hast, dieses Repräsentieren von den Menschen, die das geschaffen haben, das passiert ja an der Fakultät Musik wahnsinnig. Wirhaben ja nur alte, tote weiße Männer, die in Form irgendwelcher Büsten, in Bilderrahmen oder mit Raumnamen dortverewigt sind. Man könnte das JIB ja theoretisch auch schon mit einem Untertitel einer Person umbenennen. Es gibt ja so viele Möglichkeiten. In der klassisch, weißen, konservativen Szene wird Repräsentanz jaauch groß gelebt. Nur aber eben von weißen Männern. Und das zeigt natürlich auch wieder, das fällt mir jetzt auf, wo wir drüber reden, dass es immer noch diese weiße Welt ist, die klassisch konservativ ist, einfach weil sie immer schon so war und hier werdenalle, die reinpassen gepusht und gefördert. Und Jazz, ja, wir nehmen uns oft nur das, was vermeintlich gut ist, oder eher bequem: die Musik.
EI: Ja, genau das.
JP: Ja, man müsste da konsequenter sein: n der Fakultät Musik ein bisschen mehr alte weiße Männernamen abschaffen und vielleicht auch mehr Frauen da repräsentieren. Und am JIB vor allem diese Namen und Menschen und Gesichter zeigen.
EI: Ja, voll gut. Voll guter Punkt.
JP: Das wäre doch vielleicht ein Wunsch, auf den man sich einigen könnte.
EI: Ja, voll. Ich hätte noch eine Frage an dich. Du bist ja an der UdK Berlin Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte derFakultät Musik und bekommst ja da auch ein paar Dinge mit, die so hochschulpolitisch geschehen. Siehst du einen Weg, wie du das Bild da beeinflussen kannst, was diese Einseitigkeit in der Musikszene angeht, ob klassisch oder Jazz, siehst du da einen Weg, wie du das Bild vielleicht ein bisschen aufrütteln kannst, verändern kannst?
JP: Ich glaube, wir setzen uns schon viel dafür ein, mehr Diversität zu schaffen. Das passiert zum Beispiel mit derFörderung der Initiative „musica inaudita“, die Konzertreihen veranstaltet, wo nur Personen, die in der Musikwelt im Kanon nicht repräsentativ dargestellt sind, auftreten können und deren Musik gespielt wird. Du hast da ja auch mal gespielt als Komponistin, Emilie, ich habe bin da auch schon mal mit meiner Musik aufgetreten. Und dann haben wirleider so wahnsinnig viel zu tun, um die Fakultät gendergerecht zu gestalten, was uns gar nicht dann die Kapazitäten lässt, da mehr Repräsentation zu schaffen für eben die Dinge, die du gesagt hast. Also ich sitze in Berufungskommissionen und schaue, wer sich bewirbt und ob das Bewerbungsprozedere und die Berufung auch gendergerecht geschieht, damit eben Hierarchiestrukturen aufgebrochen werden. Dann schaue ich natürlich auch intersektional auf das Ganze und versuche auch im Sinne von der Diversitätsbeauftragten da reingucken, wie Strukturen hier sind und was man da den Kommissionen, den Professor*innen, die quasi die Macht haben etwas zu entscheiden, was wir da noch entgegensetzen können bzw. müssen. Also ich versuche sozusagen eher strukturellen Ebene zu bewegen. Ich will, dass man durch die Gebäude geht und feststellt, hier sind diese und jene Personen, die mich repräsentieren, wo ich mich wohlfühle, wo ich mich gesehen fühle. Einfach weil sie da sind. Genau das ist ein Ziel, dass im Endeffekt das Wohlfühlmoment für alle da ist, egal welcher Gruppe du angehörst, vom Erstsemester-Studierende bis zur Dekan*in.
JP: Wir haben an der Fakultät Musik so wenig Personen, die studieren und Mütter oder Eltern sind zum Beispiel. Nochweniger, die alleinerziehend sind. Und da habe ich schon einfach festgestellt, als ich mit dir zu tun hatte, wir müssen so viel mehr Wickelräume schaffen, zum Beispiel. Oder die Möglichkeit, ein Kind zu stillen. Du hast dein Kind und du hast vorher angefangen zu studieren und die Uni muss irgendwie schauen, dass sie dir das ermöglicht. Und das jetzt in einem Studium, das hauptsächlich abends stattfindet, ist für dich auch eine Herausforderung. Ja, wir müssen bessere Bedingungen schaffen für Personen, die nicht aus einem weiß akademisierten, gegebenenfalls reichen Elternhaus kommen.
EI: Nice, das klingt doch schon mal nach viel. Vielen Dank für deine Arbeit, Phine. Ich habe mich ja für die Dingswahl aufstellen lassen.
JP: Welche Wahl? Die Präsident*innenwahl?
EI: Jetzt wo du es sagst. Das könnte es gebrauchen. Eine Schwarze. Das wäre lustig. Eine Schwarze Mutter in Deutschland als Präsidentin an der UdK Berlin. Nein, ich habe mich für die Stupa-Wahl aufstellen lassen. Und ich möchte mich unter anderem für studierende Mütter einsetzen.
JP: Finde ich auch richtig.
EI: Die Uni macht schon viel. Die unterstützen mich mit zehn Stunden im Monat, wo ich mein Kind bei Kidsmobil abgeben kann. Und das hilft mir schon sehr. Also wenn das nicht wäre, könnte ich bei gar keiner Abendveranstaltungmitmachen. Das ist schon gut.
JP: Und das ist schon auf jeden Fall das, was du brauchst, um dein Studium zu machen. Und wenn du was anderesstudieren würdest, dann könnte alles vormittags stattfinden. Aber du musst auf die Bühne. Und das ist immer dann, wenn andere Freizeit haben. Kannst du bitte mehr Musik machen?
EI: Oh, ich probiere es. Vielen Dank. Und ich bin ja auch schon froh, dass du dich für mein Ensemble bereitstellstals Bratschistin. Also diesen Wunsch kann ich nur zurückwerfen an dich, liebe Phine, du bist ja auch eine grandiose Musikerin.
In den Workshops zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation in sensiblen Diskussionen“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Let’s talk! Israel / Palästina”, sind Kommunikationsrichtlinien für sensible politische Diskussionen entstanden. Die Beauftragte für Antidiskriminierung und Diversität der UdK Berlin, Alejandra Nieves Camacho, hat die Workshops ausgerichtet.
Diese Richtlinien wurden von Studierenden der UdK Berlin im Rahmen der Workshops erarbeitet, um sicherzustellen, dass politische Diskussionen an der UdK Berlin von Respekt, Empathie und konstruktivem Dialog geprägt sind. Die Richtlinien sind unverbindlich. Sie sind als Hilfsmittel zur Förderung des Dialogs gedacht und können an die Bedürfnisse der Gruppen, die solche Diskussionen führen wollen, angepasst werden.
Am 05. Dezember 2022 fand der Aktionstag Recognizing barriers an der Universität der Künste statt. Die in diesem Artikel aufgearbeitete, kritische Reflexion des Programms erfolgte durch den Künstler und Kunstvermittler Dirk Sorge, Gründungsmitglied von Berlinklusion, mit dem Schwerpunkt auf Barriereabbau und inklusiver Praxis im Kulturbereich, und der Schwarzen, intersektional verwobenen Künstlerin Lahya (Stefanie-Lahya Aukongo), deren künstlerische Inhalte sich um die Themen Privilegien, Dekolonisierung, Heilung, individuelle sowie kollektive Liebe und Verletzlichkeit spannen.
Unter dem Titel Recognizing barriers versammelten das studentische Kuratorium, bestehend aus Vivian Chan, Luïza Luz und Chris McWayne, sowie der Vizepräsidentin Ariane Jeßulat und dem ehemaligen Diversitäts- und Antidiskriminierungsbeauftragter Mutlu Ergün-Hamaz kritische Stimmen und ermächtigende Strategien zur Bekämpfung systemischer intersektionaler Diskriminierung in einem Aktionstag für Studierende, Lehrende und Interessierte.
Die Aufschrift des Veranstaltungsplakats „Barrieren, die wir sehen, sind Barrieren, die wir bekämpfen können“ unterstreicht die Relevanz der Benennung von Hürden, um ihnen entgegenwirken zu können, und impliziert sogleich die Schwierigkeit, die dem titelgebenden Anliegen anhaftet: Was für manche Körper als Schranke spürbar wird, bleibt anderen verborgen.
Doch was bedeutet es, wenn Barrieren Ausschlüsse produzieren, wenn ihre Widerständigkeit erhöhte Krafteinwirkung erforderlich macht und folglich diese Perspektiven zu großen Teilen am Rande verbleiben? Im Zuge des Aktionstages sollte der Thematik Barriere(-freiheit) – ausgehend von der Erkenntnis, dass die UdK Berlin nicht frei von intersektionaler Diskriminierung ist –, durch den Einblick in unterschiedliche Lebensrealitäten und durch Kritik an bestehenden Barrieren begegnet werden.
Den Programmauftakt am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz Berlin (HZT) in den Ufer Studios gab die Künstlerin Gugulethu A. Duma mit ihrem Begrüßungsworkshop Awakening Senses, in dem sich die Teilnehmenden einander u. a. über eine von ihnen selbstgewählte Geste vorstellten, die als Begrüßung durch die übrigen Anwesenden imitiert wurde. Das anschließende Panel mit Nanna Lüth (AG Critical Diversity), Sandrine Micossé-Aikins (Diversity Arts Culture), Sophia Neises, Ahmed Shah (Theater X) und Christian Schmidts (UdK Berlin) diskutierte unter dem Titel Recognizing What?! Was (an-)erkannt wird, kann auch verändert werden?
Im Hauptgebäude an der Hardenbergstraße wurde das Programm durch künstlerische Interventionen und Workshops fortgeführt. Die Gruppe Eine Krise bekommen, bestehend aus Studierenden der Fakultät Gestaltung, versammelte in ihrer interaktiven Installation We are sorry to inform you … kollektiv Ablehnungsgründe für die Aufnahme eines künstlerischen Studiums. Sie reagierte damit auf die jährlich verschickten Ablehnungsbescheide, die tausenden Bewerber*innen den Zugang zu Kunsthochschulen verwehren und eine unsichtbare Mauer an Ausschlussmeachnismen und Diskrimierungen bilden. Der Workshop Embodying Vision mit Dr. Aki Krishnamurthy für BIPoC FLINTA* lud dazu ein sich über Übungen aus der Körperarbeit mit der eigenen Kraft, mit Wünschen und Visionen zu verbinden.
Alles selbstverständlich – für wen?
Worte finden
Menschen¹
Alles selbstverständlich
für wen?
Ich bin frustriert, erschöpft
schon nach 19 Minuten
Kein Juhu, nur Unmut
Für wen? Wer darf? Wer fehlt?
Ich möchte schreien
Liebe für die Ungesehenen
Lahyas Gedicht, das im Zuge des Begrüßungsworkshops entstanden ist, hallt nach. Ihre Worte markieren den Anfang eines eindringlichen Gesprächs über Barrierefreiheit an der UdK Berlin, das neben Wertschätzung für die Bemühungen um die Gestaltung eines Aktionstages, die liebevolle Atmosphäre, wie Lahya sie beschreibt, und die Menschen, die dem Tag mit Offenheit und Interesse begegnet sind, auch deutliche Kritik verlauten lässt. Ihr Gedicht erinnert uns eindrücklich daran, dass Barrieren direkten Einfluss auf das menschliche Erleben nehmen und ist erneut Appell, die Bedürfnisse und Erfahrungen derjenigen anzuerkennen und anzugehen, die auf sie stoßen.
Der Beginn des Aktionstages mit der Künstlerin Gugulethu A. Duma wirft für Lahya bereits zentrale Fragen auf: „Es fehlten ganz viele Sachen, wo ich auf einmal merkte, so, oh mein Gott, welche Körper werden mitgedacht? Wie werden nicht-sehende oder blinde Menschen mitgedacht, wie werden Menschen mitgedacht, die vielleicht der englischen Sprache nicht mächtig sind, obwohl es natürlich eine Übersetzung und eine Flüsterübersetzung gibt?“ Dirk Sorge macht deutlich, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Auseinandersetzung mit und dem tatsächlichen Erleben von Barrieren, wenn er teilt, dass auch für ihn im Zuge des Programmauftakts bereits „eine oder mehr Barrieren“ entstanden sind.
Für Dirk Sorge ergab sich daraus die Frage nach dem beabsichtigten Publikum der Veranstaltung, die für ihn bis zum Ende unbeantwortet blieb: „,Der Tag wird größtenteils auf Englisch stattfinden’, ja, welche Teile denn? Wann macht es Sinn für mich, zu kommen? Das ist eine Information, die mehr Fragen aufwirft als Planungssicherheit gibt. Das ist halt das Grundding, ihr müsst transparent sein, damit Menschen mit Behinderung oder auch andere Personen überhaupt im Vorfeld genug Informationen haben, um entscheiden zu können, ob sie mitmachen wollen und dann müsst ihr die Informationen in die Kanäle streuen, die auch genutzt werden.“
Es geht dabei um die Intransparenz wichtiger Informationen, die in Unklarheiten über die sprachliche und physische Zugänglichkeit der einzelnen Programmteile, der Verfügbarkeit von Gebärdensprachdolmetscher*innen und nicht zuletzt im (Nicht-)Wissen um die Veranstaltung selbst als Barriere für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und Sprachkenntnissen wirksam wird. So wurden relevante Communities nicht angesprochen, die möglicherweise bei ausreichender Informationslage in den Aktionstag mit eingebunden hätten werden können, erklärt Lahya. Dirk Sorge bestätigt, dass er als bereits in der Kunst- und Diversitätsszene aktive Person ohne seine eigene Initiative möglicherweise gar nicht von dem Aktionstag erfahren hätte und wirft damit Fragen zur Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule auf.
Sein konkreter Vorschlag: „Egal ob Menschen mit Behinderung kommen oder nicht – wir veröffentlichen einfach über jeden Veranstaltungsort die Barrierefreiheitsbedingungen. In welchem Stockwerk findet das Event statt, in welchen Räumen, Wegbeschreibungen. Die UdK gibt’s jetzt ja auch schon ein paar Jährchen, das hätte man bereits für die jeweiligen Standorte entwickeln können. Das sollte es einfach geben und immer, wenn man eine Veranstaltung plant, wird das eben mitgeschickt, ohne dass man weiß, welche Person welche Bedarfe hat. Genauso wie ich keine Veranstaltung veröffentlichen würde, ohne dass da ein Datum dabei steht.“ Lahya unterstreicht im Zuge der Kritik noch einmal die Relevanz von Multiperspektive durch „critical friends“ innerhalb der Planung und Organisation einer Veranstaltung, um Ausschlüsse zu verhindern.
In puncto Öffentlichkeitsarbeit fordern beide insgesamt weitaus mehr Offensive, um „die Blase der elitären Academia“ zum Platzen zu bringen, sodass zudem keine unnötigen Barrieren für Menschen entstehen, die nicht zum Dunstkreis der UdK Berlin gehören, sich aber potentiell für ein Studium an der Hochschule interessieren. „Dass es nicht einfach möglich ist zu sagen, bewerbt euch doch alle, ihr könnt euch doch alle bewerben, wir sind doch eine freie Uni, wir sind doch sichtbar für alle, sondern, ja, da sind so viele Barrieren, die erstmal abgebaut werden müssen und die müssen angeschaut werden“, ergänzt Lahya.
Leerstellen und Abwesenheiten
Auch das Vormittagspanel legte problematische Aspekte offen. „Das Panel und der Tag waren für mich wie eine Zeitmaschine. Ich fühle mich wie im Jahr 2012 und nicht 2022. Alle diese Themen hätten wir vor zehn Jahren genauso besprechen können und haben wir teilweise auch, aber offenbar hat die UdK die letzten 10 Jahre gepennt, ich kann mir das nicht anders erklären“, kritisiert Dirk Sorge die Trägheit des Wandels innerhalb der Hochschule. Lahya fehlte die Radikalität: „Wie können wir Dinge von der Wurzel her verändern? Wie können wir da noch kraftvoller werden?“
Insgesamt unterstreicht sie die Relevanz, auch die teils unsichtbaren Hindernisse sowie Abwesenheiten und Leerstellen in den Bemühungen um Diversität und Inklusion an Hochschulen zu identifizieren, wenn sie fragt: „Wer fehlte da eigentlich auf der Bühne heute, wer fehlte in der Diskussion? Natürlich können wir nicht bis ins Hundertstel alle Leute aufmachen, aber wir können sie zumindest erwähnen oder sichtbar machen, wie den Platz hier unserer Ahninnen [verweist auf den leeren Stuhl neben Mutlu Ergün-Hamaz].“ Es geht darum, ein erweitertes Verständnis von Barrieren zu entwickeln, sie zu benennen und transparent zu machen, um eine umfassende und inklusive Bildungslandschaft zu schaffen. Trans Personen oder Personen mit Fluchterfahrung in der Universität nicht ausreichend zu berücksichtigen, kann als eine Form der Barriereunfreiheit betrachtet werden. Hierbei wird erneut deutlich, dass Barrieren nicht nur physischer Natur sein können, sondern auch soziale, kulturelle und institutionelle Aspekte umfassen.
Von unten und von oben
„Wo sind eigentlich die ganzen Dekan*innen und Menschen, die doch eigentlich heute auch hier sein können, sollen, müssen?“ Die Frage nach Abwesenheiten wird auch beim Blick durch den Raum noch einmal auf andere Weise laut – der Konzertsaal an der Hardenbergstraße ist spärlich gefüllt, neben dem Präsidenten der UdK Berlin Norbert Palz und Vize-Präsidentin Ariane Jeßulat sind nicht viele Leitungspersonen gekommen. Dirk Sorge betont die Notwendigkeit einer klaren institutionellen Verpflichtung zur Barrierefreiheit und führt an, dass Weiterbildung und Sensibilisierung nicht optional sein sollten, sondern als Pflichtveranstaltungen etabliert werden müssen. Er hebt hervor, wie grundlegend es ist, in Stellenausschreibungen die Bedeutung von Barrierefreiheit und Diversität zu betonen. Darüber hinaus wirft er einen Blick auf Auswahlgremien sowie die Besetzung von Professuren und argumentiert für mehr Diversität in diesen Bereichen, fordert Schulungen, um Stereotype und Vorurteile in Auswahlverfahren zu erkennen und zu überwinden.
„Im Bereich Gestaltung wäre es wichtig zu sagen, okay, wir nehmen jetzt ins Curriculum Barrierefreiheit als Pflichtmodul auf, alle Gestalter*innen, Architekt*innen müssen das quasi einmal im Studium thematisiert haben“, schlägt er weiter vor. Dabei ist beiden jedoch bewusst, dass diese Transformationsbemühungen nicht lediglich „von unten“ kommen können: „Man kann an so vielen Stellen ansetzen, aber dabei ist immer die Frage, ist die Leitung an Bord? Sind die Personen an Bord, die das entscheiden können?“, verdeutlicht Dirk Sorge die Verzahnung einer Umsetzung von Maßnahmen und tiefgreifender, struktureller Transformation mit einem Bewusstseinswandel auch oder vor allem in den Reihen von Leitungspersonen.
Lahyas Überlegungen zeichnen ein ähnliches Bild: „Ich habe die Hoffnung, dass solche Institutionen verstehen, dass sie wirklich ihre Plätze frei machen müssen, dass sie wirklich neu denken müssen, dass sie ihren Lehrplan verändern müssen und dass Leute an die Plätze kommen, die vielleicht die letzten fünfhunderttausendmillionen Jahre nicht an den Plätzen waren. Dinge mal wirklich zu verändern und wirklich mal zu gucken: Warum sitze ich hier eigentlich? Was ist mein Privileg, dass ich hier sitzen darf? Und wessen Platz besetze ich hier gerade?“
Sara Ahmeds „brick wall“
Inmitten der Reflexion der Respondenzen zu den Herausforderungen und Fortschritten in den Transformationsbemühungen drängt sich eine philosophische Reflexion auf, die sich auf die Worte von Sara Ahmed stützt. Ahmed, eine bekannte Theoretikerin im Bereich der Queer Studies, beschreibt die Anstrengungen um mehr Diversität als ein Kopf-gegen-die-Wand-Erlebnis und veranschaulicht auf eindrückliche Weise, wie es sich anfühlen kann, Welten für jene zugänglich zu machen, die historisch von ihnen ausgeschlossen wurden. Die Wand, die Ahmed als „brick wall“ beschreibt, repräsentiert dabei die Hindernisse und Widerstände, die in der Diversitätsarbeit als eine physische und emotionale Erfahrung der Beharrlichkeit wirksam werden und zugleich Normen und Hierarchien aufrechterhalten, die sich in realen Strukturen und Praktiken manifestieren.
Wenn wir ihre Perspektive einbeziehen, wird deutlich, dass diejenigen, die in der Diversitätsarbeit engagiert sind, nicht nur gegen institutionelle Barrieren kämpfen, sondern auch gegen ein tief verwurzeltes System, das Veränderungen oft hartnäckig widersteht.
Der Weg zur Veränderung ist zweifellos mühsam, aber von entscheidender Bedeutung. Die UdK Berlin wie auch andere Hochschulen müssen ihre Strategien überdenken und aktiv daran arbeiten, Barrieren abzubauen und vielfältige Perspektiven zu repräsentieren.
¹ Dieses und folgende Zitate sind der internen Videoaufzeichnung des Panels entnommen.
You can also find this text in Arabic (Translation: Michaela Daoud), Farsi (Translation: Forough Absalan) and Ukrainian language (Translation: Yevheniia Perutska).
The student initiative Common Ground originated in the Support Refugees (SURE) project founded by a few students from Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (Communication in Social and Economic Context) at the Berlin University of the Arts (UdK Berlin) in 2015. The project was a direct response to the war in Syria and the significant number of people seeking refuge in Berlin. Two former UdK Berlin students, Benjamin Glatte and Elisabeth Hoschek, renamed and reshaped it that year into the current format, as part of their Bachelor’s thesis project, envisioning a long-term initiative that would open up institutional walls to offer more welcoming spaces. From its beginnings, the goal of the initiative was to support people who have experienced forced migration, offering advice and opportunities to engage with local creatives and organizations. Over the years, it has further developed to provide assistance and a sense of community to disadvantaged newcomers, before and during their study application process. It continues to be a place for creative encounters between UdK Berlin students and diverse communities in Berlin, as well as for raising awareness about issues relating to migration and exile.
Common Ground’s members act as mediators between prospective students and other university initiatives, such as AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss), the International Office, the Studium Generale, Berlin Career College and the Artist Training. Each year, the group organizes and funds social art projects by, with, and for people who have experienced migration. Over the past eight years, these included exhibitions, performances, film screenings, music jam sessions, workshops, and reading groups, among others. The support comes through establishing helpful contacts with students, artists, and other professionals, as well as financing the realization of artistic projects. The student initiative received funding from the DAAD and the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF) through the efforts of International Office.
Since 2020, Common Ground has also been running the Common Ground Studio, a study preparation program providing access to UdK Berlin’s Institute of Fine Arts for disadvantaged individuals. For one academic year, from October to July, it invites selected participants to join one of the specialist artistic classes, granting them guest auditor status. This allows them to actively participate in class meetings, engage in studio projects, and receive guidance from professors. The program offers a valuable opportunity for prospective students to prepare their portfolios for formal study applications, gain insights into the Fine Arts program at UdK Berlin, and further develop their own artistic practice. As a result, the university gains a wealth of diverse perspectives from talented individuals who otherwise may not have had the opportunity to study at UdK Berlin due to structural inequalities.
In this publication, we take a retrospective look at the inception and trajectory of Common Ground: the work accomplished, the challenges faced, and the achievements celebrated. We delve into the low and high points, exploring which strategies have been fruitful and what potential lies ahead. To gain further insights, we had the privilege of speaking with six former and current Common Ground members: Benjamin Glatte, Elisabeth Hoschek, Lima Vafadar, Narges Derakhshan, Forough Absalan, and Vincent Hulme. Their perspectives highlight the continued critical importance of Common Ground at the university, emphasizing its value in supporting disadvantaged individuals and fostering a diverse and inclusive artistic community.
Interview Benjamin Glatte & Elisabeth Hoschek
Benjamin Glatte and Elisabeth Hoschek crossed paths during their studies in the Communication in Social and Economic Contexts (GWK) department at the Berlin University of the Arts (UdK Berlin). It was in 2015 when they initially conceived the idea for Common Ground. Together, they worked on establishing and maintaining a platform that connected artists in exile and newcomers in Berlin with students and professionals in the art community. Over the course of eight years, what initially began as a communications project for their Bachelor’s thesis has evolved into an enduring initiative that has embraced various forms of community building.Currently, Elisabeth is pursuing her studies in film production at the Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin. She also works as a freelance producer and takes on various roles on film sets for television, cinema, and series. Since graduating, Benjamin has established multiple ventures: an NGO that focuses on diasporic communities and artists in exile, a film set rental company, and a web development company. He is also a communications consultant and a communications coach for young adults.
Adela Lovrić:
How did Common Ground initially develop?
Elisabeth Hoschek:
During our final project at GWK, called the Kommunikationsprojekt, our group of five students aimed to develop a communication campaign for a company. Instead, we decided to work with the AStA of UdK Berlin and further develop their campaign that started out as SURE (Support Refugees). Our goal was to create safe spaces and raise awareness within the academy for artists who had recently fled their countries. We acted as an interface, connecting students, teachers, and artists in exile who wanted to contribute their expertise through workshops and seminars. Our main focus was to match demands and offers, and to build a dense network of communication. Natalia Ali, who was a Fine Arts student at the time, organized a discussion at UdK Berlin about the role of women in Syria and how their life changed through the war and thereby introduced us to the community we wanted to reach out to. This event led to further demands for integration into academic and artistic life in Berlin. We restructured and renamed the initiative, putting a lot of work into creating a lasting structure that could address similar situations in the future.
Adela Lovrić:
What kind of work did you engage in within Common Ground and what were some of its goals and guiding principles?
Benjamin Glatte:
We wanted to create a meaningful project that had an impact beyond our end-of-studies presentation. During this time, the conflict in Syria was happening and we wanted to address the issue at UdK Berlin. Things got quite complex because there were a lot of parties involved: UdK Berlin, AStA, professors, and friends. First, we got the confirmation from AStA that we could further promote the Support Refugees project under its umbrella, and then we also received support from various other parties, including Studium Generale, Berlin Career College, the International Office, and many others. Our next step was to connect all of this together and make the project accessible. We then focused on understanding the needs of the people we wanted to support—young artists who were refugees. We wanted to encourage and empower them. We thought it would be great to invite both students and future artists who are here in exile to come together at UdK Berlin and communicate, make projects, and offer or get support for studying at the university. Our aim was to be the interface and direct contact point bridging the gap between the two groups. We wanted to connect, support, inform, document, and mobilize, making it a collective effort rather than just a nice art project. We wanted artists in exile and newcomers in Berlin to engage in projects, to teach and contribute, while also benefiting from UdK students‘ expertise. We also started applying for funding, creating a website, using all the communication channels we had, and establishing new things, and then it all took off. I think 90 percent of the work we did was actually not what we intended to do for our studies, which was a communications project.
Elisabeth Hoschek:
We focused on creating a social network that organically grew to meet the needs of the project. We organized jam sessions, workshops, and portfolio consultations, and maintained a newsletter and blog. We looked for cracks within the university that we could break open and create a more welcoming environment. What we all had in common was having to overcome bureaucratic hurdles. We managed to find some space at the Rundgang to showcase our platforms and the artists we were working with and create a connection between artists and students, which is where the collaboration with UdK’s Berlin Career College became stronger. We saw ourselves as a student initiative, but we had a lot of artists coming to us who had studied before and already worked as professionals. Berlin Career College was working mostly with professionals, but students were always showing up at their door trying to figure out how to study. We tried to bring all those forces together and create spaces of encounter that would allow people to find their way through this network. We also went out and engaged with people directly at different events in Berlin. There was a lot going on but in small circles that sometimes overlapped. We tried to increase the overlap between different scenes and foster word-of-mouth communication. This helped us to create contacts and make the project known.
Adela Lovrić:
What kind of responses to Common Ground did you receive from your target audience?
Elisabeth Hoschek:
There was a lot of interest from all sides, including newcomers, students, the university, and others. Some requests involved urgent matters like finding housing for people, but we were aware that we couldn’t become a flat-searching entity. Instead, we focused on spreading the word and connecting students privately. Sometimes we did manage to engage more in side tasks, but we quickly figured out our limitations and the importance of following our platform’s purpose and communicating it clearly. Some people may have been upset by this, as they expected support in all aspects.
Adela Lovrić:
How did you approach this sensitive task of helping people in need?
Elisabeth Hoschek:
We were aware that as a very white group of people initiating this, it could be seen as the savior complex of rich German kids supporting the “poor refugees.” We invited UdK Berlin students who were related to this context already, to create initiatives and give their opinions on how we should go about things. We really wanted to have eye-level encounters and not something that came from above or was demeaning in any way.
Benjamin Glatte:
The idea was not to approach people as refugees in the first place but as human beings with talents. We wanted to come together at UdK Berlin and create something together, to see if there could be good outcomes for all sides, and to see who could contribute what. This was always the most essential belief when it came to what we wanted to do with Common Ground and what we did not want to do.
Adela Lovrić:
How would you say that Common Ground, being a multi-directional project where both newcomers and the university benefited, has the potential to transform and impact everyone involved, spreading knowledge and ethics beyond its initial scope?
Benjamin Glatte:
This question is pointing towards the core of what it means if people support each other and how you can actually do this, especially if someone is obviously in the more disadvantaged position. In psychology, there’s a concept called a systemic approach, where the specific problem becomes less relevant if you have a solution that works for you. If you put this ideology on our approach, then I’d say we were not focusing on people being in need and being refugees, but on something positive, which is that we are all human beings and we have something to contribute to and share with each other. This is beyond support; it’s how I imagine inclusion to work. It’s about valuing you as a human being, seeing you at eye level, and trying to enrich each other through activity or conversation. This ideology has, through the course of the Common Ground project, definitely stuck with me when it came to how I wanted to engage with people, no matter their background. And, of course, their background is still something to keep in mind.
Elisabeth Hoschek:
We don’t mean to diminish the act of helping others in times of crisis. I genuinely appreciate people who lend a hand when it’s needed. However, the perception of how to really make an impact that goes beyond just giving a hand has shifted, not only for me, but for a lot of people. That comes, for example, through political discussions and developing friendships. For me, the most valuable thing was to get to know so many different people and perspectives that were engaging with us in many different ways. In the end, I’m still very much anchored in the community that resulted from the work we did. I’m in touch with many people we met through the initiative. The nicest thing about the aftermath of Common Ground was the strengthening of a community of art students and artists.
Benjamin Glatte:
During the so-called “refugee crisis”, most problems arose from the lack of direct contact with those who had fled their home countries. There was no direct contact, so they remained a picture on TV. Through Common Ground and getting in contact with people from different nations and contexts, I often had the feeling that this bubble was broken, which had a lasting positive impact on the people that were involved. If I were to explain why Common Ground is so valuable, especially for students, it’s about getting out of their bubble, actually connecting with others, and ultimately becoming more tolerant through this. I think that Common Ground is not necessarily just dependent on the next crisis, which is definitely going to come. It’s another connection point that opens up UdK Berlin, this environment, and this way of living, thinking, and being to the outside world. And it can be adapted to a lot of causes, not just crises.
Interview Lima Vafadar
Lima Vafadar came to Germany from Iran in early 2011 to continue her Master’s degree in Cultural Media at the University of Paderborn. Prior to moving, she graduated with joint degrees in Iranian Folklore Painting and Print Design from the University of Applied Science of Tehran. Wanting to further pursue her artistic and creative practice, Lima relocated to Berlin and enrolled at the Berlin University of the Arts (UdK Berlin) to study Fine Art. During her studies, she also worked as a student assistant at Studium Generale, where she contributed to creative projects for newcomers. Among them was Common Ground, an initiative she joined in 2015 upon meeting its co-founders Benjamin Glatte and Elisabeth Hoschek and stayed with until the summer of 2018. As someone who could personally identify with the struggles of people escaping war and other difficult circumstances, Lima engaged wholeheartedly in creating welcoming spaces and a sense of community for newcomers in and outside of the university. Today, she works as a psychosomatic therapist and continues to develop her artistic practice.
Adela Lovrić:
How did you get involved in Common Ground and why did you feel compelled to join?
Lima Vafadar:
I went through a very long path to find my place in Germany as a creative and an artist. I moved to Berlin in 2011 with the wish to continue my creative and artistic career. To achieve this, I started learning German and applied to UdK Berlin. In early 2015, I began working as a student assistant at the Studium Generale department at UdK, where I developed creative projects for newcomers. They provided a platform for collaborating with fellow students and colleagues on making a safe space for newcomers to find their voice in the art scene of Berlin. While working there, I met the founders of Common Ground. I really appreciated their idea of establishing a bigger container that would connect various creative projects throughout Germany. They wanted to build a space for students and newcomers to meet at the university and share their ideas, as well as to make this digital. I found this wonderful and joined the Farsi translation group to contribute to the beautiful mission of Common Ground.
Adela Lovrić:
What were Common Ground’s main objectives at the time when you were active there?
Lima Vafadar:
We came together from different fields of creative study at UdK Berlin. Our meeting space was AStA, where we discussed how to present our platform to the university president and different institutes within UdK. We wanted to establish communication that would help us open spaces and allocate resources for newcomers in Germany who were eager to engage in creative projects. We sought to address the heartfelt aspirations of these newcomers by providing them a platform where they could be seen and heard, and by opening doors in different institutes of UdK as well as many other creative institutions in Germany. Our intention was to secure funding for individuals who had significant reasons to realize their creative ambitions; to help these talents shine by listening to them and building a supportive community.
We organized open calls for artists and extended our efforts to reach newcomers who had just arrived in Germany. We also talked about our project at conferences and established connections with larger institutions throughout Germany, with the aim of uniting similar initiatives in different cities. At UdK Berlin, we had meetings in the garden with students, professors, and newcomers, where we discussed who we were, what our vision was, who we needed to connect to, and which resources we needed. Through sharing our vision, we could also connect to smaller groups of people and realize the next steps.
Adela Lovrić:
How did you personally connect to Common Ground’s mission?
Lima Vafadar:
For me, Common Ground was the most important community for students and newcomers at UdK Berlin. It gave a sense of community where you could always find people with the same interests and the same kind of empathy, who wanted to do creative projects but not all alone. At that time, a very big collective trauma was happening. As an Iranian born during the war between Iran and Iraq, I couldn’t stay silent. When the Syrian war happened, all of my artistic and creative work was involved with what was happening socially and politically. I remember that the only thing that could keep us alive in Iran during the war was the sense of community. Knowing that many others were sharing the same experiences gave us a sense of safety. Being part of Common Ground was very valuable because it offered an opportunity to meet with individuals with the same passion, share our resources, and be present for each other in therapeutic, creative, and fun ways.
Why is it important for Common Ground to continue to exist at UdK Berlin?
Lima Vafadar:
The world needs people who listen and are brave enough to take action. People who are experiencing war trauma go through many brutal experiences. They often have to leave their loved ones behind. For people who have lost their voices and feel alone, having someone to connect with and express what they’re experiencing is very important. Even if they lack the words to articulate their emotions, they can do it through creativity.
I remember how hard it was to communicate when we started. In Common Ground, we had so many people who could translate, who were familiar with the system, and who knew how to be present for people and connect them to their vision and to therapeutic support. I think it’s so important to provide creative spaces for those who have a big heart and an ability to listen, allowing them to share their ideas and stay connected with those who went through a lot and help them express themselves in any way they can. By doing so, we can foster a stronger, more centered, and more supportive society for the next generation.
Adela Lovrić:
What have you learned through working at Common Ground?
Lima Vafadar:
Through my experiences with newcomers at UdK Berlin, I recognized the significance of our work and also how important it is to learn how to interact with big collective traumas. We gradually learned how to enhance our projects by adding resources to ensure that we could hold space for more people and age groups. For example, we needed an art therapist by our side. Many times we also needed a psychotherapist to be present, especially during expressive theater projects or when working with children. We always needed more people, especially those who were fluent in the participants‘ native languages, to hold the space for people partaking in creative projects.
Adela Lovrić:
Has your work at Common Ground in any way continued to inspire you outside of UdK Berlin?
Lima Vafadar:
These experiences inspired me to pursue further studies in psychosomatic therapy, in which I learned how to connect to the emotional and physical parts of people in a very creative way, and to heal trauma in one-on-one and group settings. I’m also still doing my political art these days.
I liked the sense of working in a group because, as an artist, sometimes you feel so alone with your ideas. Through Common Ground, I felt how important it is to share and to resort to other professionals who can help you to create. After finishing my art studies at UdK Berlin, I continued to dedicate myself to this work. I felt how important it was for my own artistic growth to be more connected to people this way. I really hope that we can keep this spirit and let it shine as a beacon for those who have experienced or are currently living through war. It is crucial to be able to come together and hold space for others, not through a rigid systemic way but through heart-to-heart and creative communication.
Interview Vincent Hulme & Forough Absalan
Vincent Hulme moved to Berlin from Canada in 2011. Before enrolling in the Fine Arts program at the Berlin University of the Arts (UdK) in 2017, he worked as an art teacher, gallery assistant, and printmaker in a silkscreen studio. He joined Common Ground in 2019 and, since 2020, he has been managing the Common Ground Studio (CGS), a year-long preparation program for disadvantaged artists aiming to study at UdK. Aside from working and studying at UdK, Vincent continues to develop his expanded media art practice that engages with the topic of normative repercussions.
Forough Absalan is an interdisciplinary textile artist from Iran. Prior to moving to Berlin in 2018, she studied textile and surface design at the Tehran Art University. In 2021, she joined UdK as a student in the MA program Art in Context. The following year, she became a member of Common Ground and currently co-manages the Common Ground Studio alongside Vicent. She is also active in the wider social and cultural field, especially in working with people in the queer BIPOC community. Her most recent educational and cultural art project was a series of collective workshops with FLINTA* migrant youth and children, in cooperation with various NGOs and accommodations in Berlin.
Adela Lovrić:
How did the Common Ground Studio (CGS) start?
Vincent Hulme:
I learned about the *foundationClass at Weissensee when one of its founders visited UdK to showcase their work in 2019, four years after the so-called “refugee crisis”. At the time, the *foundationClass had already been around for some years. I thought it was something really interesting that I would like to get involved with, but at the time they didn’t need more help. The concept resonated with me because, even though I didn’t have to flee my country to come to Germany, I still arrived as a foreigner and had to jump through all the hoops and confusion, mostly by myself. I thought, why wasn’t there something like this at UdK?
When I joined Common Ground, I had the idea to do the same. I met up with Nadira Husain, Marina Naprushkina, and Ulf Aminde from the *foundationClass and asked for their blessing to try something similar at UdK. Then the pandemic happened. I was on the fence about whether this was going to work. I had been looking for a room and it seemed that it was either never going to be a permanent space, or it would have been some weird office and it just wasn’t going to work. I thought of the guest student program, came up with a structure, and asked all the Fine Arts professors if they were willing to try it out. And then we did it and it worked quite well.
Adela Lovrić:
What was the first edition like?
Vincent Hulme:
In the first year we were figuring it all out. It was 2020, five years since a big number of people had arrived in Germany. We debated a lot about whom Common Ground was for, because there weren’t as many new people coming as in 2015 from Syria, and now from Ukraine. We targeted artists in exile who had arrived in Germany in recent years and now wished to study art. Our focus was on individuals who weren’t German or Western European.
To begin, I reached out to professors at UdK, including Mathilde ter Heijne, David Schutter, Hito Steyerl, and Jimmy Robert, who agreed to support the test run by allowing one or two students to join the class for a year. This ensured the students had a studio spot and a connection with professors and students. The idea was to create pathways of access and personal connections, which are so important in the art world. I remember one of the first participants in the CGS went into the studio at UdK for the first time and waited for the professor to tell her what to do, and then nothing happened. She was very surprised because in Syria, the situation was quite the opposite.
In the summer, we launched an open call and screened applicants based on their portfolios, motivation letters, and readiness to study fine arts at a university level. It all happened during the pandemic, so we had to do all of the meetings online, but some people got access to the studios despite it being nearly impossible. In the end, it worked out quite well. Some people didn’t get in, but most did or did something really valuable with their time.
Adela Lovrić:
How did the CGS develop later? Did you implement some changes in the following years?
Vincent Hulme:
The second year was more on autopilot in terms of structure. In the third year, I wanted to encourage a stronger sense of community through simple initiatives like showing work together at school and meeting for drinks. Next year, I hope to get a bit more effort on the participants’ side in terms of building a community and getting involved beyond just coming for info meetings. I also want to make sure that they commit to the program from start to finish. It’s a valuable opportunity, and we do have to turn down some applicants. It’s disheartening when someone disappears after three months, leaving the professors with an empty studio spot. I really want to push them to make the best use of this one-year free pass and the professors who are willing to help.
Forough Absalan:
This year, we also managed a two-week art residency at the university with people from the CGS and UdK students. Every day, we had various activities like performances, screenings, and an exhibition. We are planning to do the residency again with workshops and projects involving the BIPOC art community.
Right now, Vincent and I are also planning for the next semester of the CGS. I would like the participants to also have access to the Master’s program Art in Context. Most of the people I know from the BIPOC community are artists in exile who already have a career and a Master of Arts program is more suitable for them. With this kind of access, we can also accommodate more participants.
Adela Lovrić:
Are there also ways in which the university can help you improve this program?
Forough Absalan:
Every year we have this issue of being told that we can only continue this work until December. It’s disappointing to not know how it’s going to be next year because we cannot plan ahead. It would be great if the university could support this as an ongoing program. It would also be beneficial if the International Office at UdK would involve us more in their decision-making process, since we are more familiar with the students’ and the CGS’s needs and concerns.
Vincent Hulme:
I think it works well right now with putting people into different classes, but the issue with this is that it gets hard to maintain a group dynamic. It would also be good to be independent of the administration as we wouldn’t have to be beholden to its slow pace. It would allow us to be more flexible and attuned to the reality of studying. With more resources and staff, we could definitely have a bigger impact. We are dealing with topics of inequity and discrimination, but I personally don’t feel like the CGS has the capacity and the resources at the moment to address the entirety of these issues.
Adela Lovrić:
How do you see the CGS being beneficial for the communities it targets and the university?
Forough Absalan:
I find it interesting and useful, but there are some things that could be changed. What I and a lot of other people wanted to do when we were new in Germany was to apply to university. At first, I applied to participate in the CGS and then Common Ground advised me to apply for the Art in Context program due to my work and study background. At the time I didn’t know anything about it but I applied and got in. I actually find it much more relevant to my direction than other departments.
I was also involved in the ‚How to Study at UdK‘ and the Artist Training programs. This has helped me because, being new in this country and everything feeling overwhelming, I felt a bit lost. I was reassured that everything was manageable and that I didn’t need to worry. These experiences were very positive, and I hope we can expand the CGS to also include people who already have a career and don’t need to start from the first year.
Vincent Hulme:
Because of exclusionary practices at UdK, there are people who approach it with much more privilege and resources, and who then obviously have better chances of succeeding. CGS can work around those walls to assist people who are just as deserving and skilled artists, but may not have the understanding of the system required to get in. A lot of people who come here come from a completely different art background. There’s a critique of the school that asks what it really means to be an art student, whether it is to make Western European-centric art or to also challenge this way of thinking. I think that putting students and professors in contact with diverse perspectives and backgrounds increases awareness within the school. If the student body becomes more diverse, I believe the policies will have to change as well. We are very fortunate to be here and we should extend access to people who have faced incredibly difficult circumstances or continue to do so. Regardless of the crises, there will always be a need for Common Ground. Perhaps in two years, if it continues to exist, it will have a different focus.
Interview Narges Derakhshan
Narges Derakhshan relocated to Berlin in 2016 with the aim of pursuing her second Bachelor’s degree in Communication in Social and Economic Contexts at the Berlin University of the Arts (UdK Berlin). Prior to her arrival in Germany, she studied theater and gained experience as a copywriter for advertising agencies in Tehran. Presently, she is an MA student of screenwriting at Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf and works as a screenwriter and editor. Narges became acquainted with Common Ground during her initial introduction day at UdK Berlin and was immediately captivated by its mission. Shortly thereafter, she made the decision to join the group and remained an active participant until the end of 2019.
Adela Lovrić:
What kind of projects did you realize with your colleagues at Common Ground?
Narges Derakhshan:
At first, we were figuring out how to work as a group of people from really different backgrounds. Personally, I had the challenge of figuring out my place and role and how I could be helpful. Our objective was to come up with new projects and explore ways to improve support for artists who were newcomers to Germany and had no networks here. The idea was to give them a stage to present their art at UdK Berlin. At some point, we started another project which was really dear to me, called “How to Study at UdK Berlin.” We decided to put our minds together and share our own experiences of applying to UdK Berlin, with people who were not German. I think that was also one of our most successful events. Besides that, we were also organizing music jam sessions in the beautiful backyard of the university.
Adela Lovrić:
Can you tell me more about the “How to Study at UdK Berlin” events? What was particularly valuable about this work?
Narges Derakhshan:
At the time, we used Facebook to push the event and that helped a lot to reach out beyond our friend networks. A lot of people that we didn’t know showed up to the event, which was great—people who were interested in studying at UdK Berlin but had no idea how to create a portfolio of their work or how to present themselves. At the event, we had a presentation and we invited UdK Berlin students to show their entry portfolios. Afterward, we had a Q&A session. To me, getting into UdK Berlin was very hard and so my biggest purpose at Common Ground was to help make it easier for someone else. I thought, if just one person can do it in an easier way, then I will be happy. I think one of the successes of these events was also to present study courses that people might not know about. We became friends with some of the people who came to our events and two of them are actually studying at UdK Berlin right now, in courses for which UdK Berlin is not typically known.
Adela Lovrić:
What else was especially important for people reaching out to Common Ground during the time you worked there and how were you able to meet their needs?
Narges Derakhshan:
I think every European has an idea of what a portfolio is. But non-Europeans who are good artists might not know how to present themselves or what to expect. Every now and then, we had people with great ideas reach out to us, but they didn’t know how to translate them into a form that was understandable to a broader audience. I think it was really helpful to share our own experiences and portfolios with newcomers, as it gave them a good example and an idea of how they could also achieve it.
From the outside, UdK Berlin can be scary. Talented artists who need this community and network were scared away because they didn’t know how to get in. For that reason, initiatives like Common Ground are really important. When I got in, I remember Common Ground had a flyer in Farsi and in Arabic. Seeing something I could understand immediately made me feel welcomed and drawn to Common Ground. I also remember a jam session we organized and how cool it was for me to hear an Iranian song inside the university. I think it’s crucial to make UdK Berlin more open to non-Europeans, to people who are a bit afraid of entering this kind of educational atmosphere.
Adela Lovrić:
Can you recall some challenges that you encountered through working in Common Ground?
Narges Derakhshan:
There were many, to be honest. Initially, the biggest challenge was to reach our target group. In the beginning, we also went to refugee camps to present ourselves and hand out flyers. Every time we had an event, there were lots of men showing up and, at some point, I would think: this is about diversity, so how can I reach women? So, at the time, one of our biggest challenges was reaching people who we wanted to actually reach. Another was organizing. I don’t want to repeat the clichés of artists who cannot organize themselves, but when it comes to this kind of work, you have a good will, but on the other side, you need accessibility, programming, and organization.
Adela Lovrić:
Do you still engage in this kind of work or apply some of the lessons learned through Common Ground in your current endeavors?
Narges Derakhshan:
In my work as a screenwriter, I use these experiences a lot. Being a newcomer myself, I was not just an observer but an active participant. I don’t only draw from the people I encountered but also reflect on my own experience. These memories greatly influence my writing and my characters—how they perceive the world and how they feel totally strange but have to pretend they know what’s up.
Adela Lovrić:
Why is it, in your opinion, important to have an initiative like Common Ground at UdK Berlin?
Narges Derakhshan:
Education shouldn’t be a luxury, especially in art. People should trust themselves and give it a shot. But, from the outside, UdK Berlin is seen as a fancy university. Because of that, people don’t have the confidence to apply. The existence of Common Ground is important as a reminder that there are people who share your experiences and to provide this perspective that it’s not only for fancy, rich, privileged people. Everyone is welcome here.
We thank all Common Ground members:
2016 Assali, Mouna Glatte, Benjamin Hoffmann, Leander Hoschek, Elisabeth Laufkötter, Astrid Vafadar, Lima Vent, Johannes
2017 Abo Assali, Mouna Derakhshan, Nagres Faulhaber, Leo Glatte, Benjamin Haddad, Dana Hoffmann, Leander Hoschek, Elisabeth Khalifeh, Farah Vafadar, Lima Vent, Johannes
2018 Derakhshan, Narges Guiness, Joshua Haddad, Dana Khalifeh, Farah Stegmann, Sophia Vafadar, Lima White, Dylan
UdK, Common Ground in collaboration with International Office and Artist Training, UdK Berlin Career College International Office: Regina Werner Artist Training: Dr. Melanie Waldheim Department Fine Arts: Prof. Dr. Jörg Heiser
Common Ground: Benjamin Glatte, Elisabeth Hoschek, Lima Vafadar, Vincent Hulme, Forough Absalan, Narges Derakshan
Graphic Design: Caroline Lei & Quang Nguyen Typefaces: Impact Nieuw by Jungmyung Lee, Junicode by Peter S. Baker
Edition: 100
Universität der Künste Berlin Körperschaft des öffentlichen Rechts gesetzlich vertreten durch den Präsidenten Prof. Dr. Norbert Palz Einsteinufer 43 D-10587 Berlin
The project Common Ground is offered by the Berlin University of the Arts and is funded by the DAAD and Federal Ministry of Education and Research (BMBF) in collaboration with the International Office, Student Office and Artist Training, UdK Berlin Career College.
Die Workshop-Reihe How to Create a Safer Space I-III des Artist Training Labs zielt darauf ab, strukturelle Diskriminierung und Ungleichheiten innerhalb der UdK Berlin zu diskutieren und mit Expert*innen aus den Bereichen Antidiskriminierung und Organisationsentwicklung Strategien zur Gleichstellung zu entwickeln. Jeder Workshop wird von einem Podcast flankiert. In der ersten Podcast-Folge How to Create a Safer Space I: Code of Conduct sprechen zwei Gästinnen: Armeghan Taheri (Schriftstellerin, Künstlerin und Gründerin des Kunst- und Literaturmagazins Afghan Punk Rock) und Elena Buscaino (Studierende an der UdK Berlin, Mitglied des Critical Diversity Blog und Aktivistin). Gemeinsam mit der Podcast-Moderatorin Johanna Madden reflektieren sie den ersten Workshop und diskutieren weiter über die Bedürfnisse der UdK Berlin sowie die mögliche Implementierung eines Code of Conduct.
Im Lektüreseminar „Queer-feministische Ästhetik“ fragen Paul B. Preciado und ich uns, ob Dildos, die einige Feministinnen als künstliche Nachbildungen des Penis und damit Symbole der patriarchalen Hegemonie bezeichnen, nicht eigentlich das exakte Gegenteil sind: inhärent queere Objekte, die sexuelle Machtstrukturen verschieben.
Schriftliche Ausarbeitung des Referats vom 20.05.2022 über „Die Logik des Dildos oder die Scheren Derridas“ in Paul B. Preciado: Kontrasexuelles Manifest. Berlin: b—books 2003. Entstanden im Lektüreseminar „Queer-feministische Ästhetik“ im Fachgebiet „Geschichte und Theorie der visuellen Kultur“ an der Fakultät Gestaltung der Universität der Künste Berlin, betreut durch Prof. Dr. Kathrin Peters.
(c) Laura Thiele, 2022
Queer-feministische Ästhetik
Strukturelle Diskriminierung und Benachteiligung beschränkt sich nicht auf öffentliche und private Räume, sondern ist auch im professionellen Umfeld für viele Menschen tägliche Realität. Die Design- und Kunstwelt wurde – wie viele andere Bereiche der Gegenwart – innerhalb der patriarchalen Hegemonie konstruiert. Historisch gewachsene Regeln und Normen der Kunst und Gestaltung, sowie ihrer Rezeption orientieren sich an männlich konnotierten Fähigkeiten und Vorstellungen. Gestaltende mussten sich in vergangenen Jahrhunderten – insofern sie auf wirtschaftlichen Erfolg und Anerkennung hofften – entweder mit vorherrschenden Ideen identifizieren und ihre Regeln anerkennen oder sind der Kunstwelt gänzlich fern geblieben.1 Sich im 21. Jahrhundert in der Branche als nicht-cis-männliche:r Gestalter:in zu behaupten, ist noch immer eine tägliche Aufgabe, die herausfordert und persönliche feministische Positionierungen ins Wanken bringen kann.
Da weibliche Künstlerinnen weder in Museen, noch in Auktionshäusern annähernd so stark repräsentiert sind wie ihre männlichen Kollegen, sah sich das britische Auktionshaus Sotheby’s im Frühsommer 2021 berufen, die Online-Auktion „(Women) Artists“ anzubieten, um weiblicher Kunst der vergangenen 400 Jahre eine dezidierte Platform zu geben und Künstlerinnen der Gegenwart zu fördern.2 Marina Abramović konstatiert eine in der Branche herrschende „sehr große Ungerechtigkeit, da die Arbeiten von weiblichen Künstlerinnen unter ihrem Wert angeboten“3 werden. Dennoch nutzen Kunstschaffende und Gestaltende das Potenzial visueller Kultur – nicht nur als individuelle Ausdrucksform, sondern auch als Instrument im Kampf gegen Diskriminierung und Ausbeutung. Sich dabei von bestehenden normativen Vorstellungen zu lösen, stellt eine besondere Herausforderung dar.
„Im Film und in der Kunst müssen wir auch eine Sprache finden, die uns angemessen ist, die nicht schwarz oder weiß ist.“4 – Chantal Akerman
Das Lektüreseminar „Queer-feministische Ästhetik“ im Fachgebiet „Geschichte und Theorie der visuellen Kultur“ an der Fakultät Gestaltung der Universität der Künste Berlin beschäftigt sich mit der wechselseitigen Beziehung von Gestaltung und gesellschaftspolitischem Kontext. Wann ist Gestaltung feministisch, wann queer? Was macht queer-feministische Ästhetik formal aus und wer ist in der Lage, sie zu produzieren? Wer wird abgebildet und wer nicht? Kann sich Gestaltung, die in einer patriarchal dominierten Welt entsteht, überhaupt von ihr lösen?
„Die Möglichkeit einer anderen Erfahrung und Wahrnehmung der Weiblichkeit durch Frauen wurde als Infragestellung und indirekte Gefährdung männlichen Kunstschaffens häufig schon mit einbezogen.“5
Der binären Norm folgend, bezieht Feminismus traditionell eine oppositionelle Haltung zur patriarchalen Hegemonie, was diese – zum Leid aller feministischen Bewegungen – ständig wiederholt und erhält. Die Literaturwissenschaftlerin Teresa de Lauretis setzt in den späten 1980er und 1990er Jahren in der sog. „Queer Theory“ nicht nur unterschiedliche Diskriminierungsformen miteinander in Bezug und leistet damit einen maßgeblichen Beitrag zum intersektionalen Feminismus6, sondern beschreibt auch eine Kultur, die sich aus den Eigenschaften und Handlungen ihrer Mitglieder positiv konstituiert und nicht alleinige Gegenhaltung ist.7 Queerness funktioniert nur in der Selbstzuschreibung und definiert sich nicht durch klare Abgrenzungen, weshalb die inhaltliche Bedeutung des Begriffs immer wieder neu verhandelt werden kann und muss. Queer ist keine Opposition, ist nicht anti, sondern fluid und pluralistisch. Doch auch wenn in der nicht-binären Theorie keine gegenüberliegende Seite existiert, auf der ein Gegner verortet werden könnte, existiert er trotzdem auch in der Queer Theory: das Patriarchat.
Angst vor dem Dildo
Symbol des Patriarchats und der Männlichkeit im Allgemeinen ist unumstritten der Penis. Kein anderes menschliches oder nicht-menschliches Organ ist so stark aufgeladen mit Inhalten, wird stolz gezeigt, schamhaft versteckt, auf Schultische gekritzelt, als Foto verschickt, beneidet oder verschmäht. Der Penis ist das prunkvolle Siegelwappen der patriarchalen Vorherrschaft und zeitgleich das sensibelste Glied im organischen maskulinen Kettenhemd. Dass einige Lesben und andere Feministinnen daher Dildos, die in ihren Augen künstliche Nachbildungen des Penis sind, ablehnen, überrascht also kaum. Sie befürchten die (Wieder-)Einführung männlicher Vorherrschaft in ihre durch und durch feminine Sexualität. In den 1990er Jahren boykottierten einige feministische Buchläden in London den Verkauf von Del LaGrace Volcanos „Love Bites“, einer Sammlung von Fotografien, in denen u.a. eine Lesbe zu sehen ist, die einen Dildo leckt.8 Penetration? Ja bitte! Aber mit lesbischen Fingern, die fest mit dem lesbischen Körper verwachsen sind!
Del LaGrace Vocano: „Hermaphrodyké“ (1995) in „Sublime Mutations“, Tübingen, konkursbuch, 2000.
Nicht zu leugnen ist, dass Sextoys sich im Allgemeinen einer großen Beliebtheit erfreuen. Laut einer repräsentativen Studie der Technischen Universität Ilmenau, nutzen 52% der heterosexuellen Befragten zwischen 18 und 69 Jahren Sextoys mit Partner:innen. Bei der Masturbation sind es 72% der Frauen und 31% der Männer.9 Nicht repräsentative Studien legen nahe, dass die Zahlen unter queeren Personen nicht etwa geringer, sondern noch höher sind. Genaue Ergebnisse und wissenschaftliche Auseinandersetzungen bleiben jedoch aus. Der Zugang zum Dildo ist auch im wissenschaftlichen Kontext holprig und schambehaftet. Obwohl die Vorstellung von Paul Beatriz Preciados Text „Die Logik des Dildos oder die Scheren Derridas“, der Teil des „Kontrasexuellen Manifests“ ist, im Lektüreseminar „Queer-feministische Ästhetik“ durch mitgebrachte Objekte, Websites und humoristische Illustrationen niedrigschwellig und zwanglos gestaltet wurde, war die Beteiligung unter den Teilnehmenden eher gering und die Grundstimmung unsicher und angespannt.
Preciado denkt über die Bedeutung des Dildo nach und fragt: „Was ist ein Dildo?“10 Bildet der Dildo patriarchale Machtstrukturen im queeren Kontext ab? Ist er Projektion des maskulinen Begehrens auf die weibliche Sexualität? Welche Rolle spielt dabei seine Ästhetik und die Perspektive, aus der er betrachtet wird?
(c) Mattia Friso: Referat im Seminar „Queer-feministische Ästhetik“, 2022.
Preciado beschreibt im Text „Die Logik des Dildos oder die Scheren Derridas“ eine Szene aus Sheila MacLaughlins Film „She Must Be Seeing Things“ (1987), in der sich die Protagonistin Agatha in einen Sex-Shop begibt, um einen realistischen Dildo zu kaufen. Sie glaubt ihrer Geliebten damit zu gefallen. Beim Anblick des Dildo erkennt sie das zwischen Männern und Frauen herrschende Ungleichgewicht im Zugang zu Sexualität: aufblasbare Puppen – Nachbildungen des gesamten weiblichen Körpers – stehen Dildos – in ihren Augen plumpe Penis- Mimesen – gegenüber. Während männliche Sexualität durch den weiblichen Körper in seiner Ganzheit angesprochen wird, soll die weibliche Sexualität durch den Penis bzw. seine Nachbildung angeregt werden. Agatha entscheidet sich schließlich gegen den Kauf eines Dildos, dessen bloßer Anblick ihr zur Einsicht dieses Machtgefälles verholfen hat. Vielleicht befürchtet sie, dass das sexuelle Begehren ihrer Partnerin sich mit Verwendung des Dildos nur noch auf diesen beschränke und Agathas Körper fortan ausschließe. Preciado stellt fest, dass sich Agathas Sichtweise in diesem Moment der Konfrontation lesbischer Sexualität mit Heterosexualität durch den Dildo verändert und verweist auf Lauretis, die im Dildo einen kritischen, jedoch keinen praktischen Wert erkenne.11
Sowohl Agathas Erkenntnis, als auch Lauretis’ Analyse bauen auf der Annahme auf, dass „jeder Hetero-Sex […] phallisch und jeder phallische Sex […] hetero“12 sei: wenn zwischen Mann und Frau die Penetration durch den Penis ausbleibt, könne – egal wie intensiv die physische Auseinandersetzung ansonsten sein mag – nicht von Sex gesprochen werden. Sobald zwischen Personen ohne Penis penetrative sexuelle Handlungen stattfinden, sei die Referenz zum imaginierten Penis und damit dem Mann und damit dem Patriarchat hergestellt. Im angenommenen phallozentrischen Schema steht der Penis im Mittelpunkt jeglicher Sexualität und sexueller Handlungen. Neben zwischenmenschlichen Interaktionen, wird auch der singuläre weibliche Körper durch die Abwesenheit des Penis definiert. Die Misogynie dieses Denkmodells liegt auf der Hand. Lauretis bringt den Sachverhalt passend auf den Punkt: „Weibliche Sexualität wurde stets im Gegensatz und in Bezug auf männliche Sexualität definiert.“13
Durch die Kombination von Phallozentrik und Verwechslung des Penis mit der ihm zugeschriebenen patriarchalen Macht, ergeben sich sowohl für den Penis, als auch für den Dildo und letztlich die Sexualität selbst fatale Urteile. Diese Kette von Fehlannahmen zurückzuverfolgen, neu aufzuziehen und den eigentlichen Wert des Dildo zu erkennen, erscheint Preciado angebracht.
„Der Phallus ist nur eine Hypostasierung des Penis. Wie bei der Geschlechtsfeststellung intersexueller Babies deutlich wird, ist in der symbolischen heterosexuellen Ordnung der Signifikant par excellence nicht der Phallus sondern der Penis.“14
Schließlich enttarnt der Dildo den Penis und befreit ihn damit vom Gewicht des Phallus. Er offenbart, dass die assoziierte Macht eben kein angewachsenes Recht ist, sondern an jedem beliebigen Körper(-teil) umgeschnallt oder angesaugt werden kann. Sie ist ein Zepter, das beliebig von Hand zu Hand weitergereicht wird. „Der Dildo erscheint als exakte Nachahmung des Penis, bleibt aber vom männlichen Körper abgetrennt.“15 Es klingt wie das Horrorszenario eines jeden Mannes: das Glied ist abgetrennt und wird mal hier, mal dort benutzt, abgelegt oder im kochenden Wasser sterilisiert. Trotzdem ist es voll funktionsfähig – oder sogar noch praktikabler als der organische Referent. Kontrolle und Macht sind nicht angeboren, sondern werden egalitär weitergereicht und nach Lust und Laune eingesetzt. Preciado betont, dass jede:r einen Dildo benutzen und so genderbezogene phallische Machtstrukturen verschieben und in Frage stellen kann.
Vielleicht ist die Angst vor dem Dildo genau deshalb so groß. Die Anerkennung des Dildo als effektiver sexueller Technologie würde dem oder der Besitzer:in eines Penis vor Augen führen, dass ihr bestes Stück eben nur eines ist: ein sensibles Organ. Aber soll diese Erkenntnis nun als Degradierung verstanden werden oder könnte die Anerkennung seiner einzigartigen organischen Fähigkeiten und die gleichzeitige Akzeptanz der technischen Möglichkeiten des Dildo nicht eine Chance sein, die sowohl der Lesbe, als auch dem Hetero-Mann, als auch jeder anderen Person und ihrer Sexualität zugute käme?
(c) Laura Thiele, 2022.
Kontra-Sexualität
„The first twelve years or so I was very busy with trying to turn men on. […] and then after that it was like turn on other kinds of people, but not just in the genitals, but more the mind, the intellect, […] make them laugh, make them think, help them to learn something new“ – Annie Sprinkle16
Wahre Gleichberechtigung kann in jedem noch so kleinen Winkel des gesellschaftlichen Alltags nur bestehen, wenn sie auch dort Realität ist, wo Körper im vermeintlich Privaten und Intimen aufeinandertreffen: beim Sex. Tabus, Scham und Unsicherheit bieten den Nährboden für Gewalt und Missbrauch. Preciados Beitrag zu Gleichberechtigung, für die eine gesunde Sexualität unerlässlich erscheint, ist das Konzept der „Kontra-Sexualität“. Sie handelt „vom Ende der Natur, die als Ordnung verstanden wird und die Unterwerfung von Körpern durch andere Körper rechtfertigt“17. Preciado sieht Individuen nicht mehr als Mann oder Frau, sondern als Subjekte, die zu allen signifizierenden Praktiken gleichermaßen Zugang haben und untereinander gleichwertig sind.
Der Dildo sei das Werzeug der „systematischen Dekonstruktion sowohl der Naturalisierung der sexuellen Praktiken als auch der Geschlechterordnung“18. Dabei geht Preciado so weit, den Dildo als „Ursprung des Penis“19 zu bezeichnen. Diese Umkehrung der eingangs beschriebenen Annahme, der Dildo sei eine Nachahmung des Penis, begründet Preciado mit dem was Derrida als „gefährliches Supplement“ bezeichnet. Das Supplement, vereinfacht übersetzt als „Ergänzung“ oder „Zugabe“, fügt sich etwas hinzu oder setzt sich an die Stelle von etwas, zeigt aber auch die Lücke an, die es füllt. Der Dildo als Supplement vervollständige und produziere den Sex und damit auch den Penis.20
Derrida schreibt: „das Supplement, ob es hinzugefügt oder substituiert wird, [ist] äußerlich, d.h. äußerliche Ergänzung oder Ersatz […]; es liegt außerhalb der Positivität, der es sich noch hinzufügt, und ist fremd gegenüber dem, was anders sein muß als es selbst, um von ihm ersetzt zu werden.“21 Der Dildo bleibt außerhalb des organischen Körpers und ihm damit immer fremd. Er ist eine menschgemachte Maschine, die dem Penis nicht fremder sein könnte, obwohl er sich auf paradoxe Weise an ihm orientiert. Da er nie nur Substitut ist und im Substitut-Sein nicht aufgeht, sondern mehr ist, übersteigert er sich fortlaufend selbst. Er zieht die Autorität seines Referenten ins Lächerliche und widersetzt sich damit heteronormativem Sex.22
Preciado stellt fest: „Der Dildo ist kein Objekt, das sich an die Stelle eines Mangels setzt.“23 Bislang galten die Genitalien als Zentrum der Sexualität. Der Dildo verschiebt dieses Zentrum hin zu anderen Stellen des Körpers und hin zu Objekten außerhalb des Körpers, die durch den Dildo (re-)sexualisiert werden. Die Dezentrierung, die der Dildo auslöst birgt die Chance, den gesamten Raum, über den Körper hinaus, in mögliche Zentren umzuwandeln, bis der Begriff des Zentrums seinen Sinn verlöre.24
„Die Verdrängung der Penetration aus dem Mittelpunkt des sexuellen Geschehens bleibt eine Aufgabe, der wir uns auch heute noch zu stellen haben“25
Der Dildo destabilisert die sexuelle Identität der Person, die ihn trägt und restrukturiert damit auch das Verhältnis zwischen innen und außen, passiv und aktiv, zwischen dem natürlichen Organ und der Maschine.26 Der Dildo ist nicht-binär. Er konstituiert Sexualität positiv und ist somit im doppelten Sinne und inhärent queer.
(c) Laura Thiele, 2022
Laura Thiele (Sie/ihr) studiert visuelle kommunikation an der universität der Künste Berlin und bewegt sich in ihrer gestalterischen Arbeit im Spannungsfeld zwischen Raum, Körper und Gesellschaft. Sie ist stellv. Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Gestaltung.
1 Vgl. Silvia Bovenschen: Über die Frage: gibt es eine „weibliche“ Ästhetik?, in: Ästhetik und Kommunikation, Beiträge zur politischen Erziehung, Heft 25, Jahrgang 7, Berlin, 1976, S. 61 2 Vgl. Sotheby’s: (Women) Artists, 2021, https://sothebys.com/en/buy/auction/2021/women-artists (abgerufen am 09.09.2022) 3 Amah-Rose Abrams: Marina Abramović: A Woman’s World, 2021, https://sothebys.com/en/articles/marina-abramovic-a-womans-world (abgerufen am 09.09.2022) 4 Chantal Akerman. Interview mit Claudia Aleman in: Frauen und Film, Nr. 7, Berlin, 1976, zitiert nach Silvia Bovenschen: Über die Frage: gibt es eine „weibliche“ Ästhetik?, in: Ästhetik und Kommunikation, Beiträge zur politischen Erziehung, Heft 25, Jahrgang 7, Berlin, 1976, S.63. 5 Bovenschen: 1976, S. 68. 6 Dieser Begriff gehört heutzutage zur Grundausstattung eines jeden queeren Tinder-Profils. 7 Vgl. Teresa de Lauretis: Queer Theory: Lesbian and Gay Sexualities, An Introduction, in: Differences: A Journal of Feminist Cultural Studies, Heft 3.2, Providence, 1991, S. 11. 8 Vgl. Paul B. Preciado: Kontrasexuelles Manifest, Berlin, b_books, 2003, S. 54. 9 Vgl. Nicola Döring & Sandra Poeschl: Experiences with Diverse Sex Toys Among German Heterosexual Adults: Findings From a National Online Survey, The Journal of Sex Research, 2020 10 Preciado: 2003, S. 53. 11 Vgl. Preciado, 2003, S. 57. 12 Preciado, 2003, S. 58. 13 Teresa de Lauretis: Die Technologie des Geschlechts, in: Elvira Scheich (Hg.): Vermittelte Weiblichkeit. Feministische Wissenschafts- und Gesellschaftstheorie Hamburg (Hamburger Edition) 1996, S. 468. 14 Preciado, 2003, S. 59. 15 Ebd. S. 61. 16 Virginie Despentes: Mutantes – Annie Sprinkle Interview, 2018, https://youtu.be/Bdl5xscdC_0 (abgerufen am 01.09.2022), 05:02-05:26 17 Preciado, 2003, S. 10. 18 Ebd. S. 11. 19 Ebd. S. 12. 20 Vgl. ebd. S. 62. 21 Jacques Derrida: Grammatologie, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1974, S. 251 22 Vgl. Preciado, 2003, S. 62. 23 Ebd. S. 61. 24 Vgl. ebd. S. 65. 25 Lucy Bland: The Domain of the Sexual. A Response. in: Screen Education, Heft 39, S.56, 1981, zitiert nach Teresa de Lauretis: Die Technologie des Geschlechts, in: Elvira Scheich (Hg.): Vermittelte Weiblichkeit. Feministische Wissenschafts- und Gesellschaftstheorie Hamburg (Hamburger Edition) 1996, S. 469. 26 Vgl. Preciado, 2003, S. 67.
Triggerwarnung: In folgendem Text werden queer- und transfeindliche Aussagen und Haltungen wiedergegeben.
Vorbemerkung Bevor ich den Versuch unternehme, mich der medialen Debatte um die transfeindlichen Äußerungen und der daraus folgenden Kündigung der britischen Professorin Kathleen Stock sowie den von verschiedenen Seiten hervorgebrachten Argumenten zu nähern, möchte ich zunächst meine eigene Situiertheit und Vorgehensweise im Diskurs um die Geschlechter beleuchten: 1. Ich habe das Privileg, ohne Gender- oder Körperdysphorie zu leben. Und ich kann mich mit der sozialen Kategorie ‚Frau‘ insofern identifizieren, als dass diese Zuordnung zu meiner Lebensrealität gehört und meine Diskriminierungserfahrungen in ein strukturelles Machtgefüge einordnet. Frau-Sein ist für mich jedoch etwas Abstraktes und hat wenig mit meiner intrinsisch erlebten, geschlechtlichen Identität zu tun. 2. Ich verfasse diesen Text im Rahmen eines queerfeministischen Seminars. Dies macht es leichter, selbstbewusst gegen hegemoniale Vorstellungen von Geschlecht zu schreiben. Ich möchte hierbei so radikal wie nötig und so sensibel wie möglich vorgehen. Da ich selbst in eben dieser Hegemonie sozialisiert wurde, muss ich meine Gedanken und Sprache dabei kontinuierlich auf cis-heterosexistische Narrative überprüfen. 3. Genauso wie ich den realen Konsequenzen der gesellschaftlichen Vorstellungen von Geschlecht nicht entkommen kann, dürfen auch bei der Betrachtung der Debatte um Kathleen Stock die gesellschaftlichen Verflechtungen nicht unterschlagen werden: Sie ist eingebettet in eine Medienlandschaft, die mehrheitlich von cis-geschlechtlichen, weißen Menschen geformt wird und in der sich Sichtbarkeit und gesellschaftliche Macht gegenseitig bedingen. Da ich mich selbst nicht als trans* identifiziere, möchte ich es vermeiden, für trans* Personen zu sprechen und stattdessen beim Schreiben eine solidarische Position neben ihnen einnehmen (in Anlehnung an die dekoloniale Methodik „Speaking Near-by“ der Filmemacherin und Theoretikerin Trinh T. Minh-ha).
Im Herbst 2021 verlässt die Professorin Kathleen Stock nach 18 Jahren Lehrtätigkeit an der University of Sussex in England ihr Amt. Ihr Rücktritt ist das Ergebnis selbstorganisierter Proteste einer anonymen Gruppe von queeren, trans* und non-binären Student*innen eben jener Universität, die ein Mission Statement gegen sie veröffentlichen und in den darauffolgenden Tagen mit Plakat-Aktionen und Demonstrationen die Entlassung Stocks fordern. Auslöser des Protest sind die queer- und transfeindlichen Äußerungen, die Kathleen Stock vor allem in den letzten drei Jahren ihrer Amtszeit in Zeitungsinterviews, Blogbeiträgen und über ihren persönlichen Twitter-Account veröffentlichte.
Der folgende Text wird zum einen die Mediendebatte um ihren Rücktritt nachverfolgen, sowie die Argumentation und Rhetorik der damit einhergehenden Cancel-Culture-Vorwürfe und der nachdrücklich geäußerten Befürchtung, die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit seien gefährdet worden. Zum anderen soll er versuchen, spezifische Ästhetiken des Trans-Exclusionary Radical Feminism zu identifizieren.
Es wird dabei vor allem auf verschiedene deutsche und britische Zeitungsartikel Bezug genommen, die über die Debatte berichteten. Zunächst folgt jedoch ein Exkurs in die Argumentations- und Denkstrukturen von TERFs.
Warum Kathleen Stock eine TERF ist
Am 19. August 2008 schreibt die Bloggerin Viv Smythe unter ihrem Pseudonym TigTog auf Finally, A Feminism 101 Blog, ihrem Blog zu Feminismus-FAQs, folgendes:
I am aware that this decision is likely to affront some trans-exclusionary radical feminists (TERFs), but it must be said: marginalising trans women at actual risk from regularly documented abuse /violence in favour of protecting hypothetical cis women from purely hypothetical abuse/violence from trans women in women-only safe-spaces strikes me as horribly unethical as well as repellently callous.1Smythe, Viv: An apology and a promise. in: Finally, A Feminism 101 Blog, 19.08.2008, https://finallyfeminism101.wordpress.com/2008/08/19/an-apology-and-a-promise (letzter Aufruf 30.10.2022)
Kurz darauf taucht die Abkürzung TERF auf weiteren feministischen Blogs auf2Williams, Cristan: TERF: What It Means And Where It Came From. in: The Trans Advocate, 03.2014, https://www.transadvocate.com/terf-what-it-means-and-where-it-came-from_n_13066.htm (letzter Aufruf … Mehr anzeigen und gewinnt so über die Jahre immer mehr an Popularität. In einem Interview mit The Trans Advocate von 2017 beschreibt Smythe den Begriff als neutrale Bezeichnung einer Strömung des radikalen Feminismus, die vor allem im Netz, auf Blogs und Social Media zu finden ist. Mit dem Begriff habe sie auf einen plötzlichen Anstieg von transmisogynen Kommentaren und Posts in radikalfeministischen Internet-Räumen reagiert, welcher dann von anderen trans*-positiven/-neutralen feministischen Aktivist*innen aufgegriffen und in Abgrenzung verwendet wurde.3Williams, Cristan: TERF: What It Means And Where It Came From. in: The Trans Advocate, 03.2014, https://www.transadvocate.com/terf-what-it-means-and-where-it-came-from_n_13066.htm (letzter Aufruf … Mehr anzeigen
TERFs konstruieren trans* Frauen und trans*-feminine Personen in unterschiedlichen Szenarien als Bedrohung für cis-Frauen, weswegen sie deren Inklusion in (Safer) Spaces wie Frauentoiletten oder Frauenhäuser grundlegend ablehnen.
Unter der höchst transmisogynen Annahme, trans* Frauen blieben ‚biologische Männer‘, werden sie als potentielle Sexualstraftäter imaginiert. Dementsprechend gibt es eine eher ablehnende und teilweise spöttische Haltung gegenüber Begrifflichkeiten wie ‚cis‘ oder selbstgewählten Pronomen. Zudem wird häufig eine neo-liberale trans* Agenda vermutet, die wiederum lesbischen Frauen einrede, sie seien trans* Männer – „transing the gay away“, wie Bev Jackson behauptet, Mitgründerin des transfeindlichen Interessensverbands LGB Alliance dem auch Kathleen Stock angehört.4Dixon, Hayley: Tavistock clinic ‘putting young gay people at risk by treating them as trans’. in: The Telegraph, 12.09.2022, … Mehr anzeigen
Der Konflikt um Kathleen Stock, die sich in ihrem Lehrstuhl an der University of Sussex vor Beginn des Konflikts mit fiktionalem Erzählen und Imagination sowie Kunst- und Musiktheorie in der Philosophie beschäftigte, entzündet sich 2018 über mehrere Streitschriften und Essays, die Stock auf verschiedenen Blogs anlässlich der geplanten Reformierung des Gender Recognition Acts veröffentlichte – eine Gesetzesreform, die es trans* Personen in Großbritannien erleichtern sollte, ihre geschlechtliche Identität zu ändern, ohne demütigende medizinische oder psychologische Atteste vorlegen zu müssen.
In einem Essay auf der US-amerikanischen Publishing-Platform Medium umschifft sie Begriffe wie ‚cis‘ oder ‚afab‘ indem sie cis-Frauen umständlich „women-who-are-not-transwomen“ nennt und als „WNT“ abkürzt. Dies ist keine harmlose sprachliche Spielerei, sondern folgt einer rhetorischen Strategie, die Cis-Geschlechtlichkeit als gesellschaftliche Norm bewahren will, indem sie nie explizit benannt wird.
Sprache ist ein subtil agierendes, aber effektives Mittel, um bestehende Unterdrückungs- und Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten: In einer heterosexistischen, weiß dominierten Gesellschaft wird eine Person so lange als cis-männlich, hetero, weiß, able-bodied usw. imaginiert, bis sie sprachlich als trans*, queer, of Colour oder be_hindert markiert und kategorisiert wird. Sprache kann Macht- und Unterdrückungsstrukturen jedoch auch sehr wirksam demaskieren und destabilisieren, indem sie vermeintliche Normen untersucht und ebenfalls mit Begriffen – wie beispielsweise ‚cis‘ – beschreibt. Dass Kathleen Stock in ihrem Essay das seit den 90er-Jahren in der westlichen Sexualwissenschaft etablierte Konzept der Cis-Geschlechtlichkeit aktiv vermeidet, unterstreicht eindrücklich das progressive Potenzial, was von diesem scheinbar kleinen Wort ausgeht.
Weiter schreibt sie:
Citing the history of male violence against WNT, some have pointed out what seems perfectly reasonable — that this change in the law will allow some duplicitous or badly motivated males to “change gender” fairly easily […] in order to do harm to WNT in women-only spaces, and possibly children too, since children are often with their mothers.5Stock, Kathleen: Academic philosophy and the UK Gender Recognition Act. in: Medium, 07.05.2022, https://medium.com/@kathleenstock/academic-philosophy-and-the-uk-gender-recognition-act-6179b315b9dd … Mehr anzeigen
Im selben Jahr äußert sie sich gegenüber der britischen Lokalzeitung The Argus wie folgt: „many trans women are still males with male genitalia, many are sexually attracted to females, and they should not be in places where females undress or sleep in a completely unrestricted way“6Doherty-Cove, Jody: ‚Trans women are still males with male genitalia‘ – university lecturer airs controversial views. in: The Argus, 15.07.2018, … Mehr anzeigen. Und auch im international renommierten Magazin The Economist veröffentlicht Stock einen Text, der ein äußerst biologistisches und essentialisierendes Denken über die sozialen Geschlechterkategorien „Mann“ und „Frau“ offenbart und geschlechtliche Selbstbestimmung als Kriminalstatistiken verfälschendes Vergewaltigungs- und Drohszenario für cis-Frauen prognostiziert.7Stock, Kathleen: Changing the concept of “woman” will cause unintended harms. in The Economist, 06.07.2018, … Mehr anzeigen
Auch wenn Stock regelmäßig alle Vorwürfe der Transfeindlichkeit von sich weist, so liegt dies letztendlich ausschließlich im Ermessen der Betroffenen. Im Fall der studentischen Proteste an der University of Sussex ist es jedenfalls eindeutig. In ihrem am 6. Oktober über den Instagram-Kanal antiterfsussex veröffentlichten Mission Statement schreibt die anonyme Gruppe von queeren, trans* und non-binären Aktivist*innen:
Transphobes like Stock are anti-feminist, anti-queer and anti-intellectual, they are harmful and dangerous to trans people. […] They camouflage their transphobia in academic language, in fake feminism, in „reasonable concerns“, and then we suffer the real material consequences of it.8antiterfsussex, 06.10.2021, https://www.instagram.com/p/CUrjq01MbQ1 (letzter Aufruf 31.10.2022)
Mediale Darstellung des Konflikts über Wissenschaftsfreiheit, Cancel Culture und Diskurshoheit
Sowohl in britischen als auch in den deutschen Medien ziehen die Proteste und die nachfolgende eigenständige Kündigung Stocks große Aufmerksamkeit auf sich. So titelt die britische Boulevardzeitung The Daily Mail:
Terrorised off campus by the trans hate mob: Balaclava-clad fanatics targeted her for daring to speak up for women’s right. But here, ex-university lecturer Kathleen Stock defiantly says she WON‘T be silenced in fight for freedom of thought9Bindel, Julie: Terrorised off campus by the trans hate mob: Balaclava-clad fanatics targeted her for daring to speak up for women‘s rights. But here, ex-university lecturer Kathleen Stock defiantly … Mehr anzeigen
Minimal gemäßigter schreibt die deutsche Tageszeitung FAZ über „Cancel Culture“10Vukadinović, Vojin Saša: Chronik einer orchestrierten Verleumdung. in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.03.2021, … Mehr anzeigen und die „Schmutzkampagne gegen eine Philosophin“11Vukadinović, Vojin Saša: Schmutzkampagne gegen eine Philosophin. in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.10.2021, … Mehr anzeigen, während die taz in ihrer Berichterstattung die verspottende Wortneuschöpfung ‚Wokistan‘ nutzt12Feddersen, Jan: Antifreiheitliches Wokistan. in: taz, 01.11.2021, https://taz.de/Professorin-tritt-nach-trans-Eklat-ab/!5809038 (letzter Aufruf 30.10.2022). Die Tageszeitung Zeit spricht von „Transaktivisten [die] auf Feministinnen losgehen“13Vukadinović, Vojin Saša: Gezielte Kampagnen. in: Die Zeit, 26.11.2021, https://www.zeit.de/2021/48/kathleen-stock-wissenschaftsfreiheit-feministen-transaktivisten-philosophin (letzter Aufruf … Mehr anzeigen und sieht damit die Wissenschaftsfreiheit gefährdet. Ein Autor tritt in dem Diskurs auffällig oft in Erscheinung: Vojin Saša Vukadinović, der selbst Anfang der 2000er Jahre Gender Studies studierte und diese dann 2017 als „akademische[n] Sargnagel der Frauenemanzipation“14Vukadinović, Vojin Saša: Butler erhebt „Rassismus“-Vorwurf. in: Emma, 28.06.2017, https://www.emma.de/artikel/gender-studies-sargnaegel-des-feminismus-334569 (letzter Aufruf 30.10.2022) bezeichnete, verteidigt in seinen Texten Stocks Position äußerst vehement und unnachgiebig.
So gut wie alle Artikel, die über den Fall berichten, werden illustriert mit einem Foto von der zurückgetretenen Professorin, einer weißen Frau mit grauem Kurzhaarschnitt, mal porträtiert in ihrem Büro mit erschöpftem Lächeln oder zermürbtem Blick, mal in heroischer Perspektive von schräg unten, dann wieder mit dem Rücken zur Kamera, die dunklen Schatten einer Menschenmenge darüber retouchiert. Die Bildpolitik macht deutlich: die Angeklagte und ihre Perspektive haben das Wort.
In den Debattenbeiträgen werden die von Stock durch Aktivist*innen erfahrenen Anfeindungen wortreich thematisiert. Die Mehrheit der studentischen Aktivist*innen hatte in Form von Flyer- und Plakataktionen, Social Media Posts und Demonstrationen zwar aufsehenerregend, aber dennoch friedlich protestiert. Dennoch wird der Protest als gezielte Diffamierung, Lügenkampagne, Hass und Hetze von übersensiblen Student*innen verunglimpft, und die Argumentation des von über 600 Philosoph*innen weltweit unterzeichneten Protestbriefs15Open Letter Concerning Transphobia in Philosophy, 06.2021, https://sites.google.com/view/trans-phil-letter (letzter Aufruf 30.10.2022) weitestgehend unterschlagen. Stocks beharrliches Festhalten an längst überholten Biologismen und Binärismen wird als mutiges Hinterfragen des „Gender-Paradigmas“ überhöht.16Vukadinović, Vojin Saša: Gezielte Kampagnen. in: Die Zeit, 26.11.2021, https://www.zeit.de/2021/48/kathleen-stock-wissenschaftsfreiheit-feministen-transaktivisten-philosophin (letzter Aufruf … Mehr anzeigen Gleichzeitig bleiben ihr abwertendes und diffamierendes Verhalten gegenüber trans* Personen innerhalb und außerhalb der Universität vollständig unerwähnt, und auch dass sie „dessen Thematisierung in einer Studierendenzeitschrift zu verhindern versuchte“17Celikates, Robin; Hoppe, Katharina; Loick, Daniel; Nonhoff, Martin; von Redecker, Eva; Vogelmann, Frieder: Wissenschaftsfreiheit, die wir meinen. in: Die Zeit, 18.11.2021, … Mehr anzeigen, wie die Philosoph*innen und Sozialwissenschaftler*innen Robin Celikates, Katharina Hoppe, Daniel Loick, Martin Nonhoff, Eva von Redecker und Frieder Vogelmann in einem weiteren Zeit-Beitrag betonen. Zurecht erheben sie als Verfasser*innen einer der wenigen Gegenpositionen Einspruch gegen die Behauptung, die Wissenschafts- und Redefreiheit sei bedroht und zeigen die Doppelstandards auf, die der Argumentation zugrunde liegen:
Die Einseitigkeit in der Darstellung solcher Fälle hat Methode und ist ein echter Grund zur Sorge. Immer wieder soll die Öffentlichkeit mit ähnlichen Strategien davon überzeugt werden, dass es ausgerechnet die Etablierten sind, die bedroht würden.18Celikates, Robin; Hoppe, Katharina; Loick, Daniel; Nonhoff, Martin; von Redecker, Eva; Vogelmann, Frieder: Wissenschaftsfreiheit, die wir meinen. in: Die Zeit, 18.11.2021, … Mehr anzeigen
Wissenschaftsfreiheit sei ein reines Schlagwort, das Macht- und Gewaltverhältnisse der akademischen Welt unsichtbar machen und reaktionäre Positionen damit legitimieren soll. Ein emanzipatorisches Verständnis von Wissenschaftsfreiheit wäre demnach nötig, dass die Universität als einen Ort anerkennt, der von aus historischen Herrschaftsverhältnissen hervorgehenden Ausschlüssen und Hierarchien geprägt werde. Gute Wissenschaft könne daher nur durch Einbeziehung marginalisierter Positionen und den kontinuierlichen Abbau von Machtasymmetrien betrieben werden.19Celikates, Robin; Hoppe, Katharina; Loick, Daniel; Nonhoff, Martin; von Redecker, Eva; Vogelmann, Frieder: Wissenschaftsfreiheit, die wir meinen. in: Die Zeit, 18.11.2021, … Mehr anzeigen
Grace Laverey, Professorin in Berkeley, trans* Aktivistin und ehemalige Studentin an der University of Sussex, stellt in einem zur selben Zeit auf ihrem Blog veröffentlichten Essay klar, dass nicht die Wissenschafts- und Redefreiheit Stocks beschnitten wurde, jedoch auf beschämende Art die der Aktivist*innen.20Lavery, Grace: The UK Media Has Seriously Bungled the Kathleen Stock Story. in: www.gracelavery.org, 17.10.2021, http://www.gracelavery.org/uk-media-biased-stock-sussex (letzter Aufruf 30.10.2022) Als beispielsweise Amelia Jones, studentische Beauftragte für trans* und non-binäre Menschen an der University of Sussex, in einem Interview mit der BBC darlegt, weshalb Kathleen Stock als aktives Mitglied der transfeindlichen LGB Alliance and ihre Unterschrift unter der Women‘s Declaration of Sex-Based Rights – einem Manifest gegen trans* Rechte – eine unsichere Atmosphäre für trans* Student*innen schaffe21Thorburn, Jacob: BBC is forced to air ‚correction‘ from feminist professor Kathleen Stock after allowing students‘ union officer to ‚falsely‘ claim that she signed a ‚declaration to … Mehr anzeigen, beginnt Stock eine mediale Offensive gegen die Studentin, woraufhin diese nach Attacken durch Stocks Supporter*innen ihre Social Media Accounts schließen muss.22Lavery, Grace: The UK Media Has Seriously Bungled the Kathleen Stock Story. in: http://www.gracelavery.org, 17.10.2021, http://www.gracelavery.org/uk-media-biased-stock-sussex (letzter Aufruf … Mehr anzeigen
Und auch die Äußerungen des Vizekanzlers Adam Tickell auf dem Twitteraccount der University of Sussex stellen in der Tat eine Verletzung der Rechte der Studierenden auf akademische Freiheit dar, indem mit der Einleitung von Untersuchungen und Konsequenzen für diejenigen gedroht wird, die Argumente für die Suspendierung von Kathleen Stock veröffentlichen, d. h. Plakate aufhängen. Während Kathleen Stock also in zahlreichen Medien und von der Universitätsleitung, inbesondere vom Vizekanzler Adam Tickell, kontinuierlich Rückendeckung erhält und sich äußern darf, werden die Position und Argumente der Aktivist*innen in der medialen Darstellung mundtot gemacht.
Die Art der Berichterstattung veranschaulicht die herrschenden Machtverhältnisse in der Gender-Debatte eindeutig, und dass Kathleen Stock wenige Tage nach ihrem Rücktritt eine Lehrposition an der ‚free-speech‘ University of Austin in Texas angeboten bekommt (und annimmt)23Woolcock, Nicola: Kathleen Stock: Exiled academic joins free-speech college The University of Austin. in: The Times, 10.11.2021, … Mehr anzeigen ist nur ein weiterer Beleg für den Irrtum der Cancel-Culture-Erzählung, die behauptet, progressive Debatten würden fortlaufend zum systematischen und konsequenten Ausschluss zuvor etablierter Positionen führen. Im Gegenteil, dass die Aktivist*innen mit ihren Protesten den Rücktritt Kathleen Stocks erkämpfen konnten, ist keine Selbstverständlichkeit. Sie mussten laut, multimedial und konsequent vorgehen, um in ihren Forderungen ernstgenommen zu werden und dennoch sind sowohl die britischen als auch die deutschen Medien unweigerlich der cis-heterosexistischen Perspektive gefolgt24Steinhoff, Uwe: Was man nicht kritisieren darf. in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.11.2021, … Mehr anzeigen und haben dabei einige der extremsten und beängstigendsten Positionen in der aktuellen Debatte über die Menschenrechte von trans* Personen vertreten.
In einem abschließenden Statement schreiben die Aktivist*innen über ihren Teilerfolg:
We have organized as a network of autonomous actors – and it is due to our anonymity, plurality of tactics and decentralized structure that we have succeeded. Fuck the national press media who happily collaborated with the university and Stock to turn this into a debate about ‘free speech’ and ‘academic freedoms’. […] For those reaching out to this account, we will not speak to the press because we will never debate, discuss or organize on the terms of the people who have enabled discrimination and transphobia. […] But the struggle isn’t over. Institutional transphobia lives on, it runs deeper than Stock or Tickell or Sussex or any university. Trans liberation is possible in our lifetimes but we must stand strong together in the face of structures that support eliminationists and bigots.25antiterfsussex: ANTI-STOCK ACTION 2021, 28.10.2021, https://www.instagram.com/p/CVlRyn3gcrs (letzter Aufruf 31.10.2022)
TERF Ästhetiken und deren Nähe zu neurechten Erzählweisen
Die zutiefst transmisogyne Behauptung, trans* Frauen sind und bleiben ‚biologische Männer‘ ist nicht neu. Sie wird unterfüttert von einem veralteten, aber weitverbreiteten biologistischen Binärismus, der die Menschheit in zwei Gruppen unterteilt: die XX-Gruppe und die XY-Gruppe, und alle diejenigen die diesen Binärismus stören pathologisiert. Jeder Debatte, die über die vorausgehenden Bedingungen dieser Einteilung sprechen möchte und somit ihre Objektivität infrage stellt, wird wiederum, in dem Versuch diese zu delegitimieren, subjektive (d. h. ‚unwissenschaftliche‘) Betroffenheit vorgeworfen.
Die Filmtheoretikerin und Literaturwissenschaftlerin Teresa de Lauretis ist eine der etlichen Vertreter*innen der Gender und Queer Studies, die seit Jahrzehnten gegen diesen Vorwurf anschreiben. Sie versteht die kulturelle Hervorbringung von Geschlecht im Sinne von Michel Foucault als ‚Technologie des Sexes‘, das „ein Produkt verschiedener sozialer Technologien wie Kino und institutionalisierter Diskurse, Erkenntnistheorien, kritischer Praxisformen und auch von Alltagspraxis ist“26de Lauretis, Teresa: Die Technologie des Geschlechts. In: Kathrin Peters (Hg.), Andrea Seier (Hg.), Gender & Medien-Reader, S. 459. (letzter Aufruf 31.10.2022). Mit anderen Worten: Technologie setzt sich aus vielfältigen Praktiken/Diskursen (Popkultur, Gesetze, Polizei, Kunst, mediale Diskurse, Wissenschaft) zusammen, die kontinuierlich Konzepte wie ‚sex‘ und ‚gender‘ (re-)produzieren.
Tatsächlich ist die trans- und queerfeindliche Trope des Serienmörders oder Sexualstraftäters in Frauenkleidung in vielfacher Ausführung in der Popkultur zu finden, wie beispielsweise in den preisgekrönten und millionenfach rezipierten Kinofilmen Psycho von 1960, in dem der Serienmörder glaubt, seine eifersüchtige verstorbene Mutter hätte von ihm Besitz ergriffen, und daher die Frauen, die er begehrt in Frauenkleidern und Perücke ermordet, oder Das Schweigen der Lämmer von 1991, in dem ein Mann Frauen entführt, sie ermordet und ihnen die Haut abzieht, um sich daraus ein Kleid zu nähen, aus dem Wunsch heraus, eine Frau zu sein. Diese transmisogynen Erzählungen sind ein direktes Produkt der Misogynie des Patriarchats, das selbstbestimmt handelnde Frauen inherent dämonisiert und dementsprechend Männer, die ihre Weiblichkeit explorieren für wahnsinnig und monströs erklärt.
Nicht nur TERFs greifen in ihren Argumentationen diese durch Popkultur verstärkten, gewaltvollen Erzählungen auf, sondern auch in rechten und neurechten Kreisen ist eine explizit transfeindliche und antifeministische Überzeugung mittlerweile zu einem Grundpfeiler neo-faschistischer Ideologie geworden. Sascha Krahnke, der bei der Amadeu Antonio Stiftung zu Rechtsextremismus forscht, beschreibt, wie sich rechtsextreme und transfeindliche Desinformationskampagnen annähern: „Seit ein paar Jahren oder verstärkt dieses Jahr [sehen wir] die starke Fokussierung auf das Thema Trans. Und vor allen Dingen als Transfrauen oder Transweibliche Personen als Feindbild, als Bedrohung.”27Kogel, Dennis: Genzmer, Jenny: Die Anfeindungen nehmen zu. in: Deutschlandfunk Kultur, 16.07.2022, https://www.deutschlandfunkkultur.de/transpersonen-desinformationen-100.html (letzter Aufruf … Mehr anzeigen
Desinformation ist jedoch nur ein Beispiel für Taktiken und Rhetoriken von TERFs, die zu denen (neu-)rechter Bewegungen erschreckend ähnlich sind. Auch die Vereinnahmung von ursprünglich Linken Begriffen und Thesen gehört dazu: Bezeichnungen wie Cancel Culture und woke/wokeness/Wokistan, deren Wortursprünge aus queeren und/oder Schwarzen (Internet-)Communities stammt, sind ähnlich wie das Konzept der Political Correctness mittlerweile rechtskonservative Kampfbegriffe. Die Vereinnahmung, Verzerrung und Verkehrung von Linken Bildern, Begriffen und Narrativen ist bei der Identitären Bewegung unter dem Namen ‚Metapolitik‘ bekannt28https://www.identitaere-bewegung.de/faq/was-ist-unter-dem-begriff-metapolitik-zu-verstehen (letzter Aufruf 04.12.2022), eine politische Strategie die groteskerweise vom italienischen Marxisten Antonio Gramsci geprägt wurde.
Das letzte Beispiel führt uns wieder zurück zu Kathleen Stock: ähnlich wie in neurechten Ideologien, lässt sich auch in diesem Fall die Erzählung des*der Held*in/Märtyrer*in wiederfinden, die sich traut, gegen die angeblich diskursdominierende Gender-Ideologie ihre Stimme zu erheben. So lautet der Slogan, der deutschen TERF-Zeitschrift Emma „Bleibt mutig!“, eine Zeitschrift, die Kathleen Stock in einem langen Artikel verteidigte29Louis, Chantal: Kathleen Stock: Realität & Ideologie. in: Emma, 23.02.2022, https://www.emma.de/artikel/realitaet-wiegt-schwerer-als-ideologie-339251 (letzter Aufruf 31.10.2022), wenige Wochen nachdem sie die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer nicht nur implizit als Mann in Frauenkleidern bezeichnete30Ganserer: Die Quotenfrau. in: Emma, 19.02.2022, https://www.emma.de/artikel/markus-ganserer-die-quotenfrau-339185 (letzter Aufruf 31.10.2022). Und die mit pathetischer Musik unterlegte Erzählstimme im Werbevideo für die sogenannten ‚Forbidden Courses‘, einer Art Summer School der University of Austin, Texas, an der Stock nun unterrichtet, schwärmt vom Konzept der Hochschule: „willing to take intellectual risk will attract the intellectual risk takers and those of course are the intellectual innovators“31https://www.uaustin.org/forbidden-courses (letzter Aufruf 31.10.2022). Gleichzeitig fliehen seit dem erstarken der religiösen Rechten in den USA immer mehr trans* Menschen aus Texas, aus Angst, ihre Menschenrechte zu verlieren.32Kogel, Dennis: Genzmer, Jenny: Die Anfeindungen nehmen zu. in: Deutschlandfunk Kultur, 16.07.2022, https://www.deutschlandfunkkultur.de/transpersonen-desinformationen-100.html (letzter Aufruf … Mehr anzeigen
Der Kreis scheint sich zu schließen bei der Fülle an Hinweisen auf Personen aus neonazistischen Netzwerken unter den Unterstützer*innen der LGB Alliance, der Kathleen Stock angehört.33Parsons, Vic: Neo-Nazis and homophobes are among the supporters of the ‘anti-trans’ group LGB Alliance. in: PinkNews, … Mehr anzeigen Das Statement auf deren Website, „a religious person who is struggling with their sexuality [should] be allowed to seek guidance or counselling from their faith group or religious leaders“34https://lgballiance.org.uk/end-conversion-therapy (letzter Aufruf 31.10.2022) – Konversionstherapie light sozusagen –, und die engen Verbindungen vieler Mitglieder zu konservativen und religiösen Gruppen wie die Heritage Foundation, die Alliance Defending Freedom oder das Centre for Bioethics and Culture haben35Lavery, Grace: The UK Media Has Seriously Bungled the Kathleen Stock Story. in: www.gracelavery.org, 17.10.2021, http://www.gracelavery.org/uk-media-biased-stock-sussex (letzter Aufruf 30.10.2022), überrascht schlussendlich auch nicht mehr.
Beim Nachverfolgen der Debatte wird klar: Transfeindlichkeit, und insbesondere Transmisogynie ist, genau wie Rassismus oder Antisemitismus, fester Bestandteil westlicher Gesellschaften, den sich seit einiger Zeit politische Gruppen von Rechts zu Nutze machen, um ihre faschistischen Ideologien zu stärken und gesellschaftsfähig zu machen. Dieses Vorgehen ist kalkuliert und äußerst effektiv und kann nur durch die Sichtbarmachung ebenjener strukturellen Diskriminierungen in westlichen Gesellschaften und die daran anschließende konsequente, machtkritische Aufarbeitung dieser Strukturen unterbrochen werden. Oder um es praxisbezogener mit Grace Laverys Worten zu sagen:
Sussex University needs to start acting like a University again. Adam Tickell, who misunderstands academic freedom and who issues vague threats against student protestors, needs to lose his job. […] And the British media needs to grow a spine, swallow its pride, and hire a bunch of trans editors, any of whom could have seen this coming a mile off.36Lavery, Grace: The UK Media Has Seriously Bungled the Kathleen Stock Story. in: www.gracelavery.org, 17.10.2021, http://www.gracelavery.org/uk-media-biased-stock-sussex (letzter Aufruf 30.10.2022)
Smythe, Viv: An apology and a promise. in: Finally, A Feminism 101 Blog, 19.08.2008, https://finallyfeminism101.wordpress.com/2008/08/19/an-apology-and-a-promise (letzter Aufruf 30.10.2022)
Williams, Cristan: TERF: What It Means And Where It Came From. in: The Trans Advocate, 03.2014, https://www.transadvocate.com/terf-what-it-means-and-where-it-came-from_n_13066.htm (letzter Aufruf 30.10.2022)
Dixon, Hayley: Tavistock clinic ‘putting young gay people at risk by treating them as trans’. in: The Telegraph, 12.09.2022, https://www.telegraph.co.uk/news/2022/09/12/nhs-clinic-transing-gay-away (letzter Aufruf 30.10.2022)
Doherty-Cove, Jody: ‚Trans women are still males with male genitalia‘ – university lecturer airs controversial views. in: The Argus, 15.07.2018, https://www.theargus.co.uk/news/16334391.trans-women-still-males-male-genitalia—university-lecturer-airs-controversial-views (letzter Aufruf 30.10.2022)
Stock, Kathleen: Changing the concept of “woman” will cause unintended harms. in The Economist, 06.07.2018, https://www.economist.com/open-future/2018/07/06/changing-the-concept-of-woman-will-cause-unintended-harms (letzter Aufruf 30.10.2022)
Bindel, Julie: Terrorised off campus by the trans hate mob: Balaclava-clad fanatics targeted her for daring to speak up for women‘s rights. But here, ex-university lecturer Kathleen Stock defiantly says she WON‘T be silenced in fight for freedom of thought. in: The Daily Mail, 03.11.2021, https://www.dailymail.co.uk/news/article-10163007/Ex-university-lecturer-Kathleen-Stock-says-WONT-silenced-fight-freedom-thought.html (letzter Aufruf 30.10.2022)
Lavery, Grace: The UK Media Has Seriously Bungled the Kathleen Stock Story. in: www.gracelavery.org, 17.10.2021, http://www.gracelavery.org/uk-media-biased-stock-sussex (letzter Aufruf 30.10.2022)
Thorburn, Jacob: BBC is forced to air ‚correction‘ from feminist professor Kathleen Stock after allowing students‘ union officer to ‚falsely‘ claim that she signed a ‚declaration to eliminate trans people in law‘ during live broadcast. in: MailOnline, 15.10.2021, https://www.dailymail.co.uk/news/article-10095721/BBC-apologises-student-union-rep-says-professor-supports-elimination-trans-people-law.html#v-642147033211617435 (letzter Aufruf 30.10.2022)
Lavery, Grace: The UK Media Has Seriously Bungled the Kathleen Stock Story. in: http://www.gracelavery.org, 17.10.2021, http://www.gracelavery.org/uk-media-biased-stock-sussex (letzter Aufruf 30.10.2022)
Woolcock, Nicola: Kathleen Stock: Exiled academic joins free-speech college The University of Austin. in: The Times, 10.11.2021, https://www.thetimes.co.uk/article/kathleen-stock-exiled-academic-joins-free-speech-college-the-university-of-austin-kdrf883sj (letzter Aufruf 30.10.2022)
de Lauretis, Teresa: Die Technologie des Geschlechts. In: Kathrin Peters (Hg.), Andrea Seier (Hg.), Gender & Medien-Reader, S. 459. (letzter Aufruf 31.10.2022)
Parsons, Vic: Neo-Nazis and homophobes are among the supporters of the ‘anti-trans’ group LGB Alliance. in: PinkNews, 03.04.2022https://www.pinknews.co.uk/2020/04/03/lgb-alliance-neo-nazi-homophobia-spinster-death-head-charity-commission/ (letzter Aufruf 31.10.2022)
Robinet, Jayrôme (2022): Blume ohne Stiel. In: Erb, Andreas / Hamann, Christof (Hg.): die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik Nr. 285: furchtlos schreiben. Das Politische in der Literatur 2. Göttingen: Wallstein, S. 204-208.
In dieser Folge spricht Katharina Lüdin anlässlich der bundesweiten Wissenschaftswoche #4GenderStudies 2022 mit Jayrôme C. Robinet, Autor, Übersetzer, Spoken Word Künstler und ehemaliger Kollegiat des DFG-Graduiertenkollegs „das Wissen der Künste“ der UdK Berlin über sein Promotionsprojekt Ästhetiken und Politiken von trans und nicht binärem Spoken Word, über transformatives Potenzial und das Spannungsfeld zwischen geschriebener und gesprochener Sprache.
In dieser Folge erwähnt: Julia Serano: Spoken Word Performance „TransForming Community“, 2005 (abgerufen am 18.12.2022) Gin Müller: Lachen, das körperliche Erschütterung erzeugt. In: Maske und Kothurn, für Monika Meister, Internationale Beiträge zur Theater-, Film- und Medienwissenschaft, hrsg. v. Klemens Gruber, Rainer M. Köppel, H. 3-4, Wien: Böhlau 2016, S. 108 – 113. #4GenderStudies: (2) Schreiben der Körper – Ein Gespräch mit Annika Haas Jacques Derrida: Grammatologie. Frankfurt / Main: Suhrkamp 1974 Jayrôme C. Robinet: Liebe cis Leute. In: Das Licht ist weder gerecht noch ungerecht. Berlin: w_orten & meer 2015, S. 30-34.
Katharina Lüdin ist Mitglied der AG Critical Diversity, ehemalige Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Gestaltung und studiert Kunst und Medien an der UdK Berlin.
Quelle: Hélène Cixous: Portrait of Jacques Derrida As A Young Jewish Saint, New York 2004
Anlässlich der bundesweiten Wissenschaftswoche #4GenderStudies vom 12. – 18. Dezember 2022 hat Katharina Lüdin in dieser Folge mit Annika Haas, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Theorie der Gestaltung an der Universität der Künste Berlin, über ihre Dissertation „Avant-Theorie – Hélène Cixous‘ écriture du corps“ und über Situiertheit des Schreibens gesprochen.
In dieser Folge erwähnt: Gramlich, Naomie; Haas, Annika: Situiertes Schreiben mit Haraway, Cixous und Grauen Quellen. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft. Heft 20: Was uns angeht, Jg. 11 (2019). Annika Haas‘ Dissertation Avant-Theorie – Hélène Cixous‘ écriture du corps Hélène Cixous: Das Lachen der Medusa. Zusammen mit aktuellen Beiträgen, hrsg. v. Esther Hutfless, Gertrude Postl, Elisabeth Schäfer, übers. v. Claudia Simma, Dt. Erstausg., Wien 2013, S. 39-61
Katharina Lüdin ist Mitglied der AG Critical Diversity, ehemalige Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Gestaltung und studiert Kunst und Medien an der UdK Berlin.
For the English version change language selection.
اکثر کشورهای خاورمیانه دارای نوعی از رژیم های استبدادی هستند که در بهترین حالت با زنان به عنوان جنس دوم رفتار کرده و حقوق اولیه آنها را زیر پا می گذارند. روایت کلان آنها از قدرت بر پایه ارزش های مردسالارانه و مذهبی تعریف شده است. در چنین حکومت هایی، نادیده گرفتن حقوق زنان و دگرباشان جنسی و همچنین تحقیر آنها بدل به امری عادی شده است. عموماً رژیم هایی که „دیگری زنانه“ را تهدیدی علیه هژمونی مردانه می بینند، به شکل قبیله ای، غیر تکثرگرا و دیکتاتوری جوامع خود را اداره و کنترل می کنند.
زنان، دگرباشان جنسی، طرفداران محیط زیست، حامیان خلع سلاح هسته ای و غیره، از سوی حکومت های توتالیتر و متحجر در خاورمیانه از جمله ایران، یک تهدید محسوب می شوند. بر اساس قوانین رژیم های خودکامه، این گروه ها اقلیت هایی هستند که مدام علیه ارزش های تعریف شده حکومت می جنگند. از سوی دیگر، ظهور احزاب افراطی و بنیادگرا در کشورهای دموکراتیک، باعث بیگانه هراسی، نژاد پرستی، ملی گرایی و مهاجر ستیزی شده که این مهم یک تهدید جدی برای حیات دموکراسی قلمداد می شود. در چنین شرایطی، فعالان حقوق زنان و دگرباشان جنسی می توانند با حمایت از خیزش زنان در کشورهایی دارای حکومت های دیکتاتوری مانند ایران، از مفهوم دموکراسی به معنای کلی آن دفاع کنند.
در خاورمیانه، جمهوری اسلامی ایران، یکی از محافظه کارترین رژیم های تمامیت خواه محسوب می شود. این رژیم همواره در برخورد با جنبش های اجتماعی به شکل متخاصم، خشن و متجاوزانه عمل کرده است. حکومت ایران برای حفظ نظم سیاسی- اجتماعی خود همواره تقابل و طرد „دیگری“ را در دستور کار قرار داده است. در شرایط کنونی ایران، زنانگی، عاملی قدرتمند و تهدیده کننده علیه نظم جعلی جمهوری اسلامی است که اساساً با درک مفاهیمی همچون عدالت، برابری و آزادی غریبه است. حکومت اسلامی ایران در طول چهل و سه سال حاکمیت خود، همواره حقوق بشر را به طرق مختلف نقض کرده است. این رژیم، اقلیت های جنسی، مذهبی، سیاسی و سایر گروه های مخالف را تحقیر کرده و به شکل مداوم فعالان زن را بدون توجه به اصل کثرت گرایی اجتماعی- سیاسی، سرکوب و بازداشت کرده است. رژیم اسلامی در مقاطع مختلف، با امواجی گسترده از نارضایتی مردم روبرو شده است. اعتراضات ملی ایران در دهه اخیر بیشتر ناشی از افزایش شکاف طبقاتی، فساد سیستماتیک دولتی، نقض مکرر حقوق بشر و فشارهای کشورهای خارجی بوده است. بر اساس گزارش مجمع جهانی اقتصاد در سال 2009 میلادی، ایران از نظر تبعیض جنسیتی، از میان 134 کشور، در رتبه 128 قرار گرفت.1https://www3.weforum.org/docs/WEF_GenderGap_Report_2009.pdf
زمزمه های اجباری شدن حجاب از اولین روزهای پس از پیروزی انقلاب اسلامی در سال 1357 خورشیدی شنیده می شد تا اینکه در سال 1362 توسط مجلس شورای اسلامی به شکل قانون تصویب شد. طبق قانون مجازات اسلامی، زنی که حدود شرعی حجاب را رعایت نکند، به 70 ضربه شلاق یا 60 روز حبس محکوم می شود.
مرگ ژینا (مهسا) امینی در 25 شهریورماه 1401 خورشیدی، بار دیگر باعث توجه جهانیان به موضوع زنان در ایران شد. قتل مهسا به وسیله گشت ارشاد تهران (پلیس اخلاقی) به دلیل رعایت نکردن حجاب طبق قوانین معیار، باعث اعتراضات بسیار گسترده ای در ایران و سایر کشورهای جهان شد. نام مهسا امینی، میلیون ها بار در شبکه های اجتماعی تکرار شد و در دو ماه گذشته هشتگ MahsaAmini# رکورد بیشترین اشتراک گذاری در توئیتر را شکست.2https://globalvoices.org/2022/10/13/the-world-must-hear-the-voice-of-iranian-women
اعتراضات زنان در ایران در نتیجه ظهور مهسا به عنوان یک „دیگری“ نمادین علیه رژیم اسلامی، فُرم های نوین و خلاقانه ای به خود گرفت. بر اساس نظریه باتلر، اعتراضات زنان در ایران را می توان اجرایی دانست چرا که آنها مشروعیت رژیم را از طریق ظاهرسازی بدن های خود در فضاهای عمومی و تکرار ژست ها حتی به صورت دیجیتال زیر سئوال می برند. بدن هایی که در حال مبارزه در برابر خشونت و احیای حق خود برای (ادامه وجود) هستند.3نگاه کنید به کتاب جودیت باتلر: یادداشت هایی درباره نظریه اجرایی اجتماع. کمبریج، اِم اِی، انتشارات دانشگاه … Mehr anzeigen در اینجا و به اختصار، به بررسی چند نمونه از فُرم های اجرایی اعتراضات زنان در تظاهرات اخیر می پردازیم:
آتش زدن روسری و ایجاد کمپین روسری سوزان در اعتراض به حجاب اجباری. این فُرم اعتراض از تجمعی در شهر ساری4 این اعتراض علیه حجاب اجباری در تاریخ 29 شهریورماه 1401 خورشیدی و با دعوت فعالان زن در شمال ایران ، واقع در شمال ایران سرچشمه گرفت و سپس در بسیاری از شهرهای دیگر تسری پیدا کرد. (https://www.youtube.com/watch?v=spSTw-zs-AA)
بر اساس یکی از رسوم کهن ایرانیان باستان و برخی ملل دیگر، کندن یا کوتاه کردن مو (گیسو بُران)، نشانه ای برای ابراز غم و ناراحتی است. پس از انقلاب اسلامی در ایران، این رسم به فراموشی سپرده شده بود اما پس از قتل مهسا، این کنش بدل به فُرمی اجرایی و نمایشی جهت اظهار انزجار، خشم و ناراحتی توسط زنان و مردان شد. (https://www.youtube.com/watch?v=_zNngyPYK2w)
تکرار شعار زن، زندگی، آزادی(ژن، ژیان، ئازادی). این شعار ریشه در ژینولوژی5ژینولوژی (کُردی: (Jineolojî شکلی از فمنیسم و برابری جنسیتی است که توسط حزب کارگران کردستان (PKK) و چتر گسترده اتحادیه … Mehr anzeigen داشته و گفته می شود که توسط عبدالله اوجالان، رهبر حزب کارگران کردستان (پ.ک.ک) ابداع شده است. این شعار نشان دهنده فعالیت های سیاسی زنان کُرد در سال 2000 میلادی است. (https://tinyurl.com/ms7fy822)
انتشار ویدئوی دختری ناشناس که اقدام به بستن موهایش جهت رویارویی با مأموران امنیتی می کند، بدل به یکی دیگر از نمادهای اعتراضات شد. در فرهنگ ایرانی، بستن مو نشانه ای برای آماده شدن زنان جهت انجام اقدامی مهم تعبیر می شود. تعداد زیادی از جوانان با تکرار این کنش و اشتراک گذاری ویدئوی آن در شبکه های اجتماعی، آمادگی خود برای مقابله با نیروهای سرکوبگر را اعلام کردند. (https://tinyurl.com/2p9xupzm)
بوق زدن ممتد اتومبیل ها در خیابان ها و بزرگراه ها، یکی دیگر از نمادهای اعتراضات امسال است. اتومبیل ها با بوق زدن، با صدای معترضین در خیابان ها همراهی می کنند. (https://tinyurl.com/44a4nae6)
در اکثر دانشگاه های ایران، رد دست های خونی بر در و دیوار کلاس ها، نشانه ای از اعتراض علیه جنایت های رژیم در برخورد با دانشجویان و برخی اساتید است. (https://tinyurl.com/53uyhhu5)
بسیاری از بازیکنان در رویدادهای ملی و بین المللی ورزشی، از خواندن سرود جمهوری اسلامی سر باز زده و با بازوبند یا مچ بند مشکی در مسابقات حاضر می شوند. در جام جهانی فوتبال 2022، قطر که به دلیل نقض مکرر حقوق بشر و به رسمیت نشناختن اقلیت های جنسی مورد انتقاد گسترده قرار گرفته، در اقدامی هماهنگ با حکومت ایران، از ورود ایرانیان معترض به داخل ورزشگاه ها جلوگیری کرد. لازم به ذکر است که بازیکنان تیم ملی فوتبال ایران قبل از اولین مسابقه خود برابر انگلیس، سرود جمهوری اسلامی را نخواندند. (https://www.cbsnews.com/news/iran-national-anthem-world-cup-england)
روز به روز، فُرم های اعتراضات متنوع تر شده و افراد بیشتری از بخش های مختلف جامعه را تحت تأثیر قرار می دهد. شکی نیست که اعتراضات جاری در ایران، بزرگترین، یکپارچه ترین و گسترده ترین اعتراضات بعد از انقلاب اسلامی است. اعتراض زنان به حجاب اجباری می تواند باعث آزادی جامعه ایران، سقوط رژیم اسلامی و در نهایت آزادی تمام زنان، دگرباشان جنسی و سایر اقلیت ها شود. وظیفه ما به عنوان مدافعین حقوق زنان و اقلیت های جنسی به عنوان ارکانی از حقوق بشر، حمایت از تمام زنان، مردان و هر فردی از هر جنسیتی در خیابان های ایران است که فریاد می زنند: زن، زندگی، آزادی.
_ دکتر حامد سلیمان زاده، منتقد و فیلسوف فیلم است که هم اکنون به عنوان پژوهشگر تحت حمایت بنیاد انیشتین آلمان در دانشگاه هنرهای برلین (UdK) فعالیت می کند.
ژینولوژی (کُردی: (Jineolojî شکلی از فمنیسم و برابری جنسیتی است که توسط حزب کارگران کردستان (PKK) و چتر گسترده اتحادیه جوامع کردستان (KCK) حمایت می شود.
Gender is performance. But how does it perform? On the occasion of the Medienhaus Lectures 2021 at Berlin University of the Arts, Paris based writer and researcher Claire Finch re-visited the queer-feminist notion of gender’s performativity. We publish the lecture together with an introduction by Annika Haas, who co-organised the two-day conference together with Henrike Uthe.
Claire Finch is a writer and researcher whose work samples queer and feminist theories as a way to intervene in narrative. Their recent projects include „I Lie on the Floor“ (After 8 Books, 2021), „Lettres aux jeunes poétesses“ (L’Arche 2021), „Kathy Acker 1971-1975“ (Editions Ismael, 2019) and their translation into French of Lisa Robertson’s „Debbie: An Epic“ (with sabrina soyer, Debbie: une épopée, Joca Seria, 2021).
Introduction by Annika Haas
Regarding the notion of performing gender, Claire Finch intervened into a common misunderstanding of the concept coined by Judith Butler right in the beginning of their lecture stating that “it’s not about acting, but more about interrupting the idea of what it means to be an actor, to be a self, to have a body […]”. In turn, even what has been called the “assigned sex” presented itself as “the residue, the result of citing re-citing gender gender gender as the body gets all solid in repetition”. Tackling this issue, Finch’s contribution to the conference motto “Performance? Performance. Performance!” was an exercise in stretching, bending, loosening and cross-cutting the identities that form and solidify in bodies and “the residue of sex and language” respectively. This exercise is physical, emotional, sensational and text-based, all at once. Finch proposes to utilize strategies like plagiarism, body functions like vomiting, technologies like sex toys, and last but not least language for what they broadly understand as “textual intervention” into the livid residue of our bodies and in order to cross-cut their identities.
In this way, seemingly separate spheres and practices in themselves – e. g. writing and using sex toys – creatively begin to inform each other. Considering for example, as Finch remarked, that “[y]ou can attach a sextoy to any part of the body and transform that part of the body into a sexual surface” not only decenters sex and the gendered body. It also inspires textual strategies: “What happens when we think of the sextoy as a textual graft, if we perform the same decentering and reorganizing operations on form, as we do on the body?”
Making these connections by translating and transposing concepts and practices from one medium and form into another and thus allowing for mutual interventions – e. g. of the body or the sex toy into the text and vice versa – is what drives their practice, as Finch underlined in the discussion that followed the lecture and that left the audience with an inspiring task: To develop further dissident strategies with their bodies and tools of their choice in order to practically do these things that we say we want to do in theory.
Annika Haas is a media theorist and works as a research associate at the Institute for History and Theory of Design of Berlin University of the Arts (UdK). She completed her PhD on Hélène Cixous’s philosophy and embodied writing practice. Annika’s practice at the intersection of art and theory includes art criticism and experimental publishing.
In Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Migrationsgeschichte fertigte die Künstlerin Ana Tomic eine Serie von zehn Pastellkreide-Zeichnungen an, die jeweils eine Zeile ihres Gedichts „The Lonesome Crowded West” illustrieren. Der Titel ist vom gleichnamigen Album der us-amerikanischen Band Modest Mouse aus dem Jahr 1997 übernommen. In das Gedicht und die Zeichnungen sind dabei ihre Erfahrungen als Teenager und erwachsene Frau, Zitate des Vaters, Darstellungen von Luxus und Erfolg in sozialen Medien, sowie Referenzen auf kanonische Maler wie Caravaggio und Kandinsky eingewoben. Dabei entsteht an manchen Punkten eine interessante Spannung zwischen den autobiografischen Anteilen der Arbeit und den Zitaten aus Kunstgeschichte und Popkultur, an anderer Stelle sind sie wiederum deckungsgleich.Ana Tomic thematisiert in dieser eindrucksvollen Arbeit internalisierte Vorurteile über die eigene Herkunft sowie idealisierte Vorstellungen über die westliche Welt.
Die Arbeit entstand im Rahmen des Seminars Feministische dekoloniale Gesten und Ästhetik, organisiert und durchgeführt von Pary El-Qalqili im Wintersemester 2021/2022 an der UdK Berlin.
Fatima El-Tayeb is an author and Professor of Ethnicity, Race & Migration, and Women’s, Gender, and Sexuality Studies at Yale University in Connecticut, USA. Her work deconstructs structural racism and centers strategies of resistance among racialized communities, especially those that politicize culture through an intersectional, queer practice. Her current research projects explore the intersecting legacies of colonialism, fascism, and socialism in Europe and the potential of alliances of (queer) people of color in decolonizing Europe. She is active in black feminist, migrant, and queer of color organizations in Europe and the US.
In this episode, El-Tayeb speaks about the construction of Otherness and discrimination of migrants, refugees, and racialized people in Europe, the (im)possibility of a post-migrant society and university, and other questions relating to migration within the academic context and beyond.
Sickness Affinity Group (SAG) is a group of art workers and activists who work on the topic of sickness and disability and/or are affected by sickness and disability. Rowan de Freitas, an artist studying at the Institute for Art in Context, had a conversation with Laura Lulika of SAG about art production, sickness, and disability as well as institutional barriers and support. The conversation took place in the seminar “Critical Diversity – Projects and Productions” at the Institut für Kunst im Kontext.
Production: Nina Berfelde, Rowan de Freitas, Jisu Jong and Svenja Schulte, Art in Context.
Einer Person of Colour begegnen ein Leben lang weiße Menschen, die auf unterschiedliche Weise über das Thema Rassismus reden wollen. Eine Form, die mir besonders häufig begegnet und durch ihre tückische Beiläufigkeit auffällt, ist eine männlich kodierte Position des Bescheidwissens oder des Mansplainings: genauer die des weißen Mannes, der gerne Advocatus Diaboli, den Anwalt des Teufels, spielt.
Die Erfahrungen und die Lebensrealität von Betroffenen werden von ihm als rein theoretisches Gedankenexperiment behandelt – denn diese Probleme sind für den Außenstehenden nur theoretisch, nicht realistisch erfassbar. Es macht ihm Spaß, über die Rechte und Existenzen von PoC zu diskutieren: „Lasst uns darüber sprechen, warum euer Existenzkampf diskutabel ist.“ Die tatsächlichen Probleme sind für ihn wie ein Spielball, denn sie betreffen ihn nicht. Er kann es sich leisten, sich munter über Definitionen von Rassismus zu äußern, denn er erfährt die Müdigkeit, die emotionale Arbeit, das Trauma und die Diskriminierung hinter dem Begriff nicht am eigenen Leib.
Rassismus-Debatten werden von ihm aufgegriffen, um die eigene vermeintlich kosmopolitische Fortschrittlichkeit und Belesenheit zur Schau zu stellen. Vielleicht auch, weil er einem „aktuellen Trend“ folgen will. Ohne Bedenken übergeht er die Lebensrealitäten von PoC sowie die gewählten Mittel, mit denen Betroffene ihre Erfahrungen kommunizieren. Aus purer (Schaden-)Freude an der Diskussion wird eine problematische Aussage in den Raum geworfen, nur um sich anschließend unter dem schützenden Mantel von „Zu einer Diskussion gehören auch Gegenmeinungen“, „Das darf man ja wohl noch sagen dürfen!“ und „Meinungsfreiheit“ zu verstecken. Unter diesem Deckmantel liegt die Tücke des Phänomens: Betroffene erkennen den Typus nicht immer sofort, doch lesen die Situation als äußerst unangenehm. Womöglich realisiert man nicht richtig, wieso man sich so herabgewürdigt fühlt. Es ist doch nur eine wissenschaftliche Debatte, alles komplett objektiv – oder?
Dass der Außenstehende am Ende ausweicht, in passiv-aggressive Defensivhaltung verfällt und seine problematischen Aussagen als rein hypothetische oder gar wissenschaftliches Gedankenexperiment bezeichnet, gehört dabei zur gängigen Technik. Wichtig ist hierbei zu betonen, dass es ihm nie darum geht, zu lernen oder das eigene Wissen zu erweitern. Ganz im Gegenteil: Er will Dinge beim Alten belassen, denn er profitiert vom aktuellen Status Quo. Das Ziel des weißen Mannes in dieser Situation ist es, seine eigene Überlegenheit und Deutungshoheit zur Schau zu stellen. Das Wichtigste ist, dass ihm weiterhin Aufmerksamkeit geschenkt wird. Insbesondere dann, wenn er ausnahmsweise einmal nicht im Zentrum steht.
Was passiert also, wenn Betroffenen wieder und wieder darauf hinweisen, dass sie von diesen Gedankenexperimenten verletzt werden? Was passiert, wenn sich zahlreiche Stimmen von PoC gegen diese demütigenden Diskussionen erheben?
Leider nur wenig. Uns wird Emotionalität, Empörung und fehlende Empirie vorgeworfen, welche im krassen Gegensatz zur Wissenschaftlichkeit und Rationalität des reinen Beobachters ständen. Wenn wir uns nicht auf eine Fortführung der Gespräche einlassen und keine kostenlose Bildungsarbeit leisten möchten – sei es aus Erschöpfung, Angst, Zeitmangel, fehlenden Ressourcen oder sonstigem Grund –, wird uns vorgeworfen, nicht offen zu sein und keine ertragreichen Diskussionen zu wollen. Die Schuld liegt nie bei demjenigen, der Erfahrungen in Frage stellt, sondern immer bei denjenigen, die sich nicht für die Evidenz ihrer traumatischen Erfahrungen rechtfertigen wollen. Das bringt mich zur Frage: Wie reden wir über und mit Betroffenen?
Ich habe diese Spielchen satt. Wer tatsächlich im Fokus stehen sollte, sind Menschen, die Rassismus erleben. Ihre Erfahrungen und Perspektiven sind viel wertvoller für unsere gesellschaftliche Entwicklung, als es eine polemische Debatte, ob diese Erfahrungen überhaupt real sind, jemals sein könnte.
Christina S. Zhu arbeitet als Illustratorin und studiert im Master an der UdK Berlin. Sie engagiert sich für intersektionale Antidiskriminierung und ist Referentin für Antidiskriminierung des Inneren im AStA, Mitglied der studentischen Initiative I.D.A. und der AG Critical Diversity.
„Das ist so kitschig, das würde sogar Erdoğan gefallen“, sagte mir ein alter weißer Mann, der an der HfG Offenbach1Die Hochschule für Gestaltung Offenbach bietet die Studiengänge Kunst und Design an und genießt mit einem aufwendigen Aufnahmeverfahren und etwa 750 Studierenden einen hervorragenden Ruf. als Professor für Markenstrategie unterrichtete. Als ich mich 2017 an deutschen Kunstuniversitäten bewarb, wurde ich mit autoritären Machtdemonstrationen, Rassismus, Sexismus und toxischer Männlichkeit konfrontiert – und stelle mir nun die Frage, inwiefern die Strukturen von Kunstuniversitäten pädagogisch verändert werden müssen, um solchen Dynamiken entgegenzuwirken.
Bevor es überhaupt losging
Um sich für den Studiengang Kunst an der HfG Offenbach zu bewerben, braucht es Zeit: Für die Bewerbungsunterlagen, ein Portfolio mit mindestens 30 Facharbeiten, die künstlerische Eignungsprüfung und mehrere Mappensichtungen im Voraus, die dringend empfohlen werden. Dort schauen sich Professor*innen der Hochschule vor anderen potentiellen Bewerber*innen die Mappen an und sollen eigentlich konstruktives Feedback geben. Bei solch einer Mappensichtung befand ich mich 2017 und wartete, bis ich dran war. Vor mir bewarben sich Menschen mit Abschlüssen von verschiedenen Kunstakademien und zeigten ihre Werke und Lebensläufe. Der zuständige Professor jedoch machte sich genüsslich über die Deutschkenntnisse von Bewerber*innen lustig, anstatt eine Einschätzung oder Kritik der Arbeiten anzubieten: Er fragte eine Südkoreanerin, wieso die Illustrationen denn nicht im Manga-Stil gestaltet wurden. „Manga passt doch so gut zu dir“, bemerkte er. Ihre Fotografiearbeit zu Rotweinsorten wurde kommentiert mit „Gibt’s bei euch in Korea überhaupt Wein?“ Einer anderen Person sagte er „Das ist ja so bedrückend wie euer China“, woraufhin diese konterte: „Ich bin aus Japan.“ Während die Arbeiten von männlich gelesenen Personen mit unkommentiertem Kopfnicken bestätigt wurden, mussten sich viele Bewerberinnen solche Sticheleien anhören.
Und nun war ich dran – meine Gefühlslage war eine unangenehme Mischung aus Nervosität und unterdrückter Wut. Bevor es überhaupt losging, fragte er mich penetrant nach meiner ‚Herkunft‘ – meine Antwort „Ich bin aus Frankfurt, gleich hier um die Ecke“ reichte natürlich nicht. Nach einer Weile gab ich nach. „Aha“ antwortete er, und während des Sichtens meiner Mappe wiederholte er dann viermal: „Das ist so langweilig, so kitschig, dass es sogar Erdoğan gefallen würde“ und schaute mich provokant an. Es war der Teil meiner Mappe, welcher nicht der ,westlichen‘ Ästhetik entsprach. „Das hat doch gar nichts mit Kunst zu tun“ sagte ich perplex. „Ja, genau deswegen“ antwortete er willkürlich.
Eine falsche Assoziation, die im Übrigen (unabhängig von der diskriminierenden Aussage) nicht einmal auf meine Familiengeschichte und Antwort zutrifft. Ich erinnere mich, dass ich trotzdem den gesamten Rückweg „nicht weinen, nicht weinen, nicht weinen“ in meinem Kopf wiederholte. Und darauf folgend: „Wieso habe ich nicht besser gekontert oder wenigstens den Anderen geholfen?“ Peinlich berührt realisierte ich, dass ich nach diesen Machtdemonstrationen keine Zivilcourage geleistet habe, weil ich einen guten Eindruck hinterlassen wollte, um an der Universität angenommen zu werden. Mein zukünftiger Studienort als auch die Bewertung meiner Arbeiten hingen davon ab, wie er mich wahrnimmt: Ich rebellierte nicht, um nicht als wütende Migrantin abgestempelt zu werden.
Diese Dynamik funktionierte, da sich der Professor als einzige Person im Raum zu den Arbeiten äußern durfte – nach anderen Meinungen wurde weder gefragt, noch waren sie erwünscht. Von seinem privilegierten Standpunkt aus spielte er mit der Unsicherheit der Bewerber*innen: Die hierarchische Situation wurde für vermeintliche Witze und unprofessionelle Bemerkungen genutzt. Welcher Ästhetikbegriff hierbei eine Rolle spielte, wurde durch das Betonen der assoziierten ‚kulturellen‘ Zugehörigkeit ebenso klar: Deine ‚Herkunft‘ bestimmt über deine Mappe, und nicht andersherum. Entweder passt du zur HfG, oder deine Arbeit ist zu ‚fremd‘ und ‚kitschig‘.
Von Zuschreibungen und Betroffenheit
Die Vorstellung, als etwas abgestempelt zu werden, oder auch Sich-Denken-Was-Der-Andere-Von-Einem-Denkt, öffnet die Büchse des internalisierten Wahnsinns. Hierbei werden nicht nur die eigenen politische Haltungen, sondern auch Emotionen unterdrückt oder hinterfragt. Das Dilemma, sich von zugeschriebenen Rollen (hier: die wütende Migrantin, die keine Abweisung verkraften kann) zu distanzieren und zugleich antidiskriminatorische Arbeit leisten zu wollen, beschreibt Sara Ahmed mit der Figur des Feminist Killjoys: Eine Spielverderberin*, die, egal wie sie spricht, als Feministin* wahrgenommen wird, die ständig Probleme verursacht. Und dadurch selbst das Problem verkörpert.2Ahmed, Sara: Living a Feminist Life, Duke Univ. Press (2017)
Am Beispiel der Mappensichtung in Offenbach – wie auch in vielen anderen Fällen – ist aber der zu beachtende Punkt, dass von Diskriminierung Betroffene nicht die Pflicht tragen, den*die Täter*in zu konfrontieren. Denn letztere haben in den Strukturen der Kunstuniversitäten die Möglichkeiten, ihre Macht und Überlegenheit zu demonstrieren – und das nutzen sie oftmals auch. So entsteht eine Wissenshierarchie, in der überwiegend westeuropäische Künste wertgeschätzt und legitimiert werden. Wenn Lehrende eine ästhetische Sprache auferlegen, reproduziert das weiterhin die bestehenden Strukturen, was bei Lernenden negative Folgen im Studienalltag auslöst. Laut Ira Shor zählen dazu Selbstzweifel, Empörung, Frustration und Langeweile: „These […] are commonly generated when an official culture and language are imposed from the top down, ignoring the students’ themes, languages, conditions, and diverse cultures.“3Shor, Ira: Empowering Education: Critical Teaching for Social Change (1992) 23
Das unbenannte Vorwissen und Verständnis einer ästhetischen Sprache formulieren sich unter anderem wie folgt: „Diesen Künstler müssten Sie aber kennen!“ Es wird angenommen und vorausgesetzt, dass Studierende ähnlich sozialisiert sind wie Lehrende, sei es eine vergleichbare Bildungssituation oder ein bestimmtes Kunstverständnis und ‚Allgemeinwissen‘. Dies äußert sich oft durch Abfragen von Referenzen bis hin zur ästhetischen Wertung, deren Begründung oftmals nicht genau benannt werden kann. Der Standpunkt, der hier als lehrende Person eingenommen wird, ist geprägt durch die eigene Bewertung und Wahrnehmung von Künsten.
Diese unausgesprochenen Normen können nur jene verstehen, die auch in einem spezifischen kulturellen und akademischen Kontext aufgewachsen sind, wodurch sich die Bildungsungleichheit verstärkt. Gerade Kunsthochschulen, die sich als zukunftsorientiert, vielseitig und offen verstehen, bestärken diese Dynamik durch fehlende transkulturelle Kompetenzen.
Dass Studierende of Color besonders betroffen sind in von Diskriminierung geprägten Situationen, zeigen die vielen anonymen Rassismuserfahrungsberichte, die an der Universität der Künste Berlin im Rahmen der Protestaktion #exitracismUDK gesammelt und an den Universitätsfassaden4exitracismUdK ist ein offener Brief mit formulierten Forderungen an die Universität der Künste Berlin, und eine Antwort auf die „mangelnde Solidarität von Seiten der Lehrenden.“ https:// … Mehr anzeigen gezeigt wurden. So schrieb ein*e Queer Student of Color: „Den Lehrenden fehlte es an emotionaler, pädagogischer, sowie (trans)kultureller Sensibilität.“5Ausschnitt eines Erfahrungsberichtes, welcher durch exitracismUdK in der UdK-Ausstellung KUNST RAUM STADT am 16-17.7.2020 gezeigt wurde. „2018 wurde ich für den Master an der UdK angenommen. … Mehr anzeigen
Die Vorstellung, dass lediglich Betroffene die Aufgabe tragen, Diskriminierungen zu behandeln oder aufzuarbeiten, funktioniert nicht: Es ist ignorant und verwerflich, sich der Verantwortung zu entziehen, bestehende Strukturen weiterzuführen – und von ihnen zu profitieren. Denn nach bell hooks6bell hooks ist Literaturwissenschaftlerin, Professorin, Aktivistin und Autorin intersektionaler, anti-rassistischer und feministischer Bücher. ist Bildung politisch und findet in einem spezifischen politischen Kontext statt, verbunden mit einem politischen Ziel, auch wenn dieses nicht explizit hervorgehoben wird.7Kazeem-Kamiński, Belinda: Engaged Pedagogy: Antidiskriminatorisches Lehren und Lernen bei bell hooks (2016). Lehrende treffen politische Entscheidungen, wenn sie lehren, was im Kontrast zu dem verbreiteten Bild einer objektiven und universellen Bildung steht.
bell hooks formuliert hierbei pädagogische Praktiken, die auf8ebd. Lehrende sowie Lernende zutreffen: Das Bewusstsein davon, dass Bildung politisch ist und dass politische Entscheidungen getroffen werden, was und wie gelehrt wird; die Anerkennung davon, dass der gesellschaftliche Kontext diskriminierende Strukturen aufweist; und das kritische Hinterfragen der eigenen Position.9Eine Positionierung in bestehenden Machtverhältnissen können Angaben zu unter anderem Geschlechtsidentitäten, sexuelle Identitäten, Behinderungen, Rassismuserfahrungen oder ökonomische … Mehr anzeigen Denn Bildung kann und sollte auch ein Werkzeug sein, um Rassismus, (Hetero)sexismus, Ableismus, Antisemitismus und viele weitere Diskriminierungsformen zu überwinden: Indem es zu einer Auseinandersetzung kommt und internalisierte Vorstellungen aufgebrochen werden, geht der Raum des Lernens über die Wissensaneignung hinaus. Im ‚participatory space‘, also einem Raum, in dem die Teilhabe jeder*jedes Einzelnen möglich ist, wird kritisches Denken trainiert. Das bedeutet auch, dass im Gegensatz zur häufigen Forderung, objektive Fakten zu nutzen, auch individuelle Erfahrungen anerkannt, wertgeschätzt und nicht von der Theoriearbeit getrennt werden. Erst daraus können wertvolle Diskurse und eine feministische, antirassistische, dekoloniale und antiklassistische Lehre entstehen. Kurz: eine kollektive, kritische Praxis.10Kazeem-Kamiński, Belinda: Engaged Pedagogy: Antidiskriminatorisches Lehren und Lernen bei bell hooks (2016)
Design, aber dekolonial.
Im Kontext der Kunstuniversität bedeutet eine kollektive, kritische Praxis auch das Überdenken der Lehrinhalte. Diskurse um Künste, Ästhetik und Design müssen unter anderem antirassistisch, feministisch und dekolonial neu gedacht werden. Das kann nur geschehen, indem sich zuerst mit der (vor allem kolonialen) Geschichte auseinandergesetzt wird, um sie zu reflektieren und in der Lehre widerspiegeln zu lassen. Danah Abdulla erklärt, dass der Designbegriff als kontextbasierte, sich ständig entwickelnde Praxis verstanden werden muss11Abdulla, Danah: Design Otherwise: Towards a locally-centric design education curricula in Jordan (2017) – und nicht als Ergänzung für eurozentristische Kategorisierungen. Das bedeutet also nicht nur eine Erweiterung und das Hinterfragen des Lehrmaterials oder der Referenzen, sondern auch das geschichtliche Aufarbeiten und Benennen des eigenen Standpunkts: Alle sind ein Teil der Praxis der Aufrechterhaltung bestehender Machtverhältnisse – und deswegen geht es auch alle etwas an. Inwiefern das im Designkontext aufgearbeitet werden kann, zeigt die Forschungsgruppe Decolonising Design12Decolonising Design ist eine Forschungsgruppe, die analysiert, in welchen kolonialen Strukturen Gestaltung und Design agieren. (https://www.decolonisingdesign.com/) sowie Open Source13Teaching Design ist eine Open Source Bibliografie mit dem Fokus auf Designvermittlung in der Bildung aus intersektional-feministischen, dekolonialen Perspektiven. (https://teaching design.net/)Bibliografien wie Teaching Design oder Decentering Whitenes14Decentering Whiteness in Design History Resources ist eine Open Source Bibliografie, die von Designgeschichtsdozent*innen erstellt wurde als Reaktion auf die Forderungen der Studierenden, … Mehr anzeigen in Design History Resources.
Diese (oftmals von BIPoC aufgearbeiteten) Informationen sind ausreichend vorhanden – die Frage ist nur, wann und wie sich Kunstuniversitäten aufrichtig selbstkritisch reflektieren und pädagogisch neu positionieren, jenseits des oberflächlichen Diversity-Images.
Wenn ich an die Situation an der HfG Offenbachdenke, formuliere ich viele Was-Wäre-Wenn-Überlegungen, denn in diesem Raum haben allein in einer Stunde etwa sechs Menschen Rassismus und Sexismuserfahrungen gemacht, ausgehend von einem einzigen Professor. Weder seine studentische Hilfskraft neben ihm, noch der andere Professor im selben Raum haben interveniert oder widersprochen, trotz ihrer privilegierteren Position als weiße cis Männer. Wenn der Raum partizipativer gewesen wäre, hätten mehr Menschen auf die Werke reagieren können, wodurch sich die Wissens- und Machthierarchien verschoben oder sogar aufgelöst hätten. Im Falle von diskriminierenden Äußerungen hätten sich nicht nur mehr Menschen wohlgefühlt, zu reagieren – idealerweise hätte sich der Täter nicht wohl gefühlt, diese überhaupt zu äußern. Der Professor wäre vielleicht auch nie berufen worden. Kein „Wo kommst du her“ und „Ihr macht das dort drüben doch so“ oder „Mach das mal, das passt doch so gut zu dir“, keine unterdrückte Wut, Unwohlsein und sich Hinterfragen auf dem Rückweg nach Hause. Und vor allem auch keine kreativen Hemmungen, die sich durch das gesamte Studium ziehen15Als mittlerweile zugelassene UdK-Studentin musste ich erleben, dass der Studienalltag von patriarchaler Hierarchie geprägt ist und von eurozentristischen Bewertungen abhängt, die umso … Mehr anzeigen, weil die eigene Praxis ständig mit Ästhetikdefinitionen verglichen wird, die man sich zähneknirschend aneignet, um mitreden zu können.
Was wäre also, wenn die Lehrenden an deutschen Kunstuniversitäten all diese Bauhaus-Referenzen16Die Kunst- und Designschule Bauhaus war 1919-1933 aktiv, der Einfluss auf deutsche Kunsthochschulen bleibt weiterhin stark: In meinem Studium der Visuellen Kommunikationwurde ich in vielen Seminaren … Mehr anzeigen in ihrer Lehre mit Werken von BIPoC Künstler*innen, Gestalter*innen und Wissenschaftler*innen ersetzen würden? Oder anders: Was wäre, wenn die Präsenz der sogenannten ‚Bauhaus-Frauen‘ nicht als Frauengleichstellung verstanden, sondern ihre Realität gezeigt wird – nämlich in der Weberei, und kaum in Führungspositionen? Angemessen wäre es, wenn sich der Blick auf die Künste von Grund auf verändert. Denn die Biennale ist nicht nur in Venedig.17sondern auch in: Chengdu, Kairo, Singapur, Breslau, Ulaanbaatar, Porto Alegre, Ouagadougou, Prag, Casablanca, Bukarest, Shanghai, Moskau, Gwangju, Idanha-a-Nova, Havanna, Busan, Istanbul, Athen … Mehr anzeigen
Dieser Beitrag wurde zuerst in der Publikation „Eine Krise bekommen“ veröffentlicht. Studierende der Fakultät Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste Berlin schreiben mit kritischem Blick über die Auswirkungen der Pandemie, ambivalente Identitäten und die politische Verantwortung der Kunsthochschule. Die vierzehn Beiträge entstanden im Jahr 2020 – einer Zeit, in der die Gefährdung verwundbarer Gruppen verdeutlicht wurde – aus dem Drang, unterrepräsentierte Auseinandersetzungen und studentische Perspektiven sichtbar zu machen. Sie fordern einen differenzierteren Austausch und Anerkennung marginalisierter Perspektiven in den Räumen der Kunsthochschule – anstelle von leeren Worten zu Vielfalt und Solidarität.
„Eine krise bekommen“ ist im Buchhandel und über den UdK Verlag erhältlich. Zum Preis von 5 Euro + ggf. Versandkosten kann die Publikation hier direkt bestellt werden: einekrisebekommen@systemli.org
Die Hochschule für Gestaltung Offenbach bietet die Studiengänge Kunst und Design an und genießt mit einem aufwendigen Aufnahmeverfahren und etwa 750 Studierenden einen hervorragenden Ruf.
exitracismUdK ist ein offener Brief mit formulierten Forderungen an die Universität der Künste Berlin, und eine Antwort auf die „mangelnde Solidarität von Seiten der Lehrenden.“ https:// exitracismudk.wordpress.com/ (abgerufen am 11.03.21)
Ausschnitt eines Erfahrungsberichtes, welcher durch exitracismUdK in der UdK-Ausstellung KUNST RAUM STADT am 16-17.7.2020 gezeigt wurde. „2018 wurde ich für den Master an der UdK angenommen. Was die eigentliche Erfüllung eines lange erkämpften Traumes sein sollte, entpuppte sich als richtiger Horrortrip. […] Ich hatte das Gefühl, dass man von mir verlangte, meinen multiethnischen Background so zu präsentieren wie es für sie (die Lehrenden) am verdaulichsten ist: wenig kritisch und am liebsten exotisierend. Ich hatte wirklich Schwierigkeiten, mich in diesem Umfeld einzufügen. Den Lehrenden fehlte es an emotionaler, pädagogischer, sowie (trans)kultureller Sensibilität – Queer student of color“
Eine Positionierung in bestehenden Machtverhältnissen können Angaben zu unter anderem Geschlechtsidentitäten, sexuelle Identitäten, Behinderungen, Rassismuserfahrungen oder ökonomische Situationen sein.
Decolonising Design ist eine Forschungsgruppe, die analysiert, in welchen kolonialen Strukturen Gestaltung und Design agieren. (https://www.decolonisingdesign.com/)
Teaching Design ist eine Open Source Bibliografie mit dem Fokus auf Designvermittlung in der Bildung aus intersektional-feministischen, dekolonialen Perspektiven. (https://teaching design.net/)
Decentering Whiteness in Design History Resources ist eine Open Source Bibliografie, die von Designgeschichtsdozent*innen erstellt wurde als Reaktion auf die Forderungen der Studierenden, Perspektiven und Werke von Black, Indigenous, Latinx, Asian und anderen Designer*innen und Wissenschaftler*innen of Color in den Designkursen richtig zu repräsentieren. (https:// www.designhistorysociety.org/news/view/decentering-whiteness-in-design-history-resources)
Als mittlerweile zugelassene UdK-Studentin musste ich erleben, dass der Studienalltag von patriarchaler Hierarchie geprägt ist und von eurozentristischen Bewertungen abhängt, die umso persönlicher werden, da es an professioneller Distanz zu den Lehrenden fehlt (das verbreitete ‚per Du‘ dient oftmals lediglich dem Image der Universität). Meine Kursauswahl ist dementsprechend primär von den wenigen kritischen Lehrenden und kaum von den Inhalten abhängig.
Die Kunst- und Designschule Bauhaus war 1919-1933 aktiv, der Einfluss auf deutsche Kunsthochschulen bleibt weiterhin stark: In meinem Studium der Visuellen Kommunikationwurde ich in vielen Seminaren penetrant auf dessen Relevanz hingewiesen.
sondern auch in: Chengdu, Kairo, Singapur, Breslau, Ulaanbaatar, Porto Alegre, Ouagadougou, Prag, Casablanca, Bukarest, Shanghai, Moskau, Gwangju, Idanha-a-Nova, Havanna, Busan, Istanbul, Athen und vielen weiteren Orten.
Performance- und Diskussionsabend in Hau. Foto: Mathilde ter Heijne
Katharina Oguntoye ist eine afrodeutsche Schriftstellerin, Historikerin, Aktivistin und Dichterin. Sie gründete den gemeinnützigen interkulturellen Verein Joliba in Deutschland und spielte eine wichtige Rolle in den Anfängen der afrodeutschen Bewegung. Prof. Mathilde ter Heijne hat sich mit ihr getroffen um über das Buch Farbe bekennen zu sprechen, welches 1986 von Katharina Oguntoye mit May Ayim und Dagmar Schultz im Orlanda Verlag herausgegeben wurde. Die Sammlung ist eine Zusammenstellung von Texten, Zeugnissen und anderen Sekundärquellen und lässt die Geschichten Schwarzer deutscher Frauen, die in Deutschland inmitten von Rassismus, Sexismus und anderen institutionellen Zwängen leben, lebendig werden. Das Buch greift Themen und Motive auf, die in Deutschland von den frühesten kolonialen Interaktionen zwischen Deutschland und der Schwarzen „Andersartigkeit“ bis hin zu den gelebten Erfahrungen Schwarzer deutscher Frauen in den 1980er Jahren vorherrschen.
Der Ausgangspunkt des Gesprächs war Looking Back 1930 I 2020: Building on Fragmented Legacies, ein Performance- und Diskussionsabend mit Karina Griffith, Sandrine Micossé-Aikins, Katharina Oguntoye, Abenaa Adomako und Saraya Gomis am 24.09.2020 im HAU Berlin. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Programms Radical Mutation – On the Ruins of Rising Suns statt, kuratiert von Nathalie Anguezomo Mba Bikoro, Saskia Köbschall und Tmnit Zere. Das Programm verband historische Kämpfe für Gleichberechtigung, Antirassismus und Repräsentation in der Kultur und aktuelle Bemühungen um radikale Veränderungen mit Berlin als Startpunkt. Der Titel bezog sich auf eines der ersten überlieferten schwarzen Theaterstücke (Sonnenaufgang im Morgenland, 1930), welches die Repräsentation von Schwarzen Menschen in kulturellen Produktionen der Weimarer Republik in Frage stellte.
Ableismus
Adultismus
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Antisemitismus
Barrierefreiheit
Belästigung
Binäres Geschlecht
Biologisches Geschlecht
Cis-Geschlechtlichkeit
Dominanzkultur
Gefängnisindustrieller Komplex
Genderexpansiv
Geschlecht
Geschlechtsangleichung
Geschlechtsausdruck
Geschlechtsdysphorie
Geschlechtsidentität
Heteronormativität
Hormontherapie
Institutionelle Diskriminierung
Inter*
Intergenerationales Trauma
Intersektionalität
Islamophobie
Klassismus
Kolonialismus
Kulturalistisch argumentierter Rassismus
Kulturelle Aneignung
Marginalisierung
Mikroaggression
Misogynie
Neurodiversität
Nonbinär
Patriarchat
Pronomen
Rassismus
Sex-Gender-Differenz
Sexismus
Sexuelle Orientierung
Soziale Herkunft
Soziale Norm
Sozioökonomischer Status
Strukturelle Diskriminierung
Tokenismus
Weiße Vorherrschaft
Weißsein
Xenophobie
Abolition
Accountability
Ageism
Agender
BIPoC
Colorism
Critical Diversity Policy (UdK)
Deadnaming
Doing Gender
Misogynoir
Queer
Safer Space
Social Justice
Trans*
Ende
Ableismus
Ableismus ist die Diskriminierung und das soziale Vorurteil gegenüber Menschen mit bestimmten körperlichen und geistigen Fähigkeiten und Bedürfnissen. In der Regel handelt es sich dabei um eine Abwertung der physischen und psychischen Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, die auf einer vermeintlichen biologischen (körperlichen und/oder geistigen) Norm dessen beruht, was ein nichtbehinderter, neurotypischer Mensch sein sollte. Ableismus kann sich mit anderen Formen der Unterdrückung wie Rassismus und Sexismus überschneiden.
Adultismus
Adultismus ist die im Alltag und im Recht anzutreffende Diskriminierung, die auf ungleichen Machtverhältnissen zwischen Erwachsenen einerseits und Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen andererseits beruht.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das seit 2006 in Kraft ist, ist das einheitliche zentrale Regelwerk in Deutschland zur Umsetzung von vier europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien. Erstmals wurde in Deutschland ein Gesetz geschaffen, das den Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Rassifizierung, ethnischer Herkunft, Geschlechtsidentität, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung umfassend regelt.
Antisemitismus
Antisemitismus ist eine Weltanschauung, die auf Hass/Feindseligkeit gegenüber jüdischen Menschen als religiöser oder rassifizierter Gruppe, jüdischen Einrichtungen oder allem, was als jüdisch wahrgenommen wird, beruht oder diese diskriminiert. Antisemitismus kann im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Kulturen variieren und sich in verschiedenen historischen Momenten intensivieren.
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Umgebung für möglichst viele Menschen zugänglich ist und von ihnen genutzt werden kann. Inklusive Barrierefreiheit bewertet daher die Bedürfnisse und Wünsche aller möglichen Menschen – einschließlich derjenigen, die neurodivergent sind oder unterschiedliche Fähigkeiten haben – und bezieht diese in Design und Funktion mit ein. Änderungen, die Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten die gleiche Chance und Teilnahme ermöglichen, werden oft als behindertengerechte Anpassungen bezeichnet.
Belästigung
Belästigung ist ein unerwünschtes und nicht einvernehmliches Verhalten, das die Würde einer anderen Person verletzt. Belästigung kann oft ein einschüchterndes, feindseliges, demütigendes oder kränkendes soziales Klima erzeugen und kann auf der sexuellen Orientierung, der Religion, der nationalen Herkunft, einer Behinderung, dem Alter, der Rassifizierung, dem Geschlecht usw. einer Person beruhen. Belästigungen können verschiedene Formen annehmen, darunter verbale, körperliche und/oder sexualisierte.
Binäres Geschlecht
Das binäre Geschlecht ist die Einteilung der Geschlechter in zwei unterschiedliche und entgegengesetzte Kategorien: Mann/männlich und Frau/feminin. Dieses Glaubenssystem geht davon aus, dass das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht mit den traditionellen sozialen Konstruktionen von männlicher und weiblicher Identität, Ausdruck und Sexualität übereinstimmt. Eine Zuweisung außerhalb des binären Geschlechts wird in der Regel als Abweichung von der Norm betrachtet.
Biologisches Geschlecht
Das Konzept des biologischen Geschlechts bezieht sich auf den biologischen Status einer Person, welcher meist bei der Geburt zugewiesen wird – in der Regel aufgrund der äußeren Anatomie. Das biologische Geschlecht wird in der Regel als männlich, weiblich oder intersexuell kategorisiert.
Cis-Geschlechtlichkeit
Cis-Geschlechtlichkeit, oder einfach cis, bezieht sich auf Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Cis kommt von der lateinischen Vorsilbe, die „auf dieser Seite von“ bedeutet.
Dominanzkultur
as Konzept nach Birgit Rommelspacher geht davon aus, dass es ein System von Hierarchien, Herrschaft und Macht gibt, indem die verschiedenen rassistischen, sexistischen, klassistischen und weiteren Herrschaftsformen sich ineinander verflechten. In dieser Verflechtung hat jeweils eine dominante Gruppe die Macht, welche gesellschaftlich immer wieder ausgehandelt wird. In einer bestehenden Gesellschaft erlangt die dominante Gruppe ihre Rolle dadurch, dass sie als zur Mehrheit der Bevölkerung gehörend wahrgenommen wird und in den gesellschaftlichen Institutionen eine bedeutende Präsenz hat.
Gefängnisindustrieller Komplex
Der gefängnisindustrielle Komplex (PIC) ist ein Begriff, der die komplexen und miteinander verknüpften Abhängigkeiten zwischen einer Regierung und den verschiedenen Unternehmen und Institutionen beschreibt, die von den Praktiken der Freiheitsentziehung profitieren (z. B. Gefängnisse, Haftanstalten, Abschiebeeinrichtungen und psychiatrische Kliniken). In Anlehnung an den Begriff „militärisch-industrieller Komplex” plädiert der PIC für eine umfassendere Analyse der Art und Weise, wie die Freiheitsberaubung in einer Gesellschaft eingesetzt wird, und nennt alle Interessengruppen, die finanzielle Gewinne über Strategien der Vermeidung der Inhaftierung von Menschen stellen.
Genderexpansiv
Genderexpansiv ist ein Adjektiv, das eine Person mit einer flexibleren und fließenderen Geschlechtsidentität beschreiben kann, als mit der typischen binären Geschlechtszugehörigkeit assoziiert werden könnte.
Geschlecht
Geschlecht wird oft als soziales Konstrukt von Normen, Verhaltensweisen und Rollen definiert, die sich von Gesellschaft zu Gesellschaft und im Laufe der Zeit verändern. Es wird oft als männlich, weiblich oder nicht-binär kategorisiert.
Geschlechtsangleichung
Die Geschlechtsangleichung ist ein Prozess, den eine Person durchlaufen kann, um sich selbst und/oder ihren Körper in Einklang mit ihrer Geschlechtsidentität zu bringen. Dieser Prozess ist weder ein einzelner Schritt noch hat er ein bestimmtes Ende. Vielmehr kann er eine, keine oder alle der folgenden Maßnahmen umfassen: Information der Familie und des sozialen Umfelds, Änderung des Namens und der Pronomen, Aktualisierung rechtlicher Dokumente, medizinische Maßnahmen wie Hormontherapie oder chirurgische Eingriffe, die oft als geschlechtsangleichende Operation bezeichnet werden.
Geschlechtsausdruck
Der Ausdruck des Geschlechts ist die Art und Weise, wie eine Person ihr Geschlecht nach außen hin verkörpert, was in der Regel durch Kleidung, Stimme, Verhalten und andere wahrgenommene Merkmale signalisiert wird. Die Gesellschaft stuft diese Merkmale und Leistungen als männlich oder weiblich ein, obwohl das, was als männlich oder weiblich gilt, im Laufe der Zeit und zwischen den Kulturen variiert.
Geschlechtsdysphorie
Geschlechtsdysphorie ist eine psychische Belastung, die sich aus der Inkongruenz zwischen dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und der eigenen Geschlechtsidentität ergibt. Menschen aller Geschlechter können Dysphorie in unterschiedlicher Intensität oder auch überhaupt nicht erleben.
Geschlechtsidentität
Die Geschlechtsidentität ist das innere Selbstverständnis einer Person in Bezug auf ihr Geschlecht. Im Gegensatz zum Geschlechtsausdruck ist die Geschlechtsidentität für andere nicht äußerlich sichtbar.
Heteronormativität
Heteronormativität ist das Konzept, dass Heterosexualität – romantische und/oder sexuelle Anziehung zwischen Menschen des „anderen“ Geschlechts – die normative oder einzig akzeptierte sexuelle Orientierung in einer Gesellschaft ist. Heteronormativität geht vom binären Geschlechtsmodell aus und beinhaltet daher den Glauben an eine Übereinstimmung zwischen Sexualität, Geschlechtsidentität, Geschlechterrollen und biologischem Geschlecht. Als vorherrschende soziale Norm führt die Heteronormativität zu Diskriminierung und Unterdrückung derjenigen, die sich nicht als heterosexuell identifizieren.
Hormontherapie
Bei der Hormontherapie, auch geschlechtsangleichende Hormontherapie (GAHT) oder Hormonersatztherapie (HRT) genannt, werden Geschlechtshormone oder andere hormonelle Medikamente verabreicht. Diese Hormonveränderungen können körperliche Veränderungen auslösen, die als sekundäre Geschlechtsmerkmale bezeichnet werden und dazu beitragen können, den Körper besser auf die Geschlechtsidentität einer Person anzupassen.
Institutionelle Diskriminierung
Institutionelle Diskriminierung bezieht sich auf vorurteilsbehaftete organisatorische Maßnahmen und Praktiken innerhalb von Institutionen – wie Universitäten, Unternehmen usw. –, die dazu führen, dass eine marginalisierte Person oder Personengruppe ungleich behandelt wird und ungleiche Rechte hat.
Inter*
Inter* oder Intergeschlechtlichkeit ist ein Oberbegriff, der Menschen beschreiben kann, die Unterschiede in der reproduktiven Anatomie, bei den Chromosomen oder den Hormonen aufweisen, die nicht den typischen Definitionen von männlich und weiblich entsprechen. Das Sternchen (*) unterstreicht die Vielfalt der intersexuellen Realitäten und Körperlichkeiten.
Intergenerationales Trauma
Intergenerationales Trauma bezieht sich auf das Trauma, das von einer traumaüberlebenden Person an deren Nachkommen weitergegeben wird. Aufgrund von gewalttätigen und lebensbedrohlichen Ereignissen wie Kriegen, ethnischen Säuberungen, politischen Konflikten, Umweltkatastrophen usw., die von früheren Generationen erlebt wurden, können die Nachkommen negative emotionale, körperliche und psychologische Auswirkungen erfahren. Da die ursprünglichen Ursachen von Traumata durch Formen der Diskriminierung wie Rassifizierung und Geschlecht bedingt sind, treten intergenerationale Traumata auch entlang intersektionaler Achsen der Unterdrückung auf. Schwarze Gemeinschaften haben zum Beispiel das intergenerationale Trauma der Versklavung ans Licht gebracht. Intergenerationales Trauma wird manchmal auch als historisches Trauma, multi- oder transgenerationales Trauma oder sekundäre Traumatisierung bezeichnet.
Intersektionalität
Intersektionalität benennt die Verflechtung von Unterdrückungssystemen und sozialen Kategorisierungen wie Rassifizierung, Geschlecht, Sexualität, Migrationsgeschichte und Klasse. Intersektionalität betont, dass die einzelnen Formen der Diskriminierung nicht unabhängig voneinander existieren und auch nicht unabhängig voneinander betrachtet und bekämpft werden können. Vielmehr sollten bei der Bekämpfung von Unterdrückung die kumulativen und miteinander verknüpften Achsen der verschiedenen Formen von Diskriminierung berücksichtigt werden.
Islamophobie
Islamophobie ist eine Weltanschauung, die auf Hass/Feindseligkeit gegenüber muslimischen Menschen als religiöser oder rassifizierter Gruppe, muslimischen Einrichtungen oder allem, was als muslimisch wahrgenommen wird, beruht oder diese diskriminiert. Islamophobie kann im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Kulturen variieren und sich in verschiedenen historischen Momenten intensivieren.
Klassismus
Klassismus ist ein Begriff, der die Diskriminierung beschreibt, die auf der Überzeugung beruht, dass der soziale oder wirtschaftliche Status einer Person ihren Wert in der Gesellschaft bestimmt. Klassismus als eine Form der Diskriminierung und Stigmatisierung basiert auf tatsächlichen oder angenommenen finanziellen Mitteln, dem Bildungsstatus und der sozialen Integration. In der Hierarchie „unterlegene“ gesellschaftliche Klassen werden problematisiert und stereotypisiert und erhalten oft ungleichen Zugang und Rechte innerhalb der Gesellschaft.
Kolonialismus
Kolonialismus ist die Kontrolle und Dominanz einer herrschenden Macht über ein untergeordnetes Gebiet oder Volk. Bei der Unterwerfung eines anderen Volkes und Landes beinhaltet der Kolonialismus die gewaltsame Eroberung der Bevölkerung, die oft mit der Massenvertreibung von Menschen und der systematischen Ausbeutung von Ressourcen einhergeht. Abgesehen von den materiellen Folgen zwingt der Kolonialismus dem unterworfenen Volk auch die Sprache und die kulturellen Werte der herrschenden Macht auf, was kulturelle, psychologische und generationenübergreifende Traumata zur Folge hat.
Kulturalistisch argumentierter Rassismus
Kulturalistisch argumentierter Rassismus richtet sich gegen Menschen aufgrund ihres mutmaßlichen kulturellen oder religiösen Hintergrunds. Diese Form der Diskriminierung kann unabhängig davon auftreten, ob sie tatsächlich eine Kultur oder Religion ausüben und wie religiös sie sind (z. B. antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus).
Kulturelle Aneignung
Kulturelle Aneignung ist der Akt der Übernahme von Aspekten einer marginalisierten Kultur durch eine Person oder eine Institution, die dieser Kultur nicht angehört, ohne umfassendes Verständnis des Kontexts und oft ohne Respekt für die Bedeutung des Originals. Kulturelle Aneignung reproduziert Schaden, wenn sie negative kulturelle oder rassistische Stereotypen fördert. Kulturelle Aneignung kann oft die Machtdynamik innerhalb einer Gesellschaft offenbaren: So wird beispielsweise eine weiße Person, die die traditionelle Kleidung einer marginalisierten Kultur trägt, als modisch gelobt, während eine rassifizierte Person von der dominanten Gruppe isoliert und als fremd bezeichnet werden könnte.
Marginalisierung
Marginalisierung beschreibt jeglichen Prozess der Verdrängung von Minderheiten an den Rand der Gesellschaft. Marginalisierten Gruppen wird in der Regel unterstellt, dass sie nicht der normorientierten Mehrheit der Gesellschaft entsprechen und sind in ihren Möglichkeiten, sich frei zu verhalten, gleichen materiellen Zugang zu haben, öffentliche Sicherheit zu genießen usw., stark eingeschränkt.
Mikroaggression
Mikroaggression bezeichnet einzelne Kommentare oder Handlungen, die unbewusst oder bewusst Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Mitgliedern von Randgruppen zum Ausdruck bringen. Als kleine, häufige und kumulative Vorkommnisse können Mikroaggressionen aus Beleidigungen, Stereotypen, Abwertung und/oder Ausgrenzung bestehen. Mikroaggressionen wirken sich oft negativ auf die Person aus, die sie erleidet, und beeinträchtigen ihre psychische und physische Gesundheit und ihr Wohlbefinden.
Misogynie
Misogynie ist ein Begriff für sexistische Unterdrückung und Verachtung von Frauen, der dazu dient, Frauen in einem niedrigeren sozialen Status als Männer zu halten und so patriarchalische soziale Rollen aufrechtzuerhalten. Misogynie kann eine Haltung von Einzelpersonen und ein weit verbreitetes kulturelles System bezeichnen, das häufig alles abwertet, was als weiblich wahrgenommen wird. Frauenfeindlichkeit kann sich mit anderen Formen der Unterdrückung und des Hasses überschneiden, z. B. mit Homophobie, Trans*-Misogynie und Rassismus.
Neurodiversität
Neurodiversität ist ein Begriff, der die einzigartige Funktionsweise der Gehirnstrukturen eines jeden Menschen beschreibt. Die Grundannahme, welche Art von Gehirnfunktion in einer normorientierten Mehrheitsgesellschaft gesund und akzeptabel ist, wird als neurotypisch bezeichnet.
Nonbinär
Nonbinär ist ein Begriff, der von Personen genutzt werden kann, die sich selbst oder ihr Geschlecht nicht in die binären Kategorien von Mann oder Frau einordnen. Es gibt eine Reihe von Begriffen für diese Erfahrungen, wobei nonbinary und genderqueer häufig verwendet werden.
Patriarchat
Das Patriarchat ist ein soziales System, in dem cis-geschlechtliche Männer sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich eine privilegierte Stellung einnehmen. In der feministischen Theorie kann der Begriff verwendet werden, um das Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern zu beschreiben, das die männliche Dominanz begünstigt, sowie die Ideologie der männlichen Überlegenheit, die die Unterdrückung von Frauen und allen nicht-normativen Geschlechtern rechtfertigt und durchsetzt.
Pronomen
Pronomen oder persönliche Geschlechtspronomen (PGP) sind die Pronomen, die eine Person verwendet, um sich selbst zu bezeichnen, und die andere verwenden sollen, wenn sie sich auf sie beziehen. Die Liste der Pronomen entwickelt sich ständig weiter. Eine Person kann mehrere bevorzugte Pronomen haben oder auch gar keine. Die Absicht, die Pronomen einer Person zu erfragen und korrekt zu verwenden, besteht darin, die negativen gesellschaftlichen Auswirkungen für diejenigen zu verringern, deren persönliche Pronomen nicht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmen, die von einer cis-normativen Gesellschaft angenommen wird. Die Verwendung geschlechtsneutraler Formulierungen und Begriffe sind ebenfalls inkludierende Schritte, die sich dem binären Geschlechtermodell und der Cis-Normativität widersetzen.
Rassismus
Rassismus ist der Prozess, durch den Systeme, politische Maßnahmen, Aktionen und Einstellungen ungleiche Chancen und Auswirkungen für Menschen aufgrund von Rassifizierung und rassistischen Zuschreibungen schaffen. Rassismus geht über individuelle oder institutionelle Vorurteile hinaus und tritt auf, wenn diese Diskriminierung mit der Macht einhergeht, die Rechte von Menschen und/oder Gruppen einzuschränken oder zu unterdrücken. Rassismus kann im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Kulturen variieren und sich in verschiedenen historischen Momenten intensivieren.
Sex-Gender-Differenz
Sex-Gender-Differenz bezeichnet die Unterscheidung zwischen dem Konzept des „biologischen Geschlechts“ als biologischer Tatsache und dem Konzept des „sozialen Geschlechts“ als Produkt kultureller und sozialer Prozesse, wie z. B. sozial konstruierte Rollen, Verhaltensweisen, Ausdrucksformen und geschlechtsspezifische Identitäten.
Sexismus
Sexismus ist der Prozess, durch den Systeme, Politiken, Handlungen und Einstellungen ungleiche Chancen und Auswirkungen für Menschen auf der Grundlage ihres zugeschriebenen oder vermeintlichen Geschlechts schaffen und beschreibt die Ideologie, die diesen Phänomenen zugrunde liegt. Der Begriff wird meist verwendet, um die Machtverhältnisse zwischen dominanten und marginalisierten Geschlechtern in cisheteronormativen patriarchalen Gesellschaften zu benennen.
Sexuelle Orientierung
Sexuelle Orientierung ist der Begriff, der beschreibt, zu welchem Geschlecht sich eine Person emotional, körperlich, romantisch und/oder sexuell hingezogen fühlt.
Soziale Herkunft
Die soziale Herkunft beschreibt die soziokulturellen Werte und Normen, in die jemand hineingeboren wird, einschließlich Faktoren wie Umfeld, Klasse, Kaste, Bildungsbiografie und mehr. Die Werte, die mit der sozialen Herkunft einhergehen, sind konstruiert, haben aber oft materielle Auswirkungen, die bestimmte Gruppen und Menschen privilegieren oder benachteiligen. Wer beispielsweise in einem westlichen Land lebt, generationenübergreifenden Reichtum geerbt hat und über eine durchweg gute Ausbildung verfügt, hat als Erwachsener bessere Chancen auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz. Die soziale Herkunft muss also berücksichtigt werden und nicht die inhärente Eignung für einen Job.
Soziale Norm
Eine soziale Norm ist ein gemeinsamer Glaube an den Standard für akzeptables Verhalten von Gruppen, der sowohl informell als auch in der Politik oder im Gesetz verankert ist. Soziale Normen unterscheiden sich im Laufe der Zeit und zwischen verschiedenen Kulturen und Gesellschaften.
Sozioökonomischer Status
Der sozioökonomische Status, der in der Regel als niedrig, mittel oder hoch eingeordnet wird, beschreibt Menschen auf der Grundlage ihrer Ausbildung, ihres Einkommens und der Art ihrer Tätigkeit. Die Werte und Normen, die den einzelnen sozioökonomischen Klassen zugeordnet werden, sind sozial konstruiert, haben aber materielle Auswirkungen.
Strukturelle Diskriminierung
Strukturelle Diskriminierung bezieht sich auf Verhaltensmuster, Strategien und Einstellungen, die auf der Makroebene der Gesellschaft zu finden sind. Diese Diskriminierung sozialer Gruppen beruht auf der Natur der Gesellschaftsstruktur als Ganzes. Strukturelle Diskriminierung unterscheidet sich von individuellen Formen der Diskriminierung (z. B. eine einzelne rassistische Bemerkung, die eine Mikroaggression darstellt), obwohl sie oft den kontextuellen Rahmen für das Verständnis der Gründe für diese individuellen Fälle liefert.
Tokenismus
Tokenismus ist eine nur oberflächliche oder symbolische Geste, die Angehörige von Minderheiten einbindet, ohne die strukturelle Diskriminierung der Marginalisierung wesentlich zu verändern oder zu beseitigen. Der Tokenismus ist eine Strategie, die den Anschein von Inklusion erwecken und von Diskriminierungsvorwürfen ablenken soll, indem eine einzelne Person als Vertreter einer Minderheit eingesetzt wird.
Weiße Vorherrschaft
Weiße Vorherrschaft bezeichnet die Überzeugungen und Praktiken, die Weiße als eine von Natur aus überlegene soziale Gruppe privilegieren, die auf dem Ausschluss und der Benachteiligung anderer rassifizierter und ethnischer Gruppen beruht. Sie kann sich auf die miteinander verknüpften sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systeme beziehen, die es Weißen ermöglichen, sowohl auf kollektiver als auch auf individueller Ebene strukturelle Vorteile gegenüber rassifizierten Gruppen zu genießen. Der Begriff kann sich auch auf die zugrundeliegende politische Ideologie beziehen, die vielfältige Formen der Vorherrschaft von Weißen und nicht-weißen Anhängern erzwingt und aufrechterhält, von der Rechtfertigung des europäischen Kolonialismus bis hin zu den heutigen Neofaschismen.
Weißsein
Weißsein ist ein gesellschaftlich und politisch konstruiertes Verhalten, das eine Ideologie, Kultur, Geschichte und Wirtschaft aufrechterhält, die zu einer ungleichen Verteilung von Macht und Privilegien zugunsten derjenigen führt, die gesellschaftlich als weiß gelten. Die materiellen Vorteile des Weißseins werden auf Kosten Schwarzer, indigener und Menschen of Color erzielt, denen systematisch der gleiche Zugang zu diesen materiellen Vorteilen verwehrt wird. Auf diesem Blog wird weiß oftmals kursiv geschrieben, um es als politische Kategorie zu kennzeichnen und die Privilegien des Weißseins zu betonen, die oft nicht als solche benannt, sondern als unsichtbare Norm vorausgesetzt werden.
Xenophobie
Xenophobie bezeichnet die Feindseligkeit gegenüber Gruppen oder Personen, die aufgrund ihrer Kultur als „fremd“ wahrgenommen werden. Fremdenfeindliche Haltungen sind oft mit einer feindseligen Aufnahme von Einwanderern oder Flüchtlingen verbunden, die in Gesellschaften und Gemeinschaften ankommen, die nicht ihre Heimat sind. Fremdenfeindliche Diskriminierung kann zu Hindernissen beim gleichberechtigten Zugang zu sozioökonomischen Chancen sowie zu ethnischen, rassistischen oder religiösen Vorurteilen führen.
Abolition
Abolition ist ein Begriff, der das offizielle Ende eines Systems, einer Praxis oder einer Institution bezeichnet. Der Begriff hat seine Wurzeln in den Bewegungen zur Abschaffung der Sklaverei im 19. Jahrhundert und wird heute oft verwendet, um die Praxis der Polizei und des Militärs und/oder die miteinander verbundenen Gefängnisse, Geflüchtetenlager, Haftanstalten usw. zu beenden. Weitere Informationen finden Sie in der Definition des gefängnisindustrielle Komplexes).
Accountability
Accountability oder auch Rechenschaftspflicht ist die Verpflichtung und die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Im Zusammenhang mit sozialer Gerechtigkeit bezieht sich die Rechenschaftspflicht auf die Art und Weise, in der Einzelpersonen und Gemeinschaften sich selbst an ihre Grundsätze und Ziele halten und die Gruppen anerkennen, denen gegenüber sie verantwortlich sind. Rechenschaftspflicht erfordert oft einen transparenten Prozess und ein kontinuierliches Selbst- und Kollektivbewusstsein.
Ageism
Ageism, auch Altersdiskriminierung genannt, ist eine Diskriminierung oder ein Vorurteil aufgrund des Alters einer Person, z. B. wenn Fähigkeiten und Fertigkeiten aufgrund des höheren oder niedrigeren Alters einer Person in Frage gestellt und bewertet werden.
Agender
Agender ist ein Adjektiv, das von Personen genutzt werden kann, die sich mit keinem bestimmten Geschlecht identifizieren.
BIPoC
BIPoC steht für Black, Indigenous und People of Color. Dieser aus den USA stammende Begriff ist eine Selbstbezeichnung, die darauf abzielt, Menschen und Gruppen zu vereinen, die von Rassismus betroffen sind. Die Selbstbezeichnung rückt die spezifischen Erfahrungen Schwarzer, indigener und anders rassifizierter Gruppen in den Mittelpunkt, welche stark von systematischer rassistischer Ungleichbehandlung, deren Wurzeln in der Geschichte der Versklavung und des Kolonialismus liegen, betroffen sind.
Colorism
Colorism ist ein Begriff, der die Vorurteile oder Diskriminierung beschreibt, welche rassifizierte Menschen mit hellerer Hautfarbe bevorzugt, während solche mit dunklerer Hautfarbe benachteiligt werden. Er wird vor allem verwendet, um die nuancierte Diskriminierung innerhalb einer rassifizierten oder ethnischen Gruppe zu beschreiben.
Critical Diversity Policy (UdK)
Die Critical Diversity Policy der UdK ist ein Dokument, welches die Vorstellung hervorheben und durchsetzen soll, dass Unterschiede in Werten, Einstellungen, kulturellen Perspektiven, Überzeugungen, ethnischen Hintergründen, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Fähigkeiten, Wissen und Lebenserfahrungen jeder*jedes Einzelnen in jeder Gruppe von Menschen innerhalb der Universität berücksichtigt und überwunden werden sollten.
Deadnaming
Deadnaming ist der Akt, für eine trans*, nicht-binäre oder genderexpansive Person mit ihren Geburtsnamen oder einen falschen Namen zu nutzen, wenn diese ihren Namen als Teil ihres Geschlechtsausdrucks geändert hat. Es ist niemals in Ordnung oder notwendig, den Deadname einer Person zu verwenden, wenn sie ihren Namen geändert hat, auch nicht bei der Beschreibung von Ereignissen in der Vergangenheit. Wenn Du eine Person mit ihrem Deadname anredest, übernimm Verantwortung, indem Du dich entschuldigst und verpflichtest, dies in Zukunft nicht mehr zu tun. Erkundige Dich nach dem aktuellen Namen der Person und bemüh Dich, ihn konsequent zu verwenden.
Doing Gender
Dieser soziologische Begriff konzentriert sich auf die Art und Weise, wie Menschen Geschlecht wahrnehmen, (re-)produzieren und im täglichen Leben als relevant erachten. Im Gegensatz zur Annahme, dass Geschlecht eine angeborene Eigenschaft ist, unterstreicht das Konzept des “doing gender”, dass Geschlecht ein soziales Konstrukt ist, das die tägliche menschliche Interaktion prägt.
Misogynoir
Misogynoir ist ein von der Schwarzen Feministin Moya Bailey 2010 geprägter Begriff, der die geschlechtsspezifische und rassistische Unterdrückung beschreibt, mit der Schwarze Cis- und Transgender-Frauen konfrontiert sind (letztere wird manchmal auch durch den Begriff Trans*-Misogynoir charakterisiert). Ausgehend von einer intersektionalen Sichtweise untersucht das Konzept, wie sich anti-Schwarzer Rassismus und Frauenfeindlichkeit zu einer besonderen Form der Unterdrückung und Diskriminierung verbinden.
Queer
Queer ist ein Oberbegriff für Menschen, die nicht heterosexuell oder cisgender sind. Er wird für ein breites Spektrum an nicht-normativen sexuellen und/oder geschlechtlichen Identitäten und Politiken verwendet.
Safer Space
Safer Spaces sollen Orte sein, an denen marginalisierte Gemeinschaften zusammenkommen und gemeinsame Erfahrungen austauschen können, frei von Voreingenommenheit, Konflikten oder Verletzungen, die von Mitgliedern einer dominanten Gruppe verursacht werden. In Anerkennung der Tatsache, dass es unter den gegenwärtigen Systemen unserer Gesellschaft keinen vollkommen sicheren Raum für marginalisierte Menschen gibt, verweist der Begriff „safer“ auf das Ziel einer vorübergehenden Entlastung sowie auf die Anerkennung der Tatsache, dass Verletzungen auch innerhalb marginalisierter Gemeinschaften reproduziert werden können. Beispiele für sichere Räume, die in Organisationen und Institutionen geschaffen wurden, sind Queer-only Räume und/oder Räume nur für Schwarze, Indigene und People of Color.
Social Justice
Social Justice ist eine Form des Aktivismus und eine politische Bewegung, die den Prozess der Umwandlung der Gesellschaft von einem ungerechten und ungleichen Zustand in einen gerechten und gleichberechtigten Zustand fördert. Social Justice beruht auf der Auffassung, dass jeder Mensch die gleichen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rechte und Chancen verdient und das Grundrecht hat, sich psychisch und physisch sicher zu fühlen. Social Justice zielt daher darauf ab, geltende Gesetze und gesellschaftliche Normen zu ändern, die in der Vergangenheit und in der Gegenwart bestimmte Gruppen gegenüber anderen unterdrückt haben. Soziale Gerechtigkeit ist nicht nur die Abwesenheit von Diskriminierung, sondern auch das Vorhandensein bewusster Systeme und Unterstützungen, die Gleichheit entlang der Grenzen von Rassifizierung, Geschlecht, Klasse, Fähigkeiten, Religion usw. erreichen und erhalten.
Trans*
Transgender, oder einfach trans*, ist ein Adjektiv, das sich auf Menschen bezieht, deren Geschlechtsidentität sich von dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht unterscheidet. Trans kommt von der lateinischen Vorsilbe, die „hindurch“ oder „darüber hinaus“ bedeutet. Die Selbstbezeichnung gibt als Identitätsmerkmal nicht automatisch an, ob sich diese Person mit einem anderen Geschlecht, keinem Geschlecht oder mehreren Geschlechtern identifiziert. Es gibt also mehrere Trans*-Identitäten. Das Sternchen (*) unterstreicht die Pluralität und Fluidität von Trans-Identitäten.